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30.09.2013 10:18

Mikrobielle "Aufforstung" des Darms bei Entzündungen

Michaela Wein Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien

    Ein Team um die GastroenterologInnen Sieglinde Angelberger und Walter Reinisch (Medizinische Universität Wien) sowie die Mikrobiologen David Berry und Alexander Loy (Universität Wien) erforschte zum ersten Mal die mikrobielle Wiederbesiedlung des Darms von PatientInnen mit chronischen Darmschleimhautentzündungen (Colitis ulcerosa) nach Behandlung mit einer so genannten "Fäkaltransplantation". Bei dieser ungewöhnlichen Alternativtherapie wird die Darm-Mikrobiota von gesunden Spenderinnen auf Personen übertragen, die an Darmerkrankungen leiden. Die Ergebnisse dieser klinischen Pilotstudie erscheinen aktuell in der Fachzeitschrift "American Journal of Gastroenterology".

    In Europa leiden rund zwei Millionen Menschen an chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Durch die fortschreitende Gewebszerstörung sind oft operative Entfernungen von Darmabschnitten notwendig. Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind die häufigsten Ausprägungen dieser Erkrankungen, deren genauen Ursachen noch weitgehend ungeklärt sind. Neben genetischen Faktoren und Umwelteinflüssen, wie dem Lebensstil, wird für das Auslösen der Erkrankungen auch eine gestörte Darm-Mikrobiota verantwortlich gemacht. Eine vollständige Heilung ist nicht möglich. "Wenn die gängigen medikamentösen Therapien versagen, ist die Entfernung von Teilen des entzündeten Darms derzeit das letzte Mittel der Wahl", erklärt Walter Reinisch, Gastroenterologe an der Universitätsklinik für Innere Medizin III der MedUni Wien und Initiator der Studie.

    Fäkaltransplatation: die Alternativtherapie mit dem gewissen Ekelfaktor

    Der Gedanke an die Übertragung von Fäkalien in den eigenen Körper verursacht natürlicherweise einen gewissen Ekel. Bei vielen infektiösen und chronischen Durchfallerkrankungen ist die Darm-Mikrobiota massiv verändert. Das Ziel der Fäkaltransplantation ist daher die Wiederherstellung der natürlichen Darm-Mikrobiota und damit eine Verbesserung des Krankheitszustands. "Metastudien haben gezeigt, dass die kontrollierte Transplantation der Fäkalmikrobiota von gesunden SpenderInnen eine sichere und sehr effiziente Behandlung von Durchfallerkrankungen ist, deren Erreger der Clostridium difficile-Keim ist", berichtet Sieglinde Angelberger, Gastroenterologin an der Universitätsklinik für Innere Medizin III der MedUni Wien und Erstautorin der Studie: "Dies war der Grund, warum wir diese Therapie auch zur Behandlung von PatientInnen mit chronischen Darmerkrankungen in Betracht gezogen haben".

    Sukzessive Besiedelung durch Spender-Darmbakterien

    "Bislang ist noch nie wissenschaftlich überprüft worden, ob und wie eine erfolgreiche Fäkaltransplantation zur dauerhaften Besiedelung der/s Patientin/en durch die Darmbakterien der/s gesunden Spenderin/s führt", so Alexander Loy vom Department für Mikrobielle Ökologie der Universität Wien: "Wir haben daher die Zusammensetzung der Darm-Mikrobiota der PatientInnen mittels moderner DNA-Sequenzierungsmethoden erstmals über einen Zeitraum von bis zu drei Monaten nach der Behandlung verfolgt."

    Das Darmökosystem jeder/s einzelnen Patientin/en reagierte sehr unterschiedlich auf die Fäkaltransplantation. Darmbakterien der SpenderInnen konnten in den PatientInnen nachgewiesen werden, aber zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in verschiedenen Häufigkeiten. "Obwohl die Mechanismen unbekannt sind, erinnert die zeitliche Abfolge der Neubesiedelung des Darms durch die Bakterien der SpenderInnen an die Sukzession eines Waldes nach einem Sturmschaden", erläutert Mikrobiologe David Berry: "Pionierarten besiedeln das abgeholzte Gebiet, in diesem Fall den entzündeten Darm, zuerst und verändern das Ökosystem so, dass sich weitere Arten ansiedeln können."

