idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
06.03.2013 10:32

Wissenschaftler entwickeln ein Modell komplexer Flüssigkeiten: Ketchup schlägt Purzelbäume

Dr. Ulrich Marsch Corporate Communications Center
Technische Universität München

    Blut, Farbe oder Ketchup sind komplexe Flüssigkeiten, die aus mehreren unterschiedlichen Bestandteilen zusammengesetzt sind. Für die Konstruktion von Pumpen oder die Verbesserung technischer Prozesse benötigen Wissenschaft und Technik Beschreibungsmodelle. Sie machen die besonderen Eigenschaften solcher Flüssigkeiten berechenbar. Forscher der Technische Universität München (TUM) und der Eidgenössisch Technischen Hochschule Zürich (ETHZ) haben nun ein solches Modell entwickelt. In der aktuellen Ausgabe des angesehenen Journals „Physical Review Letters“ stellen sie es vor.

    Das ungewöhnliche Verhalten komplexer Flüssigkeiten kennen wir aus dem Alltag: Kuchenteig steigt beim Rühren am Rührstab hoch, Ketchup wird flüssiger wenn man ihn schüttelt. Auch die Technik nutzt solche Phänomene: Wenn man eine kleine Menge langkettiger Kunststoffmoleküle zugibt, kann eine Pipeline viel mehr Erdöl transportieren. Die Polymere verringern den Fließwiderstand. Doch der Ursprung dieser Effekte war bislang unklar. Die Ingenieure waren auf Schätzungen und langwierige Versuchsreihen angewiesen.

    Ein Physikerteam unter Leitung von Professor Andreas Bausch, Inhaber des Lehrstuhls für Zellbiophysik an der TU München, entwickelte nun ein Beschreibungsmodell für solche Flüssigkeiten. Experimentelles Herzstück der Arbeit sind ein feiner Strömungskanal und eine Mikrokamera. Ähnlich wie die Kamera, die bei Formel 1-Rennen von oben auf die Boxengasse blickt, beobachteten die Wissenschaftler damit die Bewegungen einzelner Polymermoleküle in der Strömung.

    Aus ihren Beobachtungen leiteten sie ein theoretisches Modell für die Bewegung verschieden steifer Moleküle in der Strömung ab. Darüber hinaus gelang es ihnen auch, für von Kollegen vermutete Bewegungsmuster eine experimentelle Bestätigung zu liefern.

    Herausforderung für Theorie und Experiment

    „Aufgrund der unglaublich großen Zahl von Freiheitsgraden ist die Untersuchung und Beschreibung der Bewegung von Polymeren eine große Herausforderung“, sagt Markus Harasim, einer der beiden Hauptautoren. Schon ein einfaches System aus Wasser und Polymer zeigt die Effekte komplexer Flüssigkeiten. Um darin die lang gestreckten Moleküle sichtbar zu machen, markierten die Physiker die Polymere mit einem fluoreszierenden Farbstoff. So konnten sie die Bewegungen unter verschiedenen Bedingungen studieren.

    Bei der mathematischen Modellierung zeigte sich zu ihrer Überraschung, dass bereits das einfache Modell eines steifen Stabes als Ausgangsbasis geeignet war. Dieses Modell verfeinerten die Wissenschaftler dann durch Berücksichtigung der Wärmebewegung, der Biegsamkeit des Moleküls und des höheren Strömungswiderstands eines gebogenen Polymers. „Da wir die mikroskopischen Mechanismen nun kennen, können wir darauf Modelle für kompliziertere Geometrien und Strömungen aufbauen. Und mit dem vorgestellten experimentellen Ansatz sollten sich diese auch beweisen lassen“, sagt Coautor Bernhard Wunderlich, der in seiner Freizeit Rapper bei der Hiphop-Band „Blumentopf“ ist.

    Die Arbeiten wurden mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Exzellenclusters Nanosystems Initiative Munich (NIM) unterstützt.

    Publikation:
    Direct Observation of the Dynamics of Semiflexible Polymers in Shear Flow
    Markus Harasim, Bernhard Wunderlich, Orit Peleg, Martin Kröger, and Andreas Bausch,
    Physical Review Letters, online, 4. März 2013 DOI: 10.1103/PhysRevLett.110.108302
    Link: http://link.aps.org/doi/10.1103/PhysRevLett.110.108302

    Kontakt:
    Prof. Dr. Andreas Bausch
    Technische Universität München
    Physik-Department, Lehrstuhl für Zellbiophysik (E 27)
    85747 Garching, Germany
    Tel.: +49 89 289 12480 – E-Mail: abausch@ph.tum.de

    Links:
    > Die Biophysik des Schlangenbisses
    http://portal.mytum.de/pressestelle/pressemitteilungen/NewsArticle_20110516_1212...
    > Biologisches Modellsystem mit „absorbierenden Zustand“
    http://portal.mytum.de/pressestelle/pressemitteilungen/NewsArticle_20111114_0908...
    > Modellsystem zum Gruppenverhalten von Nanomaschinen
    http://portal.mytum.de/pressestelle/pressemitteilungen/news_article.2010-09-01.0...


    Weitere Informationen:

    http://www.tum.de/studium/tumstudinews/ausgabe-012013/show/article/30330/
    http://bio.ph.tum.de/home/e27-prof-dr-bausch/bausch-home.html


    Bilder

    Markus Harasim verfolgt am Mikroskop die Bewegung von Polymermolekülen in einem Strömungskanal
    Markus Harasim verfolgt am Mikroskop die Bewegung von Polymermolekülen in einem Strömungskanal
    Quelle: Foto: Andreas Battenberg / TUM


    Anhang
    attachment icon Tumbling Dynamics

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).