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25.06.1998 00:00

Sonde begleitet Kometen auf dem Weg durch das All

Brigitte Nussbaum Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Westfaelische Wilhelms-Universität Münster

    Das Institut für Planetologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster beteiligt sich mit der Thermalsonde MUPUS an der nächsten Kometenmission der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA), bei der erstmals eine Landung auf einem Kometen geplant ist. Die Wissenschaftler der Universität Münster haben ein System entwickelt, mit dem über ein thermisches Langzeitexperi ment Umwandlungsprozesse der Kometenmaterie beob achtet werden können, berichtet die neue Ausgabe der "muz - Münsters Universitäts-Zeitung".

    Für Aristoteles waren Kometen nicht Teil der kosmischen Ordnung, sondern Ausdünstungen aus Sümpfen. Die moderne Naturwissenschaft hingegen betrachtet sie als Zeugen der Entstehung unseres Sonnensystems: Vermutlich hundert Milliarden Kometen umgeben das Sonnensystem jenseits der Bahn des äußersten Planeten Pluto und bilden die sogenannte Oortsche Wolke. Manche von ihnen verlassen durch Schwerkrafteinflüsse diese "Parkposition" und stürzen dann auf die Sonne zu, in deren Nähe sie aufgeheizt werden. Je nach chemischer Zusammensetzung bildet sich aus abgedampftem Gas und Staub eine Koma um den Kometen. Sie wird von der Sonnenstrahlung in die Tiefen des Weltraums geblasen, wodurch der charakteristische Schweif entsteht, der sich bei einigen Prachtexemplaren (Halley 1986, Hyakutake 1996, Hale-Bopp 1997) mit bloßem Auge am Nachthimmel beobachten läßt. Die meisten Menschen heute glauben nicht mehr an angekündigtes Unheil, sondern freuen sich über das Naturschauspiel - wenn auch manchen eine gewisse Beklemmung befällt: Das Ding wird doch nicht auf der Erde einschlagen?

    Die Raumsonde "Giotto" der europäischen Weltraumagentur ESA hat 1986 bei ihrem dichten Vorbeiflug an Halley erstmals einen Kometenkern aus der Nähe fotografiert und vermessen. Eine weitere Kometenmission der ESA ist in Vorbereitung, diesmal ist eine Landung geplant. Im Jahre 2011 soll die Sonde "Rosetta", acht Jahre vorher von einer Ariane-5-Rakete auf den Weg gebracht, ein Rendezvous mit dem alle sechs Jahre wiederkehren den Kometen Wirtanen haben, der zu diesem Zeitpunkt gerade seinen sonnenfernsten Punkt in Höhe der Jupiterbahn erreicht haben wird. Die tonnenschwere Sonde wird den Kometen einige Monate umkreisen und umfangreiche Messungen und Kartierungen vornehmen, bevor sie den 90 Kilogramm leichten "Rosetta Lander" auf dem etwa 1,5 Kilometer durchmessenden Kometenkern absetzt. Da die Schwerkraft weniger als ein Hunderttausendstel der Erdanziehung beträgt, muß sich der Lander mit zwei Harpunen an der Oberfläche festkrallen.

    Wenn es soweit ist, werden die Kometenforscher des Instituts für Planetologie wohl kaum eine ruhige Minute haben. Denn die Federführung und Verantwortung für eines der acht Experimen te an Bord des Landers, die nach der Landung die Bodenbeschaffenheit unter die Lupe nehmen, liegt hier in Münster. Prof. Dr. Tilman Spohn hat 1995 für die Rosetta-Mission das im Institut entwickelte Projekt MUPUS vorgeschlagen. Die Abkürzung steht für "Multi-purpose sensors for surface and sub-surface science", zu deutsch: "Mehrzwecksensoren für Oberflächen- und Untergrund-Messungen". Verwirklicht wird das Projekt in Zusammenarbeit mit europäischen und amerikanischen Partnern, unter anderem dem Institut für Weltraumforschung der Uni Graz, der DLR Berlin und dem Space Research Centre in Warschau, wo die MUPUS-Sonde gebaut wird.

