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Wissenschaft
Einschränkungen bei der geistigen Leistungsfähigkeit, vor allem aber zunehmende Schwierigkeiten, sich im Alltag zurechtzufinden – das sind Leitsymptome der verschiedenen Formen von Demenz. Um zuverlässig festzustellen, ob und in welchem Maße Demenzpatienten im Alltagsleben eingeschränkt sind, arbeiten Forscher der Psychiatrischen Klinik des Universitätsklinikums Erlangen an einem Leistungstest, der vor allem bei Patienten mit leichter Demenz den Status der alltagspraktischen Fähigkeiten messen kann – und zwar direkt am Patienten selbst. Das Projekt wird von der DFG im Rahmen der Nachwuchsakademie „Versorgungsforschung“ mit etwa 60.000 Euro gefördert.
Unsere Gesellschaft altert – und früher oder später stellt sich für Senioren die Frage, wie lange sie in ihrem gewohnten häuslichen Umfeld leben können und wann es an der Zeit ist, sich Gedanken über Betreuung zu machen. Gerade bei Demenzpatienten ist diese Frage von Bedeutung. Für die Selbstständigkeit im Alltagsleben sind vor allem die so genannten alltagspraktischen Fähigkeiten (ADL-Fähigkeiten) der betroffenen Personen ausschlaggebend. Bislang existiert kein Leistungstest, der ökonomisch, valide und zuverlässig alltagspraktische Fähigkeiten bei leichter Demenz messen kann. Stattdessen werden Einschränkungen in alltagspraktischen Fähigkeiten bei Demenzpatienten meist über Fremdbeurteilungsverfahren erhoben, vorhandene Leistungstests kranken an methodischen Schwächen, etwa weil sie zu lange dauern und daher in der Praxis kaum einsetzbar sind oder weil sie Fähigkeiten abfragen, deren Alltagsrelevanz nicht sicher erwiesen ist.
Das soll sich ändern: Im Rahmen ihrer Forschungen arbeiten Projektleiterin Dr. Katharina Luttenberger und ihr Team an der Entwicklung und Pilotierung eines neuen umfassenden Leistungstests, der gegenüber den vorhandenen Instrumenten folgende Vorteile bieten soll: Er muss schnell und unkompliziert durchführbar sein (Testdauer: 15 Minuten), die relevanten Einschränkungen bei leichter Demenz valide erfassen und nachweislich auch bei immer wiederkehrender Durchführung zuverlässige Ergebnisse liefen, was an einer angemessenen Stichprobengröße von 120 Probanden demonstriert werden soll.
In einer umfangreichen Vorarbeit entwickelte die Forschungsgruppe in Fokusgruppen aus Experten und Angehörigen bereits ein Set von zwölf Aufgaben, die aktuell an 30 Personen mit leichter Demenz auf Durchführbarkeit und Akzeptanz getestet werden. Für das Projekt selbst werden es dann rund 20 Problemstellungen sein, die alle 120 Probanden im Test bewältigen müssen. Sie umfassen Aufgaben aus elementaren Lebensbereichen wie Kommunikation, Mobilität, Selbstversorgung und häusliches Leben, die ganz konkret auf die Situation von Demenzkranken zugeschnitten werden.
Aus dem Testpool der etwa 20 Aufgaben wählen die Wissenschaftler schließlich die fünf bis sechs aus, die am besten und zutreffendsten die alltagspraktischen Fähigkeiten abbilden. Das könnte in der Kategorie „Kommunizieren“ der Auftrag sein, einen Arzt anzurufen und einen Termin zu vereinbaren – inklusive des Suchens nach der Nummer, der korrekten Interpretation einer Anrufbeantworteransage oder des Gesprächs mit der Arzthelferin. Bei der Selbstversorgung ginge es etwa um Herausforderungen wie Zubereitung von Mahlzeiten oder Einkaufen, beim häuslichen Leben um den sicheren Umgang mit der Mikrowelle, und bei der Mobilität wäre ein Verkehrsspiel denkbar, in dem der Proband sich in einer Vorfahrtsituation oder an einer Ampel zurechtfinden muss.
In drei wichtigen Evaluierungskriterien muss der Test schließlich bestehen – Messgenauigkeit, Validität und Objektivität. Dabei stützen sich die Forscher um Dr. Katharina Luttenberger auch auf Cross-Checks mit allen anderen gängigen Tests sowie auf Tests, die einzelne Kompetenzen prüfen, wie etwa Kognition oder Stimmung. Außerdem ist es essenziell, dass das Aufgaben-Set von einfach bis schwierig reicht, um die ganze Bandbreite an Alltagsherausforderungen abzubilden. Nur so lässt sich sicher sagen, ob ein Patient im Alltag stark oder kaum eingeschränkt ist.
Der fertige Test, der 2014 vorliegen soll, ist zum einen in der Forschung unerlässlich, weil nur so dokumentiert werden kann, ob und wie Therapien bei Demenz anschlagen.
Gleichzeitig aber ist der Bedarf im klinischen Alltag enorm hoch. Das Untersuchung schließt dort an frühere Projekte an, im Rahmen derer Prof. Dr. Elmar Gräßel, Leiter Medizinische Psychologie / Medizinische Soziologie am Universitätsklinikum Erlangen und Mentor des Projekts, mit seinem Team bereits Leistungstests für Patienten mit schwer und mittelschwer ausgeprägter Demenz entwickelt hat. Diese haben sich mittlerweile etabliert und vermögen, so die Beobachtung der FAU-Wissenschaftler, relativ zuverlässig vorherzusagen, wann beispielsweise ein Patient eine Pflegestufe erhält oder in die nächsthöhere eingruppiert wird.
„Entscheidend ist aber, dass ein Patient anhand des Testergebnisses die entsprechende Förderung erhält“, so Projektleiterin Luttenberger. „Wir haben in früheren Forschungsprojekten gezeigt, dass sich gerade bei Demenzpatienten mit Training und Förderung das Leistungsniveau sehr gut über einen langen Zeitraum aufrechterhalten lässt. Die Tests helfen, entsprechende Risikogruppen zu ermitteln, bei denen die Leistung noch akzeptabel ist, aber langsam nachlässt. Für solche Patienten könnten wir viel tun.“
Zahlen und Fakten zu Demenz in Deutschland:
• Etwa 1,45 Millionen Menschen in Deutschland leiden an Demenz (Bickel 2012), alle haben alltagspraktische Einschränkungen unterschiedlichen Schweregrads
• Rund zwei Drittel davon werden daheim versorgt, in 90 Prozent der Fälle von einem Angehörigen
• Mit intensiver multimodaler Therapie lassen sich alltagspraktische und kognitive Fähigkeiten über mindestens 12 Monate erhalten (Gräßel, Stemmer et al 2012, www.maks-aktiv.de)
• Weniger als 25 Prozent der Patienten erhalten Antidementiva
Dr. Katharina Luttenberger
Tel.: 09131/85-34650
Katharina.Luttenberger@uk-erlangen.de
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Kommunikation und Presse
Tel: +49 9131 85-70210
presse@fau.de
www.fau.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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