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21.07.2008 12:17

Bundesweites Netzwerk analysiert Ursachen der Mentalen Retardierung

Ute Missel Kommunikation und Presse
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

    Wenn Menschen in ihrer Auffassungsgabe, ihrer Fähigkeit zur Auseinandersetzung mit der Umwelt und ihrer Entwicklung zu einem selbständigen Individuum deutlich unter dem Durchschnitt bleiben, wird heute dafür der Begriff "Intelligenzminderung" oder "mentale Retardierung" verwendet. In der Mehrzahl der Fälle bleibt heute die Ursache noch unbekannt. Daher ist eine ursächliche Behandlung in der Regel nicht möglich. Verschiedene Fördermaßnahmen erlauben zwar eine Verbesserung der jeweiligen Fähigkeiten, jedoch nur im beschränkten Maße. Voraussetzung für die Erforschung ursächlicher Behandlungsmöglichkeiten ist aber zunächst die Aufklärung der verschiedenen Ursachen der mentalen Retardierung, die überwiegend auf der Ebene der Gene zu suchen sind. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat daher beschlossen, über einen Zeitraum von drei Jahren mit insgesamt mehr als vier Millionen Euro die systematische Aufklärung der genetischen Ursachen der mentalen Retardierung zu fördern. Das hierbei neu gegründete deutschlandweite Netzwerk Mentale Retardierung (MRNET, German Mental Retardation Network) wird von Prof. Dr. André Reis, Direktor des Humangenetischen Instituts der Universität Erlangen-Nürnberg, koordiniert.

    Etwa zwei bis drei Prozent der Bevölkerung weisen eine mentale Retardierung auf. Der Schweregrad kann hierbei ganz unterschiedlich sein. Bei einer schwersten mentalen Retardierung besteht oft komplette Pflegebedürftigkeit und kaum Interaktion mit der Umwelt, während Menschen mit leichter Retardierung durchaus in der Lage sein können, zu lesen oder zu schreiben, jedoch im Alltag auf Unterstützung angewiesen sind.

    Spontane Mutationen oder familiäre Vererbung
    Von den genetischen Defekten, die zumeist der mentalen Retardierung zugrunde liegen, sind bisher nur wenige bekannt. Das gemeinsame Ziel des German Mental Retardation Network Forschungsverbundes ist deshalb die systematische Identifizierung von Genen für MR sowie die Untersuchung der Funktion der Proteine, die von diesen Genen abgelesen werden. In dem Vorhaben werden klinisch genetische Ansätze mit einer systematischen Genomanalyse vereint.

    Dabei wird zum einen das Erbgut einer großen Anzahl von Patienten analysiert, in deren Familien zuvor keine MR aufgetreten ist. Hier liegt häufig eine zufällige Veränderung, eine Neu-Muta­tion, vor. Der gesamte Chromosomensatz wird molekular aufgeschlüsselt, um Abweichungen vom Normaltypus aufzudecken und die Gene einzukreisen, die in Zusammenhang mit mentaler Retardierung stehen könnten.

    Andererseits werden Familien untersucht, in denen die mentale Retardierung gehäuft auftritt und ein bestimmtes Vererbungsmuster zeigt. Beim autosomal rezessiven Erbgang zum Beispiel tritt die Erkrankung nur dann auf, wenn beide Eltern die entsprechenden Erbanlagen dafür mitbringen. Durch den Vergleich der Erbanlagen bei gesunden und retardierten Familienmitgliedern kann der jeweilige, in der Familie für die Erkrankung verantwortliche Genort auf den Chromosomen lokalisiert und Kandidatengene für MR identifiziert werden. Deren Funktion und die jeweiligen Signalwege werden mit zellbiologischen Analysen und Modellsystemen funktionell untersucht. Durch Charakterisierung der molekularen Netzwerke soll die Grundlage für die Entwicklung neuer therapeutischer Maßnahmen geschaffen werden.

    Parallel dazu sollen durch Vergleich der verschiedenen Krankheitsausprägungen (Phänotyp) mit dem jeweiligen genetischen Befund (Genotyp) die einzelnen Erkrankungen besser verstanden werden. Neue Krankheitsformen sollen hierbei genauer definiert und in ihrem Verlauf beobachtet werden. Es ist geplant, neue Erkenntnisse zeitnah in die klinische Medizin zu überführen und auch betroffenen Familien bekannt zu machen. Die Ergebnisse von MRNET sollen einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Ursachen der MR im Besonderen und der Neurobiologie im Allgemeinen leisten.

    Netzwerk der Genomforschung
    Der Forschungsverbund vernetzt elf Teilprojekte, die an sieben deutschen Universitäten (Bonn, Dresden, Erlangen, Essen, Heidelberg Münster, Tübingen), einem Institut der Max-Planck-Gesellschaft (Berlin), einem Forschungszentrum der Helmholtz-Gemeinschaft (München) sowie an einer niederländischen Universität (Nijmegen) angesiedelt sind. An der Universität Erlangen-Nürnberg leitet Priv.-Doz. Dr. Anita Rauch vom Lehrstuhl für Humangenetik ein Teilprojekt. Als Integrierter Verbund der medizinischen Genomforschung ist der Forschungsverbund MRNET Bestandteil des Programms, das vom Bundesforschungsministerium zur medizinischen Genomforschung aufgestellt wurde (NGFNplus). MRNET vereint klinische und wissenschaftliche Experten auf dem Gebiet der mentalen Retardierung. In dieser multizentrischen Studie werden modernste molekulare Technologien der genomweiten Analyse neben Untersuchungen zur Zell- und Neurobiologie eingesetzt.

    Über eine eigene Webpage (http://www.german-mrnet.de) informiert der Forschungsverbund Ärzte, Patienten und Familien über Ziele und Fortschritte des Projektes.

    Die Universität Erlangen-Nürnberg, gegründet 1743, ist mit 26.200 Studierenden, 550 Professoren und 2000 wissenschaftlichen Mitarbeitern die größte Universität in Nordbayern. Ihre Schwerpunkte in Forschung und Lehre liegen an den Schnittstellen von Naturwissenschaften, Technik und Medizin in enger Verknüpfung mit Jura, Theologie, Geistes-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften.

    Weitere Informationen für die Medien:

    Prof. Dr. André Reis
    Tel.: 09131/85-22318
    reis@humgenet.uni-erlangen.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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