idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
13.11.2013 09:51

Affen "verstehen" die Regeln der Sprachmusikalität

Veronika Schallhart Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien

    Viele von uns kennen das zwiespältige Gefühl, wenn man an die Schulzeit zurückdenkt und sich z.B. die Grammatikstunden in Latein in Erinnerung ruft: Sprachen liegen viele komplexe Regeln und Muster zugrunde. KognitionsbiologInnen der Universität Wien haben nun gezeigt, dass Sensitivität einfache strukturelle und melodische Regeln oder Muster zu erkennen keines intensiven Lernens bedarf. Sie ist nicht nur beim Menschen, sondern nachweislich auch bei den südamerikanischen Totenkopfaffen bereits vorhanden. Aktuell erscheint dazu eine Publikation im Fachmagazin "Biology Letters".

    Sprache und Musik sind sehr strukturierte Systeme, mit ganz speziellen Beziehungen zwischen Silben, Wörtern oder Noten. Um zu erkennen, ob ein Mensch "native speaker" ist oder nicht, reicht das Wissen über Sprachmelodie und grammatikalische Struktur einer Sprache. Die wahrgenommene Musikalität einiger Sprachen resultiert aus der Anordnung von Selbstlauten innerhalb eines Wortes. Im Türkischen harmoniert z.B. die letzte Silbe der Wörter "kaplanar" oder "güller" mit vorangegangen Selbstlauten – "güllar" klingt einfach nicht so gut wie "güller".

    Abhängigkeiten zwischen Wörtern, Silben oder Noten gibt es in Sprachen und Musikkulturen auf der ganzen Welt. "Wir untersuchen, ob die Fähigkeit, diese Abhängigkeiten zu verarbeiten, sich gemeinsam mit der menschlichen Sprache entwickelt hat, oder schon früher in der Evolution unabhängig vom Sprachgebrauch aufgetreten ist. Wenn letzteres zutrifft, sollten wir diese Fähigkeit auch bei Tierarten finden können", erklärt Andrea Ravignani, Doktorand in der Gruppe von Tecumseh Fitch, Leiter des Departments für Kognitionsbiologie der Universität Wien.

    Andrea Ravignani und seine KollegInnen untersuchten diese Abhängigkeits-Detektions-Fähigkeit bei Totenkopfaffen, kleinen auf Bäumen lebenden Primaten in Zentral- und Südamerika. Die ForscherInnen entwickelten dafür eine Art "Musiksystem" für Affen, das auf die natürlichen Vokalisationen und das Hörvermögen der untersuchten Tierart aufbaut. Die musikalischen Muster klangen ähnlich wie Affen-Laute, während die strukturellen Merkmale jedoch jenen syntaktischen und phonologischen Mustern ähnelten, die man in vielen menschlichen Sprachen wie z.B. dem Türkischen findet.

    Die Affen hörten zunächst "Sätze", die strukturelle Abhängigkeiten beinhalteten. In einem weiteren Schritt wurden sie mit unterschiedlichen Stimuli konfrontiert – einige davon enthielten Abhängigkeiten, andere nicht. Ihre Reaktionen wurden nach der "violation of expectations"-Methode gemessen, also Reaktionen der Tiere auf unerwartete Stimuli. Ravignani hält dazu fest: "Man beobachtet jene Dinge länger, die nicht dem Standard entsprechen. Uns ging es nicht um absolute Wahrnehmung, sondern eher darum herauszufinden, wie die Affen diese Stimuli einordnen und ob sie sie in Gegensatz zu einem größeren System setzen."

    Die ForscherInnen fanden heraus, dass die Tiere mehr auf die "ungrammatikalischen" Muster reagierten, und zeigten somit, dass sie die Abhängigkeiten wahrnehmen können. "Bei Experimenten dieser Art werden Affen normalerweise mit menschlicher Sprache konfrontiert: Die Tatsache, dass wir Stimuli, die auf die Biologie der Spezies zugeschnitten waren, verwendet haben, könnte den Tieren bei der Wahrnehmung geholfen haben", meint Co-Authorin Ruth Sonnweber, ebenfalls vom Department für Kognitionsbiologie der Universität Wien.

    "Unsere Vorfahren könnten bereits vor 30 Millionen Jahren die Fähigkeit zur Abhängigkeits-Detektion erlangt haben. Das würde den modernen Mensch mit vielen anderen lebenden Primaten verbinden. Die Latte dafür, was menschliche Einzigartigkeit ausmacht, muss höher gelegt werden", folgert Andrea Ravignani. Er will auch weiterhin die evolutionären Ursprünge zwischen Sprache und Musik erforschen.

    Das Forschungsprojekt wurde gefördert durch den ERC Advanced Grant SOMACCA, den Tecumseh Fitch, Leiter des Departments für Kognitionsbiologie der Universität Wien, 2009 erhielt.

    Publikation in "Biology Letters":
    Ravignani A, Sonnweber R-S, Stobbe N, Fitch WT. 2013 Action at a distance: dependency sensitivity in a New World primate. Biol Lett 20130852. http://dx.doi.org/10.1098/rsbl.2013.0852

    Wissenschaftlicher Kontakt
    Andrea Ravignani, BSc MSc
    Department für Kognitionsbiologie
    Universität Wien
    1090 Wien, Althanstraße 14
    T +43-1-4277-761 01
    andrea.ravignani@univie.ac.at
    (Anfragen bitte in englischer Sprache)

    oder
    Univ.-Prof. W Tecumseh Fitch, PhD
    tecumseh.fitch@univie.ac.at

    Rückfragehinweis
    Mag. Alexandra Frey
    Pressebüro der Universität Wien
    Forschung und Lehre
    1010 Wien, Universitätsring 1
    T +43-1-4277-175 33
    M +43-664-602 77-175 33
    alexandra.frey@univie.ac.at


    Weitere Informationen:

    http://dx.doi.org/10.1098/rsbl.2013.0852 - Artikel in Biology Letters
    http://medienportal.univie.ac.at/presse - Medienportal der Universität Wien (weitere Fotos zur Publikation)


    Bilder

    Andrea Ravignani, Kognitionsbiologe an der Universität Wien
    Andrea Ravignani, Kognitionsbiologe an der Universität Wien
    (Foto privat)
    None

    Totenkopfaffe/Saimiri sciureus
    Totenkopfaffe/Saimiri sciureus
    (Foto: M. Böckle)
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Sprache / Literatur
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).