    Das Modell der MUPUS-Sonde, das Projektmanager Dr. Karsten Seiferlin in Händen hält, sieht aus wie ein riesiger, 40 Zentimeter langer und ein Zentimeter dicker Nagel mit einem fast faustgroßen Zylinder als Kopf. In diesem Zylinder ist neben einiger Elek tronik ein Hammermechanismus eingebaut, der mit elektromagnetischer Induktion funktioniert - im Prinzip wie ein Radiolaut sprecher. Es wird aber keine feine Membran in Bewegung versetzt, um Schallwellen zu erzeugen, sondern ein massiver Metall ring, der ein- bis achtmal pro Sekunde hart nach unten schlägt. Auf diese Weise kann sich MUPUS gewissermaßen selbst in den Kometenboden hämmern, nachdem er von einem Auslegerarm des Landers in Position gebracht worden ist. Vorversuche auf der Erde haben gezeigt, daß sogar Gasbeton für MUPUS kein Problem ist.

    Das Besondere an dem Experimentkonzept der münsterschen Planetologen ist, daß nicht allein der Jetzt-Zustand untersucht wird. Seiferlin: "Wir wollen verstehen, wie das Material an der Oberfläche verändert worden ist, um sagen zu können, wie es früher ausgesehen hat." Denn Kometen seien zwar mit Sicher heit "die ursprünglichsten und am wenigsten veränderten Objekte, die wir im Sonnensystem finden", weswegen sie ja als Zeugen seiner Entstehung vor etwa viereinhalb Milliarden Jahren gelten, aber beispielsweise die Umwandlungsprozesse der Kometenmaterie in Sonnennähe dürfe man nicht einfach ignorieren. Deshalb soll MUPUS den Kometen Wirtanen auf dessen Weg Richtung Sonne über mehrere Monate oder sogar Jahre begleiten.

    Zunächst werden, während sich MUPUS in den Boden hämmert, die mechanische Festigkeit und die Dichte der durchstoßenen Bodenschichten bestimmt. Danach beginnt das thermische Langzeit-Experiment, das den Münsteranern besonders am Her zen liegt. Hierfür ist der hohle MUPUS-Nagel innen mit 16 Wär mesensoren ausgekleidet: Kaptonfilme mit aufgedampften Platindrähtchen und Kupferzuleitungen. Diese Sensoren können sowohl passiv als Temperaturfühler als auch nach Art einer Heck scheibenheizung für Autos aktiv betrieben werden. Der elektrische Widerstand der Heizdrähtchen gibt dann Aufschluß darüber, wie gut die erzeugte Wärme in 16 verschiedenen Tiefen in den Komentenboden abfließen kann. Laufen diese Messungen lange genug, lassen sich aus der berechneten Energiebilanz detaillierte Aussagen über die Umwandlungsprozesse der Kometenmaterie ableiten.

    Erst solche Aussagen erlauben experimentell abgesicherte Rückschlüsse vom Jetzt-Zustand eines Kometen auf die "kosmische Ursuppe", aus der sich unsere Sonne, Planeten und Monde formten. So wird MUPUS bei der Auswertung aller anderen Experimente der Rosetta-Mission helfen, die den Chemismus und die Struktur der Komentenmaterie auf vielfältige Weise unter die Lupe nehmen. Bildlich gesprochen: Wenn der Komet Wirtanen Zeuge der Entstehung des Sonnensystems ist, dann sind die Experimente der Rosetta-Mission das Verhör, und der Zeugengutachter MUPUS überprüft, wie weit man einem Zeugen mit solcher Vergangenheit trauen darf.


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-muenster.de/Dezernat2/afo/iq-1-pla.htm


    Bilder

    Am oberen Ende des MUPUS-Penetrators sitzt ein Hammermechanismus, der für das Eindringen in den Kometenboden sorgt.
    Am oberen Ende des MUPUS-Penetrators sitzt ein Hammermechanismus, der für das Eindringen in den Kome ...

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geowissenschaften
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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