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Wenn Pfleger und Ärzte in der Klinik die Behandlung eines Patienten im Krankenblatt protokollieren, ist das nicht nur wichtig für den Erfolg der Therapie, sondern liefert Wissenschaftlern auch wertvolle Informationen für die medizinische Forschung: So genannte klinische Routinedaten wie Alter und Geschlecht der Patienten, Vorerkrankungen, Blutdruck, Blutwerte, Medikamentendosen oder OP-Berichte können zum Beispiel für medizinische Vergleichsstudien ausgewertet werden. Prof. Dr. Hans-Ulrich Prokosch von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und seine Arbeitsgruppe haben es sich zum Ziel gesetzt, solche Daten künftig noch besser nutzbar zu machen.
Für drei aktuelle Forschungsprojekte, die verschiedene Aspekte der Erschließung, Verarbeitung und Nutzung klinischer Daten in den Mittelpunkt stellen, erhalten die Wissenschaftler um Prof. Prokosch, Inhaber des Lehrstuhls für Medizinische Informatik, vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (BMBF) sowie als Förderung aus dem EU-Forschungsrahmenprogramm rund 900.000 Euro für die nächsten drei Jahre.
Im ersten Projekt „Integrated Data Repository Toolkit“ (IDRT) unterstützt das BMBF den Aufbau einer Plattform, die Daten aus der klinischen Praxis und der so genannten vorklinischen Forschung datenschutzkonform zusammenführt. Eine besondere Herausforderung für die Entwickler sind die oft sehr heterogenen Datenbestände aus unterschiedlichsten Quellen, die in eine vergleichbare Form gebracht werden müssen. Für die Plattform wollen Professor Prokosch und sein Team vorhandene und bewährte IT-Architekturen an die Bedürfnisse der vernetzten medizinischen Forschung in Deutschland anpassen und in einen nahtlosen Prozess integrieren. Durch die Nutzung von frei verfügbaren bzw. Open Source-Komponenten wie i2b2 (Informatics for Integrating Biology and the Bedside) und Talend Open Studio sollen die Voraussetzungen für eine dauerhafte Nutzung durch eine breite Nutzerzahl geschaffen werden. In dem Projekt kooperieren die FAU-Medizininformatiker mit Kollegen aus Göttingen und Leipzig sowie der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung (TMF).
Während strukturierte Daten, zum Beispiel aus elektronischen Patientenakten, bereits in vielen verschiedenen Forschungsprojekten erfolgreich ausgewertet werden, bleiben unstrukturierte Informationen z. B. aus Arztbriefen, Radiologie- oder Pathologiebefunden für Forschungszwecke meist unerschlossen. Hier liegt der Ansatzpunkt eines weiteren Projektes der Erlanger Medizininformatiker „cloud4health“, das vom BMWi gefördert wird. Mit Hilfe von Textanalyse und Texterschließung wollen die Forscher auch diese Quellen nutzbar machen. Mit Technologien und Konzepten des Cloud Computing können dynamische Ressourcen für die dafür notwendigen rechen- und speicherintensiven Prozesse bereitgestellt werden. Darüber hinaus werden Dienste zur Weiterverarbeitung der Daten als Software-as-a-Service (SaaS) entwickelt, die den Aufbau von Registern, die Erkennung und Bewertung von Arzneimittelnebenwirkungen oder die Wirtschaftlichkeitsprüfungen für den medizinischen Dienst ermöglichen. Besonderes Augenmerk des Vorhabens liegt auf Aspekten des Datenschutzes, denn wer stellt schon gerne sensible Daten in eine globale Cloud? In dem Projekt stellen die Erlanger Medizininformatiker die Expertise für medizinische Prozesse und Data Warehousing. Mit Unterstützung des Universitätsklinikums Erlangen sollen die entwickelten Verfahren dann evaluiert werden. Der Lehrstuhl für Medizinische Informatik kooperiert außerdem mit der Averbis GmbH, welche als Konsortialführer für das Projekt langjährige Erfahrungen und Werkzeuge zur automatisierten Textanalyse beisteuert, dem Fraunhofer-Institut für Algorithmen und Wissenschaftliches Rechnen (SCAI, St. Augustin), das über einen umfangreichem Hintergrund im Cloud Computing und für Textanalyseverfahren verfügt, der TMF mit ihrer Expertise in Datenschutzfragen sowie dem Rhönklinikum als weiteres Evaluationsumfeld.
