idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
11.02.2003 11:52

Strafverfahren und Medien

Gabriele Rutzen Kommunikation und Marketing
Universität zu Köln

    Übergriffe der Medien auf Interessen einzelner Betroffener von Strafverfahren oder auch auf die Integrität des Verfahrensablaufs können nur in sehr begrenzter Weise verhindert werden. Der Grund hierfür ist, daß sich die betroffenen Interessen und Rechtsgüter durch gesetzliche Maßnahmen kaum effektiv schützen lassen. Lediglich herkömmliche straf- und zivilrechtliche Instrumentarien zum Schutz der persönlichen Ehre und des Persönlichkeitsrechts sowie Strafvorschriften gegen das unbefugte Ausplaudern von Amtsgeheimnissen bieten einen begrenzten Schutz. Zu diesem Ergebnis gelangt Professor Dr. Thomas Weigend von der Abteilung Ausländisches und Internationales Strafrecht der Universität zu Köln.

    Strafverfahren und Medien
    Kaum Schutz vor Übergriffen

    Übergriffe der Medien auf Interessen einzelner Betroffener von Strafverfahren oder auch auf die Integrität des Verfahrensablaufs können nur in sehr begrenzter Weise verhindert werden. Der Grund hierfür ist, daß sich die betroffenen Interessen und Rechtsgüter durch gesetzliche Maßnahmen kaum effektiv schützen lassen. Lediglich herkömmliche straf- und zivilrechtliche Instrumentarien zum Schutz der persönlichen Ehre und des Persönlichkeitsrechts sowie Strafvorschriften gegen das unbefugte Ausplaudern von Amtsgeheimnissen bieten einen begrenzten Schutz. Zu diesem Ergebnis gelangt Professor Dr. Thomas Weigend von der Abteilung Ausländisches und Internationales Strafrecht der Universität zu Köln.

    Der Kölner Rechtswissenschaftler rät daher den Justizbehörden, die Medien nicht von verfahrensrelevanten Informationen auszuschließen sondern eine Informationspolitik mit dem Ziel zu betreiben, auf eine realitätsnahe Darstellung der relevanten Fakten in den Medien hinzuwirken. Insbesondere hält Professor Weigend den Versuch für verfehlt, die Öffentlichkeit aus dem Ermittlunsverfahren ganz herauszuhalten. Denn häufig sind die Würfel über den Ausgang eines Strafprozesses schon im Ermittlungsverfahren gefallen. Daher sollten die Justizbehörden sich nicht an den traditionell geheimen Charakter des Ermittlungsverfahrens klammern. Eine vollständige Geheimhaltung der im Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse läßt sich nach Auffassung von Professor Weigend nicht ohne weiteres rechtfertigen. Die Strafprozeßordnung sieht es lediglich im Ausnahmefall vor, daß sensible Informationen zum Schutz weiterer Ermittlungen geheimgehalten werden müssen.

    Problematisch ist vor allem der Schutz der Persönlichkeitsrechte der von dem Verfahren betroffenen Personen. Die Bereitschaft, Angeklagte, aber auch Richter und auch bloße Zeugen in der Hauptverhandlung ohne weiteres beim Namen zu nennen und damit ihre Identität dem Blick der Öffentlichkeit preis zu geben, macht nach Auffassung des Kölner Rechtswissenschaftlers deutlich, daß die deutsche Rechtsordnung dem Privatheitsinteresse der Verfahrensbetroffenen und -beteiligten kein durchgängig hohes Gewicht einräumt; vielmehr wird im Hauptverfahren dem Interesse der Öffentlichkeit, Roß und Reiter beim Namen zu nennen, der Vorzug gegeben.

    Zweifel äußert Professor Weigend auch, ob für Abbildungen eines Tatverdächtigen die selben Maßstäbe gelten sollten wie für die Nennung seines Namens. Die Erwartungen der Medienkonsumenten haben sich so entwickelt, daß eine Nachricht ohne Illustration häufig als unvollständig oder nicht authentisch empfunden wird. Gleichzeitig verliert sich das Bild einer einzelnen Person in der Vielzahl der Gesichter, mit denen Fernsehzuschauer und Illustriertenleser im Laufe der Zeit konfrontiert werden. Es scheint daher dem Kölner Rechtswissenschaftler durchaus erwägenswert, bei der Verbreitung von Abbildungen großzügigere Maßstäbe anzulegen als bei der Identifizierung einer Person mit Namen bzw. sonstigen persönlichen Merkmalen, die die Erinnerung an den Fall in jedem wachrufen, der später mit dem Betroffenen in Kontakt tritt. Dennoch sollte die bloß bildliche Identifikation auf solche Fälle beschränkt bleiben, die aus dem Durchschnitt der Kriminalfälle deutlich herausragen. Dies könnte auf den Umständen der Tatbegehung, einer speziellen Tatkonstellation oder auf Besonderheiten der Persönlichkeit des Beschuldigten beruhen.

    Ganz anders liegen nach Auffassung von Professor Weigend die Dinge, wenn es sich um Personen der Zeitgeschichte handelt. Prominente bzw. absolute Personen der Zeitgeschichte werden es sich gefallen lassen müssen, daß über den Verdacht einer Straftat, die sie begangen haben sollen, unter Namensnennung berichtet wird. Hier spielt ihre Vorbild-Funktion eine Rolle, die mit dem öffentlichen Leben zu tun hat. Dies gilt zum Beispiel für den Ladendiebstahl eines Bundesministers oder die Trunkenheitsfahrt eines Sportstars. Weitaus problematischer ist nach Auffassung des Kölner Rechtswissenschaftlers, unter welchen Umständen bzw. zu welchem Zeitpunkt ein bis dahin anonym gebliebener Bürger gerade aufgrund eines gegen ihn bestehenden Verdachts zu einer relativen Person der Zeitgeschichte wird. Hier hält es Professor Weigend nur in Ausnahmefällen für vertretbar, die Anonymität zu durchbrechen. So waren schon immer die Namen von Attentätern mit prominenten Opfern Teil der Geschichtsschreibung. Auch bei anderen besonders außergewöhnlichen Straftaten wie etwa Serienmorden sieht er die Möglichkeit, den Täter nicht im Dunkeln der Anonymität zu belassen.

    Verantwortlich: Dr. Wolfgang Mathias

    Für Rückfragen steht Ihnen Professor Dr. Thomas Weigend unter der Telefonnummer 0221/470-2780, der Faxnummer 0221/470-4966 und der E-Mail-Adresse Thomas.Weigend@uni-koeln.de zur Verfügung.
    Unsere Presseinformationen finden Sie auch im World Wide Web
    (http://www.uni-koeln.de/organe/presse/pi/index.html).
    Für die Übersendung eines Belegexemplars wären wir Ihnen dankbar.


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Medien- und Kommunikationswissenschaften, Politik, Recht
    regional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).