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Wissenschaft
Organische Chemie
Fullerene: Fussbaelle in der Organischen Chemie
Die aesthetische Struktur der kugelsymmetrischen Fullerene, erst im letzten Jahrzehnt entdeckte Kohlenstoffverbindungen, faszinierte sowohl den synthetisch wirkenden Chemiker als auch theoretisch arbeitende Naturwissenschaftler und gab Anlass zur Darstellung und Untersuchung neuer Abkoemmlinge dieser Gattung von Molekuelen. Am Lehrstuhl fuer Organische Chemie der Naturwissenschaftlichen Fakultaet II der Friedrich-Alexander-Universitaet Erlangen-Nuernberg werden seit Herbst 1995 unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Hirsch Strukturderivate von Fullerenen dargestellt und ihre chemischen, spektroskopischen, physikalischen und biologischen Eigenschaften untersucht.
Vor etwas mehr als zehn Jahren entdeckten Harold Kroto, Richard E. Smalley und Robert F. Curl (Chemienobelpreis 1996) und Mitarbeiter mit dem C60-Fulleren die erste einer Reihe von nur aus Kohlenstoffatomen bestehenden Verbindungen, die neben den klassischen Kohlenstoff-Formen Diamant und Graphit eine dritte Form des Kohlenstoffs darstellen. Sie sind aus regelmaessigen Kohlenstoff-Fuenfecken und -Sechsecken aufgebaut und wurden nach dem amerikanischen Architekten R. Buckminster Fuller benannt, da sie aehnlichen Aufbauprinzipien unterliegen wie dessen geodaetische Kuppelbauten.
Das aus 12 Fuenf- und 20 Sechsecken aufgebaute C60-Fulleren (Buckminsterfulleren) entspricht im "molekularen Design" dem heute ueblichen Fussball und gab damit auch der ganzen Verbindungsklasse die Kurzbezeichnung Buckyballs. Die Fullerenmolekuele faszinierten aufgrund ihrer Symmetrie sowohl Chemiker als auch Physiker und bewirkten binnen kurzer Zeit eine Flut wissenschaftlicher Publikationen. Die Besonderheit der sphaerischen Hohlwelten dieser Molekuele eroeffnete den Zugang zu einer "runden Chemie" und zu vielfaeltigen chemischen Manipulationsmoeglichkeiten sowohl an der Oberflaeche der Fullerene, an ihrer Aussenseite als auch in der Innensphaere des molekularen Fussballs. Sehr bald wurden eine Vielzahl interessanter Eigenschaften wie z.B. thermische Stabilitaet, Halbleitereigenschaften, Elektroneneinfangvermoegen, Supraleitereigenschaften u.a. der unterschiedlichsten Fullerenderivate entdeckt und eroeffneten neue Aspekte der Anwendung und Verwendung von Fullerenen als moegliche neue Materialien und Werkstoffe.
Der Durchbruch fuer die organische Chemie gelang mit der Herstellung groesserer Mengen von Fullerenen durch Wolfgang Kraetschmer, Donald Huffman und Mitarbeiter, die nun auch eine Synthesechemie dieser Verbindungen zuliess. Durch Verdampfung von Graphit im elektrischen Lichtbogen gelingt die Darstellung von Fullerenen im Labormassstab.
Nach mehrjaehrigem Aufenthalt am Institute for Polymers and Organic Solids in Santa Barbara /Kalifornien, der Habilitation 1994 in Tuebingen und einer Professur in Karlsruhe uebernahm Prof. Dr. Andreas Hirsch zu Beginn des Wintersemesters 1995 den Lehrstuhl II fuer Organische Chemie der Erlanger Universitaet (Nachfolge Prof. Hans Juergen Bestmann). Damit etablierte er einen Arbeitskreis von inzwischen ueber 15 Mitarbeitern, der sich vor allem mit der Synthese von Fullerenen und mit theoretischen Untersuchungen zur Struktur befasst. Diese Arbeiten werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Bundesministerium fuer Bildung und Wissenschaft und der Hoechst AG gefoerdert.
