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Eine nächtliche Paarung bei Fliegen führt nicht immer zur Vermehrung: Die Männchen geben durch schnelles Flügelschlagen Geräusche in Form von breitbandigen Summlauten von sich, die von Fledermäusen wahrgenommen werden können. Stefan Greif vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen und seine Kollegen haben in einer Langzeitstudie an wildlebenden Fransenfledermäusen beobachtet, dass die Fledermäuse die kopulierenden Fliegen im Doppelpack verspeisten. Sitzende oder laufende Fliegen lösten dagegen kein Angriffsverhalten aus. Dies ist der erste experimentelle Nachweis, wie für Tiere die Paarung selbst zum Risiko werden kann.
Die Paarung ist für Tiere allgemein ein gefährlicher Vorgang, denn die Aufmerksamkeit für andere Geschehnisse in der Umgebung ist dann stark reduziert. Deshalb ist die Kopulation, von ein paar Ausnahmen abgesehen, meist recht schnell wieder vorbei. Bereits vor fast 100 Jahren äußerten Forscher die Vermutung, dass sich paarende Tiere einem erhöhten Risiko aussetzen, leichter entdeckt und gefressen zu werden. Jedoch gibt es überraschenderweise nur spärliche Beobachtungen, die diese Hypothese unterstützen. Diese stammen meist von im Wasser lebenden Insekten, wie z.B. Flohkrebsen und Wasserläufern, aber auch von Landinsekten, wie in einer kürzlich veröffentlichten Studie an Australischen Schwarmheuschrecken, die als Paare öfter zur Beute von Grabwespen wurden als Einzeltiere.
Außer der reduzierten Aufmerksamkeit für die Umgebung erhöht auch eine verminderte Fluchtfähigkeit und eine erhöhte Auffälligkeit die Gefahr, als tierisches Liebespaar eine leichte Beute zu werden. Den experimentellen Nachweis dafür erbrachten nun Stefan Greif vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen und seine Kollegen. An einer Lebensgemeinschaft von Stubenfliegen und Fransenfledermäusen in einem Kuhstall bei Marburg werteten sie Videoaufnahmen von fast 9000 Fliegen aus. Diese zeigen, dass die tagaktiven Fliegen nachts selten fliegen und meist nur an der Decke sitzen oder daran herumlaufen. Die Fledermäuse können diese recht trägen Fliegen durch Echoortung nicht finden, denn die Echos des rauen Untergrundes verschmelzen mit denen der kleinen Beute und machen sie sozusagen unsichtbar.
Dies ändert sich schlagartig, wenn die Fliegenmännchen auf Brautschau gehen und einen passenden Paarungspartner gefunden haben. Die darauf folgende Kopulation ist geräuschvoll, da die Männchen mit ihrem Flügelschlagen breitbandige Summlaute von sich geben, die von den Fledermäusen gehört werden können. In ca. fünf Prozent aller beobachteten Kopulationen wurden diese “Fliegen im Doppelpack“ dann auch von den Fledermäusen attackiert und meist auch erfolgreich gefangen (in vier Beobachtungsjahren wurden sogar durchschnittlich 26 Prozent aller kopulierenden Fliegenpaare angegriffen).
Um nachzuweisen, dass es tatsächlich die Paarungsgeräusche sind, die die Fledermäuse auf die Fliegen aufmerksam machen, klebten die Forscher tote Fliegenpaare an die Decke. Diese bieten eine größere Reflektionsfläche für das Echoortungssignal der Fledermäuse als eine einzelne Fliege. Jedoch wurden auch diese Exponate nicht attackiert. Erst als die Wissenschaftler den Fransenfledermäusen die Kopulationsgeräusche der Fliegen vorspielten, attackierten sie die Lautsprecher. Dementsprechend fasst Stefan Greif die Studie auf Englisch recht simpel zusammen: “Sex kills“.
Originalveröffentlichung:
Björn M. Siemers, Eva Kriner, Ingrid Kaipf, Matthias Simon and Stefan Greif
Bats eavesdrop on the sound of copulating flies.
Current Biology, Veröffentlicht Online am 23.07.2012.
Fotos und Videos zu dieser Meldung:
Zu Finden unter http://pubrel.orn.mpg.de/pindownload/login.do?pin=HX8TL
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Kontakt:
Stefan Greif
Max-Planck-Forschungsgruppe „Sinnesökologie“
Max-Planck-Institut für Ornithologie, Seewiesen
Tel.: 08157 932 376
Email: greif@orn.mpg.de
Dr. Sabine Spehn
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Ornithologie, Seewiesen
Tel.: 08157 932 421
Email: pr_seewiesen@orn.mpg.de
www.orn.mpg.de
Fransenfledermäuse (Myotis nattereri)
Foto: Stefan Greif
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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