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Wunder, Höhenflug, Boom – das sind nur einige Schlagworte, die auftauchen, wenn vom deutschen Arbeitsmarkt während und nach der Finanzkrise 2008 die Rede ist. Zu den wichtigsten Instrumenten der Bundesregierung zählte damals die Kurzarbeit. Was sie der Konjunktur wirklich gebracht hat und welche Wechselwirkungen mit anderen Instrumenten der Arbeitsmarktpolitik bestehen, diesen Fragen gehen Wissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) nach.
In der Rezession in den Jahren 2008 und 2009 ging das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in allen Industrieländern stark zurück. Daraufhin schnürten viele Staaten Konjunkturpakete, um die Folgen abzufedern – ein wichtiger Bestandteil war oftmals die Kurzarbeit: Firmen sollen bei schwacher Auftragslage flexibel sein und eine Alternative zu Entlassungen haben. Erfüllt hierzulande ein Unternehmen die geforderten Kriterien, so reduziert es die Arbeitsstunden und damit auch die Ausgaben für den Lohn seiner Beschäftigten. Diese bekommen von der Bundesagentur für Arbeit dann zwischen 60 und 67 Prozent des Lohnausfalls in Form von Kurzarbeitergeld. Laufen die Geschäfte wieder besser, kann das Unternehmen sofort wieder durchstarten und muss nicht erst neue Arbeitskräfte suchen. Eine andere Möglichkeit für Firmen, flexibel auf Aufträge zu reagieren, sind Arbeitszeitkonten, die vor allem in den vergangenen Jahren in Deutschland an Bedeutung gewonnen haben.
Die FAU-Wissenschaftler um Prof. Dr. Christian Merkl, Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Makroökonomik, wollen nun herausfinden, welche Effekte Kurzarbeit auf Beschäftigung und Konjunktur hat, wie sich das Instrument auf das Einstellungs- und Entlassungsverhalten der Unternehmen auswirkt, wie kosteneffizient es ist, in welchem Ausmaß Firmen es ausnutzen und wie Kurzarbeit mit Instrumenten wie Arbeitszeitkonten interagiert. Gefördert wird das Projekt in den kommenden zwei Jahren von der Fritz Thyssen-Stiftung mit knapp 80.000 Euro. Zwar gibt es bereits wissenschaftliche Studien, die das Thema Kurzarbeit unter die Lupe nehmen, allerdings betreten die FAU-Forscher in verschiedenen Bereichen Neuland. Die bisherigen Studien fokussierten sich sehr stark auf mikroökonomische Effekte wie den Unterschieden zwischen verarbeitenden Gewerbe und Dienstleistungssektor. Erstmals soll in einem Projekt getrennt werden zwischen den stabilisierenden Effekten, die allein schon dadurch eintreten, dass es das Instrument Kurzarbeit gibt, und Effekten, die sich durch zusätzliches politisches Eingreifen ergeben.
Im Zuge der Finanzkrise kam es in Deutschland zu neuen gesetzlichen Vorgaben: So wurde zum Beispiel die maximale Bezugsdauer auf 24 Monate verlängert, die Zugangskriterien wurden gelockert, die Sozialversicherungsbeiträge der betroffenen Mitarbeiter übernahm die Arbeitsagentur und auch Zeitarbeitsfirmen konnten Kurzarbeit beantragen. Außerdem startete die Arbeitsagentur eine massive Werbekampagne für die Kurzarbeit. Die Gesamtkosten auf Seiten des Staates waren hoch. Doch ob diese Maßnahmen wirklich den gewünschten makroökonomischen Nutzen brachten, wurde bisher noch nicht eingehend analysiert. Zudem sollen Mitnahme- und Erwartungseffekte erfasst werden: Damit sind zum einen Unternehmen gemeint, die Kurzarbeit ausnutzen, obwohl sie keinen Bedarf haben, sowie zum anderen Unternehmen, die den Rettungsanker Kurzarbeit vor Augen haben und deshalb ihre Personalpolitik ändern. Zudem beziehen die Wissenschaftler weitere betriebliche Instrumente, mit denen Unternehmen ebenfalls flexibel und schnell auf fehlende Aufträge reagieren können, in ihre Analysen ein: Welche wirtschaftlichen Effekte haben Modelle wie Arbeitszeitkonten? Damit wollen die FAU-Wissenschaftler eine fundierte Einschätzung liefern, inwieweit sich Kurzarbeit und Arbeitszeitkonten in ihrer Wirkung ergänzen oder gegenseitig ersetzen. Um diese verschiedenen Faktoren trennen zu können, wenden sie unterschiedlichste Methoden an: Sie kombinieren Zeitreihen, die bis in die 70er Jahre zurückreichen, mit Unternehmensbefragungen sowie einer dynamischen Modellsimulation.
Anhand ihrer Ergebnisse wollen die Forscher nicht nur beurteilen, wann Kurzarbeit überhaupt sinnvoll ist, sondern auch wie sich verschiedene Maßnahmen konkret auf den Arbeitsmarkt auswirken. Ihr Ziel ist es, der Politik Vorschläge an die Hand zu geben, wie das Instrument Kurzarbeit in Zukunft möglichst gezielt und effektiv genutzt werden kann. Außerdem analysieren sie, ob Länder wie Deutschland, die im Gegensatz zu angelsächsischen Ländern durch hohen Kündigungsschutz und starke Arbeitnehmervertretungen gekennzeichnet sind, besonders von Kurzarbeit profitieren.
Informationen für die Medien:
Prof. Dr. Christian Merkl
Tel.: 0911/5302-337
christian.merkl@wiso.uni-erlangen.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Gesellschaft, Wirtschaft
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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