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01.07.1998 00:00

Sterben lernen heißt leben lernen

Brigitte Nussbaum Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Westfaelische Wilhelms-Universität Münster

    Läßt sich Sterben wirklich lernen? Läßt sich lernen, wie man mit dem sterbenden Menschen umgeht, wie man Angehörige tröstet, wie die Ängste zu beschwichtigen sind? Wohl nicht, doch werden Handlungsrahmen abzustecken sein, die im Einzelfall die Arbeit eines professionellen Helfers erleichtern mögen. Zu diesen gehören auch Sozialpädagogen, die aber im Rahmen ihres Studiums kaum auf den Umgang mit sterbenden Menschen vorbereitet werden. Dr. Hugo Mennemann von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat in seiner Dissertation mit dem Titel "Sterben lernen heißt leben lernen" - nach einem Zitat von Montaigne - Sterbebegleitung aus sozialpädagogischer Sicht untersucht, berichtet die neue Ausgabe der "muz - Münsters Universitätszeitung".

    "Sterbebegleitung ist nicht am grünen Tisch planbar", stellt Mennemann klar. Professionelle Hilfe aber sei bei einigen Sterbenden, die sich in einer Krisensituation befinden, wichtig und notwendig. "Ein lebenssattes Sterben im hohen Alter im Kreise der Familie wird zum Privileg weniger. Ein Sterben in Ruhe, ausgesöhnt, ausgeglichen und mit sich einig gibt es in der Regel nicht", beschreibt Mennemann die Situation. Gerade Sozialpädagogen würden in steigendem Maß mit sterbenden Menschen konfrontiert, doch noch gebe es keine theoretische Arbeit zu diesem Thema.

    Gesellschaftliche Veränderungen haben zu einer "Ver-Heimlichung" des Todes - 70 Prozent der Menschen sterben in Heimen und Krankenhäusern - geführt, der tradierte Umgang mit Sterbenden ist weggefallen, die Menschen müssen sich eigene Handlungsrahmen suchen, mit dem Tod umzugehen.

    In seiner Studie, die von der Zeitschrift "Neue Praxis" ausgezeichnet wurde, stützt sich Mennemann auf drei Kategorien, um Handlungsrahmen von Sozialpädagogen zu beschreiben. Anhand der Kategorie "Subjekt" erläutert er die Notwendigkeit, den Sterbenden nicht als "Objekt" medizinischer und pflegerischer Hilfeleistungen, sondern als "Subjekt", als Individuum mit einem individuellen Sterbeerlebnis zu begreifen. "Wir müssen dem Sterbenden seine Würde belassen. Dazu gehört auch, seine Handlungskompetenzen so wenig wie möglich zu beschneiden, ihm nicht alles abzunehmen", erklärt der Sozialpädagoge. Die zweite Kategorie ist der "Ort". Hierunter fällt die Wichtigkeit der Ortsgestaltung, insbesondere die Mitwirkung an der Organisationskultur in Institutionen, die ein dem einzelnen Menschen gerecht werdendes Handeln ermöglichen. In den Bereich der Sozialarbeit führt dabei schon die Regelung von administrativen Hilfen und die Koordination verschiedener Institutionen und Professionen. Die dritte Kategorie schließlich ist der "pädagogische Bezug". Dahinter verbirgt sich die Gestaltung der Beziehung zwischen Helfer und Sterbendem. "Man muß seine eigenen Ängste und Sorgen erkennen und betrachten können, um die Bedürfnisse des Sterbenden sehen zu können", sagt Mennemann.

    Sterbebegleitung ist für ihn ein typisch sozialpädagogisches Handlungsfeld, doch bedarf sie nicht eines institutionalisierten Verfahrens. Im Gegenteil kommen hier alle typischen sozialpädagogischen Ausbildungsinhalte zum Tragen: Beziehungs- und Konfliktfähigkeit, Offenheit, Verantwortlichkeit, Ganzheitsschau und Dialog. Kommt die grundlegende Auseinandersetzung mit Krisensituationen hinzu, wie sie über Weiterbildungsangebote vermittelt werden kann, sind die Handlungsrahmen gesteckt.

    Hugo Mennemann, "Sterben lernen heißt leben lernen", 301 Seiten, LIT-Verlag, Münster 1998, 49,80 Mark


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Pädagogik / Bildung
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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