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19.05.2000 13:15

Ein Universalgenie, das seinesgleichen sucht

Brigitte Nussbaum Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Westfaelische Wilhelms-Universität Münster

    Leibniz-Forschungsstelle an der Universität Münster ediert philosophische Schriften

    "Beim Erwachen hatte ich so viele Einfälle, dass der Tag nicht reichte, um sie niederzuschreiben", notierte Gottfried Wilhelm Leibniz über seine nie erlahmende Schaffenskraft. Der Denker des Rationalismus, der 1646 in Leipzig geboren wurde, war ein offener, beweglicher Geist, der sich mit vielen Wissensgebieten beschäftigte. Bei seinem Tod im Jahr 1716 hinterließ er rund 60.000 handschriftliche Dokumente. Lange waren diese Dokumente Verschlusssache, Staub haben die Ideen des Universalgenies in dieser Zeit nicht angesetzt. Die Leibniz-Forschungsstelle in Münster beteiligt sich an der schwierigen und langwierigen Arbeit der Herausgabe seiner Schriften.

    1901 beschlossen die Preußische Akademie in Berlin und zwei französische Akademien, sämtliche Handschriften herauszugeben. Seit 1923 wurden 32 der geschätzten 100 Bände als chronologisch aufgebaute, den verschiedenen sachlichen Schwerpunkten zugeordneten Reihen herausgegeben. Drei Editionsstellen teilen sich heute die Arbeit, die von den Akademien der Wissenschaften in Göttingen und Berlin-Brandenburg koordiniert und gefördert wird: Das Leibniz-Archiv in Hannover betreut den historisch-politischen Briefwechsel und die mathematisch-naturwissenschaftlichen Schriften und Briefe, Potsdam die politischen Schriften.

    Die Leibnizforschungsstelle in Münster ist, im Unterschied zu den beiden anderen Editionsstellen, der Universität dadurch unmittelbar verbunden, dass ihr jeweiliger Leiter, zur Zeit Prof. Dr. Thomas Leinkauf, zugleich eine Professur am Philosophischen Seminar innehat. Unter Federführung des Editionsleiters Prof. Dr. Martin Schneider, unter Mitarbeit des ehemaligen Leiters Prof. Dr. Heinrich Schepers sowie der Spezialisten Gerhard Riller, Dr. Herma Kliege-Biller und Heinrich Pfannkuch, arbeiten die Wissenschaftler in Münster sowohl mit Originalen als auch mit Verfilmungen.

    Grund für das Interesse an Leibniz ist die Universalität und zugleich systematische Konsequenz seines Denkens. "Leibniz war", so Prof. Schneider, "in vieler Hinsicht zukunftsweisend. Er erfand die Infinitesimalrechnung und das binäre Zahlensystem, das heute Grundlage für die Computertechnik ist, oder überlegte, wie man aus Windkraft Energie zum Abpumpen von Grubenwasser aus Bergwerken erzeugen könnte". In der Philosophie hat seine allgemeine Wissenschaftstheorie von ihrer Aktualität nichts verloren. Allerdings konnte er sie auf Grund mangelnder öffentlicher Unterstützung nicht abschließen. Er versuchte universelle Definitionen zu entwickeln, die das Denken strukturieren und Widersprüche verhindern sollten. Diese fachübergreifende Wissenschaftstheorie bildet mit Metaphysik, Naturphilosophie und Theologie die Schwerpunkte seiner Philosophie, von deren Grundlagen ausgehend er, den enzyklopädischen Gedanken frühneuzeitlichen Denkens aufgreifend, nahezu alle Wissensgebiete bearbeitete.

    Leibniz ist allerdings, worauf Prof. Leinkauf hinweist, in seinem Selbstverständnis nicht nur Theoretiker, obwohl hierin, in der Theorie, der begrifflichen Distinktion, der logischen und mathematischen Präzision der Schwerpunkt zu sehen ist, sondern auch Praktiker, der eingegriffen hat in juristische, kontroverstheologische und bildungspolitische Zusammenhänge: Er ist es zum Beispiel gewesen, der in Deutschland nach Vorbildern in Frankreich und in Italien die erste Akademie der Wissenschaften in Berlin gegründet hat.

    1999 ist der aus drei Teilbänden bestehende vierte Band der Philosophischen Schriften (Reihe VI) erschienen. Zurzeit wird der Briefwechsel von 1686 neu bearbeitet, daneben die Ausgabe der zwischen 1686 und 1695 entstandenen umfangreichen Korrespondenz vorbereitet (Reihe II). Bis zum Jahre 2055 wird, so weit es sich jetzt abschätzen lässt, die letztgültige und einzige Gesamtausgabe fertiggestellt sein. Sie soll mittelfristig auch im Internet und auf CD-Rom veröffentlicht werden. Schon jetzt nutzen Leibniz-Forscher über briefliche oder E-Mail-Anfragen die Ergebnisse der deutschen Kollegen.

    Die Leibnizforschungsstelle in Münster betreut in regelmäßigen Abständen Stipendiaten, die hier an ihren Dissertationen oder übergreifenden Forschungsprojekten arbeiten. Neben der umfassend durch die Computerisierung zugänglich gemachten - auch noch nicht edierten - Fülle der Leibnizschen Schriften und Fragmente, steht in der Forschungsstelle zusätzlich eine reichhaltige Spezialbibliothek zur Verfügung, die sowohl zeitgenössische Texte des 17. und 18. Jahrhunderts als auch die neuere und neueste Forschungsliteratur sowie hervorragende Lexika umfasst.


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-muenster.de/Leibniz/


    Bilder

    Gottfried Wilhelm Leibniz
    Gottfried Wilhelm Leibniz

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Mathematik, Philosophie / Ethik, Physik / Astronomie, Religion
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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