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11.05.2000 14:17

Flüssigkeitsdynamik: Ordnung im Strom der Moleküle

Gertraud Pickel Presse und Kommunikation
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

    Anders als Kristalle kennen Flüssigkeiten keine klare Ordnung, keine Struktur, die den chemischen und physikalischen Eigenschaften eine Richtung zuweist. Doch gezielt von außen angesetzte Kräfte können flüssigen Substanzen eine begrenzte räumliche Ordnung aufzwingen, die auch Bewegungen anders ablaufen läßt. Zur Dynamik von Flüssigkeiten unter Scherbelastung fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft ein gemeinsames Projekt von Prof. Dr. Andreas Magerl, Lehrstuhl für Kristallographie und Strukturphysik der Universität Erlangen-Nürnberg, und Prof. Dr. Hartmut Zabel, Institut für Experimentalphysik IV/Festkörperphysik der Ruhruniversität Bochum (RUB) in Kooperation mit Dr. B. Frick, Institut Max von Laue - Paul Langevin, Grenoble. Um die strukturellen Eigenschaften von visko-elastischen Flüssigkeiten gleichzeitig auf makroskopischer, auf molekularer und auf atomarer Skala zu beobachten, wird zum ersten Mal höchstauflösende Neutronenspektroskopie angewendet.

    Scherbelastung verformt eine elastische Masse, ohne das Volumen zu ändern. Dadurch kann, unter gewissen strukturellen Voraussetzungen der Probe, der räumlich ungeordnete Zustand der Flüssigkeitsmoleküle aufgehoben werden, und auf kurze Reichweite kann sich eine molekulare Ordnung einstellen, die zusätzlich vom Betrag und der Richtung der ausgeübten Scherbelastung abhängt.

    Dabei erfahren die viskosen Eigenschaften - die Zähflüssigkeit, die durch innere Reibungsprozesse bestimmt ist - eine markante Veränderung. Ein Beispiel dafür ist Wandfarbe, die durch Rühren dünnflüssig und streichfähig wird. Der Aufbau einer zweidimensionalen Ordnung wird auch die lokale Dynamik in einer strömenden Flüssigkeit beeinflussen. Es ist davon auszugehen, daß Diffusionsmoden und intramolekulare dynamische Freiheitsgrade besonders sensibel reagieren, daß also Ausmaß und Richtungen der Teilchenbewegung sich deutlich verändern. Dieser Zusammenhang soll im Rahmen des Projektes beleuchtet werden.

    Analysen im gesamten Dynamikbereich

    Mittels Röntgen- oder Neutronenkleinwinkelbeugung läßt sich nachweisen, ob eine partielle Ordnung in einer Flüssigkeit auftritt. Neutronenstrahlen durchdringen Materie in außergewöhnlich hohem Maße. So kann das Fließen einer Flüssigkeit in Scherzellen beobachtet werden, die aus sehr unterschiedlichen Wandmaterialien (z. B. Aluminiumlegierungen, Quarzglas, Silicium, Saphir, Stahl) mit ebenso verschiedenen Oberflächenbeschaffenheiten konstruiert sind. Zusätzlich bietet höchstauflösende Neutronenstreuung an Rückstreuspektrometern den entscheidenden Vorteil, daß der gesamte Bereich der Dynamik, und damit die Auswirkung von Kräften auf Bewegungsvorgänge, in einem einzigen Experiment beobachtet werden kann.

    Das Verfahren gestattet es, diejenigen Fließeigenschaften einer Flüssigkeit zu untersuchen, die mit bloßem Auge wahrnehmbar sind, und zugleich auf mikroskopischer Skala die räumlichen Verschiebungen der Moleküle gegeneinander und Änderungen ihrer Rotationsanregungen zu untersuchen. Durch die Wahl der Streugeometrie kann eindeutig unterschieden werden, ob Bewegungen parallel oder senkrecht zur Scherbelastung in der Flüssigkeit ablaufen. Zentrale Streumethode ist die quasi-elastische Neutronenbeugung, die die lokale Bewegung der Atome gleichzeitig in ihrem geometrischen und zeitlichen Ablauf abbildet. Erste Messungen deuten bereits bei sehr schwacher Scherbelastung eine Erhöhung der translativen Diffusionskonstante parallel zur Scherbelastung an.

    Untersuchungen mit ähnlicher Fragestellung wurden bisher nur mit Lichtstreuung vorgenommen, wobei allerdings, bedingt durch die Wellenlänge des Lichtes (die im Gegensatz zur Länge der Neutronen-Wellen ca. drei Zehnerpotenzen höher liegt), die Längenskala in einem anderen Bereich vorgegeben ist.

    Für die Untersuchungen wird zunächst eine spezielle Scherzelle für Neutronenstreuexperimente konstruiert. Die Flüssigkeit befindet sich zwischen einer stehenden und einer zweiten, um eine Achse rotierenden Scheibe. Die Filmdicke, die Scherbelastung und die Temperatur können in weiten Bereichen eingestellt werden. Die DFG finanziert den Aufbau dieser Experimentiereinrichtung an der FAU und eine dreijährige Promotionsarbeit von Dipl.-Phys. Max Wolff. Die zentralen Messungen werden an Neutronenquellen wie ILL Grenoble, ISIS Rutherford Lab, England, oder NIST, Gaithersburg, USA, durchgeführt. Ergänzt werden sie durch Untersuchungen zu Basiseigenschaften der Flüssigkeiten, z. B. Viskositätsmessungen, in Laborexperimenten.

    * Kontakt:
    Dipl. Phys. Max Wolff, Prof. Dr. Andreas Magerl
    Lehrstuhl für Kristallographie und Strukturphysik
    Bismarckstaße 10, 91054 Erlangen, Tel.: 09131/85 -22700, Fax: 09131/85 -22733
    E-Mail: wolff@krist.uni-erlangen.de, andreas.magerl@krist.uni-erlangen.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Mathematik, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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