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10.12.2002 12:06

Erste Ergebnisse der Online-Befragung zur Rasterfahndung an deutschen Hochschulen der WiSo/Nürnberg

Dr. Angela Bittner Presse und Kommunikation
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

    Nicht wenige Studierende halten die Rasterfahndung an deutschen Hochschulen für ineffizient, ungerechtfertigt und haben datenschutzrechtliche Bedenken: Erste Ergebnisse einer Onlinebefragung zur Wahrnehmung und Bewertung der Suche nach "terroristischen Schläfern" unter Studierenden an deutschen Hochschulen liegen jetzt vor. Im Rahmen eines Lehrforschungsprojektes des Lehrstuhls für Soziologie an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg unter der Leitung von Dr. Reinhard Wittenberg wurden mit Hilfe einer Onlinebefragung detaillierte Meinungen von 2.009 Studierenden zur Rasterfahndung eingeholt. Die Ergebnisse bieten überraschende Erkenntnisse.

    Die nach dem 11.9.2001 angelaufene "Rasterfahndung" nach "terroristischen Schläfern" unter Studierenden hat in Deutschland ganz verschiedene, zum Teil extreme Reaktionen in der Öffentlichkeit gezeigt, die von uneingeschränkter Befürwortung bis zu völliger Ablehnung reichen. Auch die von Rasterfahndungsgegnern angerufenen Gerichte haben sich mal gegen, mal für die Durchführung dieser speziellen Fahndungsmethode ausgesprochen. "Was bisher jedoch gänzlich außer Acht blieb, war die Frage, wie die deutschen und ausländischen Studierenden mit dieser Erfahrung umgehen, sind es doch vorwiegend ihre Daten, die die Basis der Rasterfahndung bilden," weist Dr. Reinhard Wittenberg auf die Relevanz der Meinungsforschung zu diesem Thema hin. Das Lehrforschungsprojekt des Lehrstuhls für Soziologie an der WiSo-Fakultät unter seiner Leitung sondierte mit Hilfe einer Onlinebefragung u. a., was Studierende von dieser speziellen Fahndungsmethode wissen; ob sie die Rasterfahndung untereinander zum Thema machen; wie sie die Auswirkungen der Rasterfahndung auf das Zusammenleben von ausländischen und deutschen Kommilitonen/innen einschätzen; ob sie sich davon betroffen fühlen; für wie wahrscheinlich sie terroristische Anschläge in Deutschland halten und ob sie die Rasterfahndung daher für gerechtfertigt oder nicht gerechtfertigt erachten.

    An der im Juli und August 2002 durchgeführten Onlineumfrage - deren Basis die Eingabe der Meinungsdaten über ein spezielles Portal war - hatten sich 2.009 Personen beteiligt, darunter überproportional viele männliche Studierende der Natur- und Ingenieurwissenschaften sowie der Informatik, wobei deutlich weniger weibliche Studierende teilnahmen. Das Wissen der Teilnehmer/innen um die Ziele und die Durchführungskriterien der Rasterfahndung war bemerkenswert gut: Lediglich 91 von ihnen konnten nicht exakt angeben, was unter Rasterfahndung zu verstehen ist und wozu sie dienen soll - sie wurden aus den weitergehenden Analysen ausgeschlossen. Unter den verbliebenen 1.918 Studierenden vermutet knapp ein Drittel, dass die Rasterfahndung auch zu anderen als den öffentlich genannten Zwecken eingesetzt wird, beispielsweise zur Ermittlung illegal in Deutschland lebender Ausländer, zur Abwehr des Sozialmissbrauchs oder zur Aufklärung und Aufdeckung von Korruption.

    Resultat der Online-Forschung
    Die Rasterfahndung wird von den befragten Studierenden zwiespältig beurteilt. Insbesondere jene 16 Prozent, die aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit, ihres Geschlechts und/oder ihrer Konfession sowie sonstiger Kriterien befürchten, selbst von der Rasterfahndung erfasst worden zu sein, lehnen erwartungsgemäß diese Fahndungsmethode ab. Aber auch der überwiegende Teil jener 75 Prozent Studierender, die meinen, nicht erfasst worden zu sein - jede/r Zehnte hatte sich über diese Frage noch keine Gedanken gemacht -, betrachtet die Rasterfahndung mit mehr oder minder großer Skepsis. Vor allem politisch stärker interessierte bzw. sich "links der Mitte" einordnende Studierende sind unter den Kritikern des Verfahrens zu finden. Bezogen auf die Gesamtheit aller Teilnehmer/innen an der Onlineumfrage ergibt sich die folgende Verteilung:

    Die Gründe für Skepsis und Ablehnung lassen sich zu drei Komponenten bündeln: Die geäußerten Bedenken bestehen vor allem wegen der der Rasterfahndung zugeschriebenen
    - datenschutzrechtlichen Einschränkungen der Bürgerrechte,
    - Ausländer diskriminierenden Folgen,
    - Erfolglosigkeit hinsichtlich des Schutzes vor etwaigen zukünftigen terroristischen Anschlägen in Deutschland.

    Die Ablehnung bzw. Befürwortung der Rasterfahndung hängt aber vor allem davon ab, ob überhaupt, und wenn ja, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine gegenwärtige Bedrohung durch terroristische Gewaltakte befürchtet wird: Je mehr dies der Fall ist, desto gerechtfertigter erscheint den Studierenden die Durchführung der Rasterfahndung - und umgekehrt. 89 Prozent jener Studierenden, die einen terroristischen Anschlag in Deutschland für "äußerst wahrscheinlich" halten, befürworten demzufolge die Rasterfahndung, wohingegen 93 Prozent jener Studierenden, die einen solchen Gewaltakt für "äußerst unwahrscheinlich" einschätzen, die Rasterfahndung ablehnen.

    Aber selbst jene knapp 40 Prozent Studierende, die die Rasterfahndung für gerechtfertigt halten, sind nicht vollends von ihrer Effizienz überzeugt: So erachten insgesamt nur 16 Prozent aller Studierenden die Rasterfahndung für gerechtfertigt und zugleich in einem vernünftigen Verhältnis von Aufwand und Ertrag befindlich, während umgekehrt 51 Prozent aller Befragten die Rasterfahndung für ungerechtfertigt halten und zudem eine negative Bilanz von Aufwand und Ertrag ziehen.

    Mit diesen Ergebnissen korrespondiert, dass eine nicht unerhebliche Zahl der Studierenden, nämlich 870, sich vorstellen kann, gegen die Rasterfahndung aktiv zu werden, darunter 61 Prozent, die sich an einer Unterschriftensammlung zur Löschung der Rasterdaten beteiligen, 41 Prozent, die an einer politischen Demonstration teilnehmen, und 23 Prozent, die zur Finanzierung eines Rechtsbeistandes für betroffene Kommilitonen/innen beitragen würden. Aktiv für die Rasterfahndung eintreten zu wollen, bekundet hingegen nur eine kleine Minderheit von 230 Studierenden: Unter ihnen wäre mehr als die Hälfte (128 bzw. 56 Prozent) bereit, der Polizei bei der Enttarnung von "Schläfern" zu helfen und ihr Verdächtige zu melden.


    Weitere Informationen:

    http://www.umfrage-zur-rasterfahndung.wiso.uni-erlangen.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Politik, Recht
    überregional
    Forschungsergebnisse, Studium und Lehre
    Deutsch


     

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