idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
05.02.2003 15:49

Unterschiede auf dem Weg nach oben - Psychologen analysieren Berufsverläufe von Frauen und Männern

Ilka Seer Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Freie Universität Berlin

    Wählen Ärztinnen und Ärzte den gleichen Berufsweg oder gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede? Mit dieser Frage beschäftigt sich eine Langzeitstudie, die Berufsbiografien von Männern und Frauen in Medizin und Psychologie untersucht. Danach setzen Männer noch immer auf Karriere, Frauen versuchen hingegen Beruf und Familie zu vereinbaren.

    Während sich Medizinstudenten und -studentinnen nach Anzahl, Studiendauer und Studienleistungen kaum voneinander unterscheiden, zeigen sich in der Berufstätigkeit beträchtliche Unterschiede. Die Berufsbiografien von Ärztinnen verlaufen häufiger diskontinuierlich und führen seltener in hohe Positionen. Außerdem versuchen Frauen Berufs- und Privatleben zu integrieren oder ziehen sich aus dem Berufsleben aus Familiengründen zurück.

    Das sind Ergebnisse aus dem DFG-Projekt "Professionalisierung und Integration der Lebenssphären. Geschlechtsspezifische Berufsverläufe in Medizin und Psychologie" (kurz: "Profil"), das seit 1998 an der Freien Universität Berlin unter der Leitung von Prof. Dr. Ernst-H. Hoff und Priv.-Doz. Dr. Hans-Uwe Hohner durchgeführt wird.

    Befragt wurden Mediziner(innen) und Psycholog(inn)en, die Mitte der Achtzigerjahre ihre Approbation oder ihr Diplom erlangt haben, seit über 15 Jahren im Berufsleben stehen und sich in einem Lebensalter befinden, in dem die wichtigsten Weichenstellungen erfolgt sind. Zusätzlich zu den rund tausend Fragebögen wurden hundert persönliche Interviews mit Vertreterinnen und Vertretern unterschiedlicher Berufsverlaufsmuster durchgeführt.

    Seit der Bildungsexpansion nimmt der Frauenanteil unter allen Studierenden stetig zu - auch in der Medizin. Derzeit beginnen in Deutschland mehr Frauen als Männer einen medizinischen Studiengang. Entsprechend verzögert nimmt der Frauenanteil unter den erwerbstätigen Personen in medizinischen Tätigkeitsfeldern kontinuierlich zu. Im Studium unterscheiden sich Männer und Frauen weder in Bezug auf Studiendauer noch des Studienabbruchs. Dies ändert sich mit dem Berufseintritt: So gibt es Facharztgebiete mit sehr geringen Frauenanteil wie die Chirurgie, Orthopädie oder Urologie und solche mit einem überproportionalen Frauenanteil wie die Psychiatrie, Anästhesie oder Kinderheilkunde. Je höher die Positionen in Bezug auf Einkommen, Prestige, Weisungsbefugnis und Ähnliches sind, desto seltener sind dort Frauen anzutreffen.

    Die Ausprägungsformen dieser Merkmale verbinden sich in typischer Weise zu Berufsverlaufsmustern, die sich deutlich voneinander abgrenzen und denen sich Personen mit ihren Berufsbiografien eindeutig zuordnen lassen. Während in der Psychologie "komplizierte", inkonsistente sowie diskontinuierliche Muster eher die Regel sind, stellen sie in der Medizin die Ausnahme dar. Als dominierend in der Medizin lassen sich drei institutionell vorgezeichnete Berufswege ausmachen: der Aufstieg im Krankenhaus von der Assistenz- zur Ober- bzw. Chefarztposition; die Kontinuität der normalen Facharzttätigkeit ohne Aufstieg im Krankenhaus; Wechsel von der kontinuierlichen Krankenhausphase in die ebenso kontinuierliche Phase der freiberuflichen Tätigkeit. Vier von fünf Mediziner fallen in eines dieser Berufsverlaufsmuster. Mediziner(innen), die diesen Mustern nicht entsprechen, sind die Ausnahme. Dagegen müssen in der Psychologie fast zwei von drei Personen einem jener Muster zugeordnet werden, die diskontinuierliche sowie zwei- oder mehrgleisige Berufsverläufe repräsentieren. Nur einer von zehn Professionsangehörigen der Psychologie macht eine dem medizinischen Aufstiegsmuster vergleichbare Karriere.

