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Der Flüchtlingsstrom von Afrika in die Europäische Union nimmt kein Ende, fast täglich erreichen uns Meldungen über in Seenot geratene Flüchtlinge. Auf ihrem EU-Gipfel beraten die Regierungschefs heute über die europäische Flüchtlingspolitik. Warum diese sich dennoch nicht ändern wird, erklärt PD Dr. Petra Bendel, Geschäftsführerin des Zentralinstituts für Regionenforschung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU).
Das gesunkene Flüchtlingsschiff vor Lampedusa im Oktober 2013 ist nur die Spitze des Eisbergs. UNHCR, das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, schätzt, dass allein im Jahr 2012 1.500 Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Europa ums Leben kamen. In den vergangenen zwanzig Jahren waren es über 20.000 Menschen.
Politikvorschläge aus den Mitgliedstaaten nehmen ebenso reflexartig wie vereinfacht entweder das „kriminelle Schlepperwesen“ in den Blick oder fordern eine „bessere Verteilung“ der Flüchtlinge. Vorschläge der Europäischen Kommission und des Parlaments bezogen sich auf eine bessere Ausstattung der europäischen Grenzschutzagentur FRONTEX oder eine bessere Technologie zur Seenotrettung innerhalb des Systems EUROSUR, das allerdings dem Bestreben nach Grenzschutz und damit der Flüchtlingsabwehr dient.
Im Jahr 2012 ersuchten 330.000 Personen in den Mitgliedstaaten um Asyl. Infolge politischer und wirtschaftlicher Faktoren wie in Syrien oder Ägypten wird diese Zahl weiter steigen. Daher ist es mit solchen Einzelmaßnahmen offenkundig nicht getan. Zu Recht fordern internationale Organisationen, Nicht-Regierungsorganisationen und seit Langem auch die Kommission, die europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik komplett zu überdenken und Instrumente aufzulegen, die von der Prävention und Bekämpfung von Fluchtursachen über den Zugang zum Hoheitsgebiet eines EU-Staates bis hin zu einer besseren Seenotrettung reichen. Zu Recht mahnen sie die im Lissabon-Vertrag fixierte wie auch vom Europäischen Rat selbst im Stockholm-Programm geforderte „Verantwortung und Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten“ an.
Diese Forderungen nach einem grundlegenden Umbau der EU-Flüchtlingspolitik sind inhaltlich so gerechtfertigt wie normativ wünschenswert. Aber: Trotz der ungeheuren Medienaufmerksamkeit ist der Zeitpunkt dafür ungünstiger denn je, wie der Gipfel des Europäischen Rates am Freitag zeigt. Schließlich hat die Europäische Union vor genau einem Vierteljahr bereits das neue „Gemeinsame Europäische Asylsystem“ verabschiedet: ein Paket verschiedener Verordnungen und Richtlinien, das über fünf Jahre hinweg zwischen den sehr unterschiedlichen Interessen der Mitgliedstaaten mühsam ausgehandelt worden war.
Dieses lässt das Thema der Prävention von Fluchtursachen außen vor. Um die Kooperation mit den Herkunftsstaaten ist es angesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise in den vergangenen Jahren ohnehin immer stiller geworden.
Der Zugang zum Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates ist das A und O des Flüchtlingsschutzes, doch sorgt die EU gerade für die Abwehr von Flüchtlingen. Obwohl die Agentur FRONTEX mit einer Reform ihrer Verordnung vor zwei Jahren menschen- und flüchtlingsrechtlich fitter gemacht worden ist, unterminiert ihre Tätigkeit den wichtigsten flüchtlingsrechtlichen Grundsatz: die Nicht-Zurückweisung von Schutzsuchenden.
Auch haben die europäischen Gesetzgeber unlängst die „Dublin-III“-Verordnung bestätigt: Sie regelt, dass prinzipiell derjenige Staat für ein Asylverfahren zuständig ist, dessen Territorium ein Antragsteller zunächst betreten hat. Das belastet die Länder an den Außengrenzen und entlastet Mitgliedstaaten im Inneren wie Deutschland. Solidarisch ist das nicht.
Solidarität zeigten die Innenminister auch vor zwei Wochen nicht, als sie sich im Rat gegen einen Vorschlag der Kommission wandten, die FRONTEX zu einer umfassenden Seenotrettung im Mittelmeer zu befähigen mit dem Argument, dies sei nicht Kompetenz der EU, sondern der Mitgliedstaaten.
Solidarität kann sich nun allenfalls noch finanziell ausdrücken: über eine Aufstockung und Umverteilung des Europäischen Flüchtlingsfonds, der sich noch in Verhandlungen befindet – also Solidarität mit dem Scheckbuch.
Ansprechpartner für die Presse:
PD Dr. Petra Bendel
Tel.: 09131/85-22368
petra.bendel@ze.uni-erlangen.de
PD Dr. Petra Bendel
Bild: privat
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