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09.09.1997 00:00

140 Prozent-Besteuerung bei Zinserträgen

Gabriele Rutzen Kommunikation und Marketing
Universität zu Köln

    138/97 140 Prozent-Besteuerung bei Zinsertraegen

    Falsche Zinsbesteuerung bewirkt Steuerflucht

    Koeln, den 8. September 1997 Deutsche Sparer zahlen bis zu 140 Prozent Steuern auf ihre Zinsertraege. Dadurch fallen die Zinsertraege der Kapitalanleger teilweise unter Null Prozent. Besonders kurzfristige Termineinlagen sind von der extremen Besteuerung betroffen. Der Anreiz zu sparen wird unterdrueckt, Steuerbetrug und Kapitalflucht ins Ausland sind die Folge. Ein Freibetrag von 6000 Mark pro Person schafft keine Abhilfe und liegt nicht im Sinne der Steuergerechtigkeit. Zu diesem Schluss kommt Dr. Stefan Glass vom Institut fuer Wirtschaftspolitik der Universitaet zu Koeln in einer Studie ueber die Auswirkungen der Nominalzinsbesteuerung.

    Der Koelner Wirtschaftswissenschaftler untersuchte den Zusammenhang von Nominalzinsbesteuerung, Zinsertraegen und Steuerflucht in der Bundesrepublik zwischen 1973 und 1994. Dabei stellt sich heraus, dass der Zinsertrag von kurzfristigen Terminanlagen in diesem Zeitraum sehr stark durch Inflation und Besteuerung schrumpft. Bei einem hohen Einkommenssteuersatz zahlt der Sparer tatsaechlich ueber 140 Prozent Steuern auf seine Zinsertraege. Auch die Anleger mit niedriger Besteuerung des Einkommens erleiden Verluste. Sie zahlen einen faktischen Steuersatz von 84 Prozent auf ihre Zinsertraege. Sparer, die ihr Geld langfristig anlegen, werden ebenfalls zu hoch besteuert, meint Dr. Glass. Hier liegen die faktischen Steuersaetze zwischen 60 und 90 Prozent.

    Schuld an dem extrem hohen Steuersatz ist die wirtschaftlich schaedliche Besteuerung von Nominalzinsen. Grundlage der Steuerbemessung ist der Nennwert der Zinsen (Nominalzins). Tatsaechlich wird aber der durch Inflation gemindert Zinsertrag (Realzins) besteuert. Der Steuersatz vervielfacht sich dadurch in Wirklichkeit. Bei kurzfristigen Anlagen entstehen so enorme UEberbesteuerungen und eine extreme Minderung der Zinsertraege.

    Im Zeitraum von 1973 bis 1994 lagen die Nominalzinsen in Deutschland durchschnittlich bei 6 Prozent. Nach Inflation und Besteuerung belief sich der Zinsertrag fuer Personen mit hohem Einkommenssteuersatz auf gerade noch 0,3 Prozent. Noch dramatischer belaeuft sich der Verlust bei Sparern mit hohem Steuersatz: Sie erhalten nicht nur nichts von ihren Kapitalanlagen, sondern muessen sogar noch bezahlen. Ihre Zinsertraege liegen unter Null bei fast minus einem Prozent. Dieser Durchschnitt wurde im Jahr 1994 wieder erreicht, im Vorjahr sogar noch ueberschritten.

    Auch bei langfristig angelegten Wertpapieren verursacht die Besteuerung der Nominalzinsen hohe Ertragseinbussen. Waehrend der Nennwert der Zinsen im Untersuchungszeitraum bei fast acht Prozent lag, minderte sich der Zinsertrag durch die Inflation auf etwa vier Prozent. Nach Erhebung der Nominalzinsbesteuerung fiel der Zinsertrag bei Sparern mit hohem Einkommenssteuersatz auf 0,2 Prozent, bei Sparern mit niedrigem Einkommenssteuersatz auf immerhin noch fast zwei Prozent.

    Sparer verspueren - so der Koelner Wirtschaftswissenschaftler - unter den gegenwaertigen Bedingungen nachhaltige Anreize, die Steuern ganz oder teilweise zu vermeiden. Steuerausweichhandlungen am Rande der Legalitaet sind die Folge. Viele Sparer nehmen sogar kostspielige und zeitraubende Steuerkonstruktionen auf sich um ihre Steuerlast zu mildern. Neben den legalen Steuerschlupfloechern versuchen viele Anleger auch ganz konkret Steuern zu hinterziehen. Die Kapitalflucht ins Ausland ist seit dem Ende der 80er Jahre ein Problem. Seit 1988 wandelten viele Bundesbuerger ihre festangelegten Wertpapiere in Bargeld um und entzogen dem Fiskus ihre Zinsertraege. Zusaetzlich investierten viele Sparer in nicht zu versteuernde Sachwerte. Die grosse Zahl der Steuerhinterziehungen ist nicht nur wirtschaftlich schaedlich, sondern stellt auch die Steuergerechtigkeit in Frage.

    Den Ausweg aus der UEberbesteuerung sieht der Koelner Wirtschaftswissenschaftler in der Besteuerung der Realzinsen. Freibetraege, wie sie zur Zeit gelten, loesen die Fehlbesteuerung nicht und sind zudem ungerecht. Zinsertraege bis 6000 DM sind zwar frei, jedoch werden alle Zinsertraege darueber besteuert. Ausserdem beruecksichtigt ein pauschaler Freibetrag nicht die jaehrlich unterschiedlichen Inflationsraten.

    Verantwortlich: Robert Hahn

    Fuer Rueckfragen steht Ihnen Frau Weiss unter der Telefonnummer 0221/470-5356, Fax-Nummer 0221/470-5350 und der Email-Adresse Lohenstein@wiso-r10.wiso.uni-koeln.de zur Verfuegung.

    Fuer die UEbersendung eines Belegexemplares waeren wir Ihnen dankbar.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Wirtschaft
    überregional
    Es wurden keine Arten angegeben
    Deutsch


     

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