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Aberglaube in allen Teilen der Bevoelkerung
Weltkongress fuer Soziologie tagte in Koeln
Es wird oft von einer fortschreitenden Globalisierung der Medien und der Wirtschaft gesprochen, aber dabei sollte nicht eine entgegengesetzte Bewegung vergessen werden: ein verstaerktes Interesse an regionalen, sozialen und kulturellen Eigenheiten, das sich auch in einem aufkeimenden Nationalismus einzelner Voelkergruppen manifestiert. Dies erklaert Professor Dr. Erwin K. Scheuch in der Pressekonferenz zum Abschluss des Weltkongresses fuer Soziologie vom 5. bis 11. Juli an der Universitaet zu Koeln.
In diesem Forum hatten selbst Arbeitsgruppen zum Thema 'Aberglaube' ihren Platz. So stellten die Soziologen fest, dass Aberglaube in allen Schichten der Bevoelkerung verbreitet ist. Die Art des Aberglaubens ist aber vom Einkommens- und Bildungsniveau abhaengig. Viele Volksschueler glauben zum Beispiel, dass Handlesen zuverlaessige Aussagen ueber ihre Zukunft liefern kann. Horoskope dagegen werden typischerweise von Angehoerigen der Mittelschicht gelesen, waehrend Topmanager oft hohe Summen fuer von 'Gurus' geleitete Wochenendseminare oder Meditationen ausgeben.
Der alle zwei Jahre stattfindende Kongress fand in diesem Jahr unter dem Motto 'Gesellschaften, Korporationen und der Nationalstaat' statt. Leitend war dabei die Beobachtung, dass die Organisation von Gesellschaften in der Form des Nationalstaates wesentlich komplexer ist, als im Denken unserer westlichen Tradition angenommen. Das Durchdringen der Gesellschaft durch den Staat bleibt oft oberflaechlicher als von den Eliten verstanden wird, die den Staat als Existenzform organisieren. Hinzu kommt die Bedeutung 'mediatisierender Institutionen' - der Korporationen oder Vereinigungen, durch die unsere Privatwelten des alltaeglichen Lebens mit den Makrostrukturen verbunden sind. Als Beispiel nennt Professor Scheuch Kirchengemeinden in Schweden, die Funktionen des in Deutschland staatlichen Standesamtes uebernehmen.
Gesellschaft kann als ein unvollkommen verknuepftes Geflecht von Institutionen, Gruppen und Personen gesehen werden. Dabei war das Nebeneinander von Prozessen der Differenzierung und der Kohaesion ein Leitmotiv des Weltkongresses. Das Generalthema wurde in fuenf Plenarsitzungen und einer Vielzahl von Arbeitsgruppen differenziert behandelt. Ein wichtiger Schwerpunkt war die Rolle der Religionen, der Saekularisierung und deren unterschiedliche Auspraegung in verschiedenen Teilen der Welt. Gerade in diesem Bereich existieren erstaunliche Gegensaetze zwischen einzelnen Staaten. Waehrend zum Beispiel in den USA der Fundamentalismus einen groesseren Einfluss auf die Gesellschaft ausuebt, spielen fundamentalistische Stroemungen in Europa und Japan kaum eine Rolle. Obwohl die Soziologie den Menschentypus 'des ' Fundamentalisten bereits praezise beschreiben kann, ist sie bisher nicht in der Lage, eine zufriedenstellende Erklaerung fuer das Phaenomen des Fundamentalismus liefern - so Professor Scheuch.
Neben Prozessen der Differenzierung ist die Globalisierung der Medien und der Wirtschaft ein wichtiges, schon lange beobachtetes Phaenomen, das in einer weiteren Plenarsitzung und in Arbeitsgruppen des Kongresses diskutiert wurde. Die Globalisierung der Medien scheint weltweit nicht mehr aufhaltbar zu sein. So wurden auf dem Kongress China und Singapur als Beispiele fuer Nationalstaaten genannt, die erfolglos diese Entwicklung zu bremsen suchten. China ist nicht mehr in der Lage, die Vielzahl der ueber Satellit empfangenen Sender zu kontrollieren. Singapur ist bei dem Versuch gescheitert, das Internet zu reglementieren.
Eine aehnliche Entwicklung zeichnet sich im Bereich der Wirtschaft ab. Regierungen erfahren den schwindenden Einfluss der Instrumente nationaler Wirtschaftspolitik. Die Wirtschaftspolitik einzelner Nationalstaaten wird durch internationale Finanzfluesse zunehmend konterkariert. Deshalb - so erlaeutert der Koelner Soziologe die Ergebnisse - schwindet die Faehigkeit des Nationalstaates, Wirtschaftsentwicklungen zu steuern. Als Folge nennt Professor Scheuch eine immer groessere Diskrepanz zwischen der Aufgabe des Nationalstaates, ein Sozialsystem zu garantieren, und seiner Faehigkeit, es zu finanzieren.
Die Beitraege zu diesem Weltkongress, an dem mehr als 300 Wissenschaftler aus 38 Laendern teilgenommen haben, werden in den Jahrbuechern des International Institute of Sociology veroeffentlicht. Interessenten, die die Soziologie auf kuenstlerische und auch humorvolle Weise kennenlernen wollten, konnten waehrend des Kongresses die Bilderausstellung in der Galerie im Hauptgebaeude der Universitaet zu Koeln besuchen. Dem Bonner Soziologen Werner Gephart ist es unter dem Thema 'Founding Fathers: Sociological Portraits' gelungen, die Gruendervaeter der Soziologie in geistvoll deutenden Zeichnungen darzustellen.
Verantwortlich: Sabine Reich
Weitere Informationen finden Sie (in englischer Sprache) unter der URL: http://www.za.uni-koeln.de/iis-worldcongress/. Fuer Rueckfragen steht Ihnen Professor Dr. Erwin K. Scheuch unter der Telefonnummer 0221 4769463, der Fax-Nummer 0221 4769498 und der E-Mail Adresse. scheuch@za.uni-koeln.de zur Verfuegung.
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