    Während deutlich mehr Männer auf Chefarztpositionen gelangen, sind die Frauen bei den diskontinuierlichen Karrieren überrepräsentiert. Lediglich bei der freiberuflichen Tätigkeit und als Facharzt oder -ärztin im Krankenhaus sind Mediziner und Medizinerinnen gleich häufig vertreten. In der Psychologie finden sich die analogen geschlechterspezifischen Differenzierungen.

    Betrachtet man den Aufstieg in mittlere und höchste Positionen als ersten Indikator für Berufserfolg, so sind Männer beruflich deutlich erfolgreicher als Frauen. Darüber hinaus erzielen Männer in sämtlichen Berufsverlaufsmustern ein höheres Einkommen und finden sich überproportional häufig in den "attraktiven" und prestigeträchtigen Fachgebieten. Diese Disparität findet sich in einem ähnlichen Ausmaß auch in der Psychologie; da dort aber mehr und andersartige Berufsverlaufsmuster als in der Medizin vorkommen, sind die Prozentanteile zwischen den Professionen pro Berufsweg nur teilweise miteinander vergleichbar.

    Die unterschiedlichen Berufsverläufe von Frauen und Männern hängen mit dem Elternstatus und der familiären Rollenaufteilung zusammen, die sich bei Männern anders auswirkt als bei Frauen. Beruflich erfolgreiche Ärzte werden durch eine Familie mit nicht oder nur reduzierter erwerbstätiger (Ehe-)Partnerin gestützt. Beruflicher und privater Lebensstrang laufen ohne zusätzlichen Aufwand an Koordination. Umgekehrt stellen Frauen ihren Kinderwunsch zugunsten einer Karriere häufiger zurück. Die wenigen Frauen in Spitzenpositionen haben oft auch beruflich erfolgreiche Lebenspartner, die sie nicht in gleicher Weise entlasten wie die Ehepartnerinnen.

    Der berufliche Aufstieg ist aber nicht das einzig relevante Außenkriterium für beruflichen Erfolg. So bemisst sich der "objektive" berufliche Erfolg niedergelassener Ärzte und Ärztinnen nach Kriterien wie Umsatz, Gewinn, zeitliche Belastung und Arbeitszufriedenheit. Hier zeigt sich stärker die Bedeutung "subjektiver" Erfolgsindikatoren: Macht mir die Arbeit Spaß? In welchem Ausmaß habe ich erreicht, was ich mir vorgenommen hatte? In den Interviews wird deutlich, dass - gerade für Frauen - eine andere subjektive Konzeption von Erfolg besitzen. Erfolgreich ist für sie oft der Berufsverlauf, der sich optimal in ein ganzheitliches Konzept von Lebensführung einfügt oder sich mit dem privaten Lebensstrang vereinbaren lässt. In derzeitigen Analysen wird der Frage nachgegangen, wie solche Formen einer mehr oder minder gelungenen Integration oder Segmentation der Lebensbereiche und -stränge genauer beschrieben werden können.

    Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
    - Prof. Dr. Ernst-H. Hoff, Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie (Arbeitsbereich Arbeits-, Berufs- und Organisationspsychologie) der Freien Universität Berlin, Habelschwerdter Allee 45, 14195 Berlin, Tel.: 030 / 838-55769, E-Mail: ehoff@zedat.fu-berlin.de
    - Dr. Stefanie Grote, Tel.: 030 / 838-56694, E-Mail: hsgrote@zedat.fu-berlin.de
    - Priv.-Doz. Dr. Hans-Uwe Hohner, Tel.: 030 / 838-55768, -55772, E-Mail: hohner@zedat.fu-berlin.de


    Weitere Informationen:

    http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=35261
    http://www.fu-berlin.de/arbpsych/Seiten/for/profil.html


    Bilder




    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).