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Wissenschaft
Cytostatikum unter dem Kraftmikroskop
Mechanische Stabilisierung von DNS hält Tumorzellen in Schach
Cisplatin ist eines der am weitesten verbreiteten Krebsmedikamente. Wie bei vielen anderen Chemotherapeutika auch, ist der Wirkmechanismus noch nicht vollständig erforscht. Dank der Münchner Physiker Hermann E. Gaub, Rupert Krautbauer und Hauke Clausen-Schaumann ist man nun aber einen wichtigen Erkenntnisschritt weiter.
Cisplatin wirkt als Cytostatikum, das heißt es hemmt die Zellteilung. Tumorzellen, die unkontrolliert wuchern, können durch Cytostatika in ihrem Wachstum gebremst, manche Tumore auch zum Schrumpfen gebracht werden.
Schon länger ist bekannt, dass Cisplatin an die DNS-Doppelstränge von Zellen bindet und dabei Querverbindungen zwischen benachbarten Bausteinen sowohl innerhalb eines Stranges als auch zwischen den beiden Strängen knüpft. - Aber was bedeutet das für die DNS?
Gaub und Mitarbeiter haben sich DNS mit und ohne Cisplatin genauer angesehen. Methode der Wahl war die Einzelmolekül-Kraftspektroskopie. Dazu wurden einzelne DNS-Doppelstränge auf ein Goldsubstrat aufgebracht und dann zwischen dem Gold und der winzigen Spitze eines Kraftmikroskops gedehnt. Das Gerät zeichnet die aufgewendete Kraft gegen die erreichte Ausdehnung des DNS-Stranges auf. Frappierende Erkenntnis: Cisplatin verändert die mechanischen Eigenschaften der Erb-Moleküle ganz erheblich.
Dehnungsexperimente mit doppelsträngiger DNS hatten bereits früher ergeben, dass die Moleküle stark überstreckt werden können, ohne zu reißen. Dabei findet zunächst eine Umstrukturierung statt. Bei weiterer Dehnung trennt sich der Doppelstrang in zwei einzelne Stränge auf. Bei Entspannung geht das Molekül wieder in die Ausgangskonformation zurück.
Die Einlagerung von Cisplatin bewirkt, dass die DNS wesentlich stabiler gegenüber der Dehnung reagiert. Die Strangtrennung kann durch den Wirkstoff sogar ganz verhindert werden.
Auch beim Ablesen der genetischen Information müssen die beteiligten Enzyme - für ihre Verhältnisse - starke Kräfte auf die DNS ausüben, um die Doppel-Helix zu entwinden und die beiden Stränge an der abzulesenden Stelle voneinander zu trennen. Nur so können sie an die Information gelangen. Es ist daher naheliegend, dass Cisplatin die DNS mechanisch stabilisiert und so unablesbar macht. Kann die DNS nicht abgelesen werden, kann sich eine Zelle auch nicht mehr teilen. So wird das Wachstum von Tumorzellen gebremst.
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Kontakt:
Prof. Dr.H. E. Gaub
Lehrstuhl f. Angewandte Physik
Amalienstr. 54
D-80799 München
Germany
Fax: (+49) 89-2180-2050
E-mail: gaub@physik.uni-muenchen.de
Quelle: Angewandte Chemie 2000, 112 (21), 4056 - 4059
Hrsg.: Gesellschaft Deutscher Chemiker e. V. (GDCh)
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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