Die Chemie an der Fulleren-Oberflaeche wird durch die Synthese von Heterofullerenen repraesentiert, bei denen ein oder zwei Kohlenstoffatome durch Fremdatome wie Stickstoff ersetzt sind. Mit einer Reihe von Folgereaktionen gelangt man so zu dimeren Formen der Heterofullerene. Fuer eine innerhalb der Kugelflaeche gelagerte "endohedrale Chemie" ist die Einfuehrung einzelner Atome oder kleiner Molekuele in die Fullerenbaelle angestrebt. Fuer eine Insertion in nach Mass geschneiderte Fussbaelle werden im Erlanger Institut zur Zeit Fullerene mit molekularen "Loechern" hergestellt, die nach geglueckter Einfuehrung wieder geschlossen werden sollen.
Ein zentrales Thema der Arbeitsgruppe ist die Addition an Fullerene, insbesondere deren Cyclopropanierung. Diese Reaktion fuehrt zu Derivaten mit bis zu sechs Ankerpunkten, an die verschiedenste Synthesebausteine angedockt werden koennen. Zur Zeit werden Fettsaeureketten unterschiedlicher Laenge am C60 angefuegt und in Zusammenarbeit mit Prof. Erich Sackmann (Max-Planck-Institut, Garching) und Prof. Thomas Bayerl (Uni Wuerzburg) der Einfluss dieser lipidaehnlichen Koerper auf natuerliche und kuenstliche Membranen untersucht.
Durch Anbringung mehrerer Verzweigungsstellen gelingt die Darstellung veraestelter Baumstrukturen. Zwischen den einzelnen Aesten entstehen Hohlraeume definierter Groesse und Form, die die Einlagerung von Biomolekuelen gestatten sollte. Damit koennen Wirkstoff-Rezeptor-Wechselwirkungen simuliert und die Affinitiaet solcher Molekuele studiert werden. Im Erlanger Institut werden Porphyrinverbindungen, die die Basis von Blut- und Pflanzenfarbstoffen darstellen, als zukuenftige Biomolekuel-Modelle synthetisiert und an verzweigte Fullerene angeknuepft. Weinsaeure laesst sich als Verzweigungselement mit Aminosaeuren verknuepfen. Eine wiederholte Kupplung dieser Bausteine und Anknuepfung an ein Fulleren ermoeglicht den Zugang zu verzweigten Verbindungen, die aehnlich aufgebaut sind wie ionophore Antibiotika und Peptidfunktionen besitzen koennen.
Alle Synthesen werden durch Kraftfeld- und semiempirische Rechnungen unterstuetzt bzw. die dreidimensionale Geometrie der Syntheseprodukte berechnet. Ausgewaehlte Rechenverfahren fuer grosse verzweigte Systeme mit mehr als 100 Molekuelen werden getestet und vergleichend ihr Einsatzpotential fuer die Fullerenchemie gewertet. Elektrochemische Untersuchungen und Reduktions-Oxidations-Zyklen in Form cyclischer Voltammetrie werden in Zusammenarbeit mit Prof. Ulrich Zenneck (Anorganische Chemie, FAU) durchgefuehrt, photophysikochemische Untersuchungen werden gemeinsam mit der Arbeitsgruppe Prof. Siegfried Schneider (Physikalische Chemie, FAU) ausgearbeitet und getestet.
Kontakt: Universitaet Erlangen-Nuernberg, Prof. Dr. Andreas Hirsch, Institut fuer Organische Chemie, Henkestrasse 42, 91054 Erlangen, Tel.: 09131/ 85-2546, -2537, Fax: 09131/ 85-6864 E-mail: vostrows@organik.uni-erlangen.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Chemie
überregional
Es wurden keine Arten angegeben
Deutsch
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