    Kooperation zwischen angewandter Medizin und Grundlagenforschung

    "Durch die Zusammenarbeit mit der Medizinischen Universität Wien bot sich für uns erstmals die Möglichkeit, unsere im Rahmen des Projektes InflammoBiota erworbene Expertise zur Untersuchung der Darm-Mikrobiota von PatientInnen einzusetzen", berichtet Alexander Loy. Das Verbundprojekt InflammoBiota (http://gutmicrobiota.univie.ac.at/inflammobiota/) wird durch das österreichische Genomforschungsprogramm GEN-AU (http://www.gen-au.at/) des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung finanziert und widmet sich der Erforschung der immunologischen und mikrobiellen Ursachen entzündlicher Darmerkrankungen.

    Publikation in American Journal of Gastroenterology

    Temporal bacterial community dynamics vary among ulcerative colitis patients after fecal microbiota transplantation
    Von: Sieglinde Angelberger, Walter Reinisch, Athanasios Makristathis, Cornelia Lichtenberger, Clemens Dejaco, Pavol Papay, Gottfried Novacek, Michael Trauner, Alexander Loy und David Berry.
    In: American Journal of Gastroenteroloy (AJG), September 2013.
    http://www.nature.com/ajg/journal/vaop/ncurrent/full/ajg2013257a.html

    Beteiligte Institutionen

    Department für Mikrobielle Ökologie, Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien und Klinische Abteilung für Mikrobiologie und Klinische Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie der Medizinischen Universität Wien.

    Wissenschaftlicher Kontakt
    Ass.-Prof. Dr. Alexander Loy
    Department für Mikrobielle Ökologie
    Universität Wien
    1090 Wien, Althanstrasse 14
    T +43-1-4277-54 317
    alexander.loy@univie.ac.at

    Ass.-Prof. Dr. David Berry
    Department für Mikrobielle Ökologie
    Universität Wien
    1090 Wien, Althanstrasse 14
    T +43-1-4277-57321
    david.berry@univie.ac.at

    Ao.-Univ. Prof. Dr. Walter Reinisch
    Innere Medizin III, Klinische Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie
    Medizinische Universität Wien
    Währinger Gürtel 18-20, A-1090 Wien
    T +43-1-40400 4741
    walter.reinisch@meduniwien.ac.at

    Dr. Sieglinde Angelberger
    Innere Medizin III, Klinische Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie
    Medizinische Universität Wien
    Währinger Gürtel 18-20, A-1090 Wien
    T +43-1-40400 4741
    sieglinde.angelberger@meduniwien.ac.at

    Rückfragehinweise
    Mag. Alexandra Frey
    Pressebüro der Universität Wien
    Forschung und Lehre
    1010 Wien, Universitätsring 1
    T +43-1-4277-175 33
    M +43-664-602 77-175 33
    alexandra.frey@univie.ac.at

    Mag. Johannes Angerer
    Leiter Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
    Medizinische Universität Wien
    Spitalgasse 23, 1090 Wien
    Tel.: +43 1 40 160 - 11 501
    Fax: +43 1 40 160 911 500
    Mobil: +43 664 800 16 11 501
    johannes.angerer@meduniwien.ac.at


    Weitere Informationen:

    http://medienportal.univie.ac.at/presse - Medienportal der Universität Wien mit Foto-Download


    Bilder

    David Berry, Sieglinde Angelberger, Walter Reinisch und Alexander Loy (v.l.n.r.)
    David Berry, Sieglinde Angelberger, Walter Reinisch und Alexander Loy (v.l.n.r.)
    Copyright: Frederik Schulz
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    Mikroskopische Identifizierung der Mikrobiota im gesunden (links) und entzündeten Darm (rechts) mittels spezifischer Gensonden. Darmentzündungen führen zur Verdrängung gesundheitsunterstützender Bakterien z.B. Buttersäure-produzierende Clostridia (links in gelb) durch andere Bakterien (rechts), die in manchen Fällen die Heilung der Darmschleimhaut verzögern.
    Mikroskopische Identifizierung der Mikrobiota im gesunden (links) und entzündeten Darm (rechts) mitt ...
    Copyright: Alexander Loy
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    David Berry, Sieglinde Angelberger, Walter Reinisch und Alexander Loy (v.l.n.r.)


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    Mikroskopische Identifizierung der Mikrobiota im gesunden (links) und entzündeten Darm (rechts) mittels spezifischer Gensonden. Darmentzündungen führen zur Verdrängung gesundheitsunterstützender Bakterien z.B. Buttersäure-produzierende Clostridia (links in gelb) durch andere Bakterien (rechts), die in manchen Fällen die Heilung der Darmschleimhaut verzögern.


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