Eine Anwendung für Patienten wollen die Erlanger Experten im EU-Projekt „eHealthMonitor“ schaffen, das Daten aus der elektronischen Krankenakte mit Informationen aus weiteren Datenquellen wie tragbaren Sensoren und dem Internet zusammenführt. Ziel ist es, eine persönliche Gesundheitsdatenbank zu schaffen, die die Daten nicht nur sammelt, sondern Informationen auf Basis der individuellen Präferenzen und Vorerkrankungen des Nutzers selektiv bereitstellt und interpretiert. Die besondere Herausforderung dabei liegt in der Vielfalt der Datenquellen, die trotz verschiedener Struktur, Qualität und unterschiedlichem Schutzbedürfnis, zusammengeführt werden müssen.
„Unser Ziel ist es, mit all diesen Aktivitäten den Medizinern, die heute mit der täglichen Routinedokumentation im Krankenhaus einen Großteil ihres Arbeitstages verbringen müssen, den Schatz der damit elektronisch verfügbaren Daten auf einfache Art und Weise auch für Forschungszwecke verfügbar zu machen“, erläutert Hans-Ulrich Prokosch. „Sowohl die medizinische Forschergemeinschaft als auch die Pharmaindustrie verfolgen seit einiger Zeit mit großem Engagement das Ziel, den medizinischen Fortschritt durch neue innovative Forschungsansätze und optimierte Nutzung von Daten zu beschleunigen. Wir setzen mit diesen drei Forschungsprojekten konsequent den Weg fort, den wir bereits im Rahmen des großen Förderprojekts EHR4CR (getragen von der European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations im Rahmen der Innovative Medicine Initiative) begonnen haben. Hier entstehen Konzepte und Open Source Werkzeuge, die zum einen der deutschen Forschergemeinde neue Perspektiven für translationale Forschungsprojekte eröffnen, andererseits aber auch Geschäftsmodelle für die mittelständische Industrie aufzeigen können“, sagt Prokosch weiter.
Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), gegründet 1743, ist mit 33.500 Studierenden, 630 Professuren und rund 12.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte Universität in Nordbayern. Und sie ist, wie aktuelle Erhebungen zeigen, eine der erfolgreichsten und forschungsstärksten. So liegt die FAU beispielsweise beim aktuellen Forschungsranking der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) auf Platz 8 und gehört damit in die Liga der deutschen Spitzenuniversitäten. Neben dem Exzellenzcluster „Engineering of Advanced Materials“ (EAM) und der im Rahmen der Exzellenzinitiative eingerichteten Graduiertenschule „School of Advanced Optical Technologies“ (SAOT) werden an der FAU derzeit 31 koordinierte Programme von der DFG gefördert
Die Friedrich-Alexander-Universität bietet insgesamt 142 Studiengänge an, darunter sieben Bayerische Elite-Master-Studiengänge und über 30 mit dezidiert internationaler Ausrichtung. Keine andere Universität in Deutschland kann auf ein derart breit gefächertes und interdisziplinäres Studienangebot auf allen Qualifikationsstufen verweisen. Durch über 500 Hochschulpartnerschaften in 62 Ländern steht den Studierenden der FAU schon während des Studiums die ganze Welt offen.
Weitere Informationen für die Medien:
Prof. Dr. Hans-Ulrich Prokosch
Tel.: 09131/85-26720
ulli.prokosch@imi.med.uni-erlangen.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Informationstechnik, Medizin
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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