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Wissenschaft
Gleich vier Nachwuchswissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) konnten sich im härtesten Auswahlverfahren zur Vergabe europäischer Fördermittel durchsetzen: In den kommenden fünf Jahren unterstützt der Europäische Forschungsrat (ERC) die exzellenten Forschungsvorhaben von Dr. Björn Braunschweig, PD Dr. Andreas Bräuer, PD Dr. Gerhard Krönke und Prof. Dr. Sabine Maier mit je einem der mit 1,5 Millionen Euro dotierten ERC Starting Grants.
Bei der strengen Auswahl unter den Projektvorschlägen entscheidet das ERC auf Basis eines umfassenden Begutachtungsprozesses, an dem eine Vielzahl der auf den jeweiligen Forschungsgebieten führenden internationalen Wissenschaftler beteiligt ist. Weniger als zehn Prozent der eingereichten Forschungsvorhaben schaffen die Hürde. Der ERC vergibt diese Fördermittel jährlich an die vielversprechendsten jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die so die Chance erhalten sollen, eigene Arbeitsgruppen auszubauen und Forschungsprojekte mit hohem Innovationspotenzial voranzutreiben.
Auffallend: Drei der vier Preisträger an der FAU gehören zu den Exzellenzeinrichtungen der Universität. Zwei sind am Exzellenzcluster Engineering of Advanced Materials (EAM) beteiligt, einer kommt von der Erlangen Graduate School in Advanced Optical Technologies (SAOT) – das mag als Indiz gelten, dass die Mittel aus der Exzellenzinitiative an der FAU hervorragend investiert sind. Die Nominierung von Dr. Gerhard Krönke, der an der Medizinischen Klinik 3 (Rheumatologie und Immunologie) am Universitätsklinikum Erlangen arbeitet, unterstreicht dagegen einmal mehr die herausragende Stellung der Erlanger medizinischen Forschung im Bereich Immunologie. Ein fünfter Wissenschaftler, der in diesem Jahr mit einem ERC Starting Grant bedacht wurde, lehrt und forscht derzeit übrigens ebenfalls an der FAU: Dr. Edouard Berrocal von der Universität Lund ist Gastprofessor in Erlangen.
Prof. Dr. Joachim Hornegger, Vizepräsident für Forschung der FAU, ist begeistert: „Gleich vier ERC Starting Grants auf einen Schlag an die FAU zu holen – das ist ein überwältigender Erfolg. Unsere Preisträgerin und unsere drei Preisträger sind wirklich ganz besondere Forscherpersönlichkeiten und ich gratuliere ihnen herzlich zu dieser großartigen Leistung. Wir sind stolz auf unsere Rising Stars! Dies zeigt aber auch, wie hoch der Stellenwert der Nachwuchsförderung an der FAU ist – und wie sichtbar wir mittlerweile in der internationalen Forschungslandschaft sind.“
Der Schaum-Versteher: Dr. Björn Braunschweig, 35
Was macht einen guten Cappuccino aus? Die perfekte Konsistenz des Schaumhäubchens obenauf. Doch wie lassen sich die Eigenschaften von Schäumen gezielt beeinflussen – und zwar nicht nur beim Cappuccino, sondern bei Schäumen generell? Die Lösung dieses Problems würde völlig neue Anwendungsmöglichkeiten von Schäumen ermöglichen, wie beispielsweise die Aufreinigung von Antikörpern oder von Rohstoffen. Auf diese Weise ließen sich die Kosten für diese Prozesse erheblich reduzieren. Doch der Weg zum Schaum mit maßgeschneiderten Eigenschaften ist gar nicht so einfach. Denn die Forscher müssen dazu zunächst einmal verstehen lernen, wie ein Schaum auf molekularer Ebene zustande kommt und wie die molekulare Struktur an der Grenzfläche, also dort, wo Gas und Flüssigkeit in den einzelnen Schaumbläschen aufeinandertreffen, sich auf die Eigenschaften des Schaumes – etwa auf seine Stabilität – auswirkt. Björn Braunschweig geht diesen Mechanismen nun in seinem ERC-Projekt von A bis Z auf den Grund. So untersucht er alle Hierarchieebenen – sozusagen von winzig klein bis riesengroß: Er nimmt die Molekülstruktur an der Grenzfläche ebenso unter die Lupe wie die Schaumblase selbst mit ihren Wänden, den Lamellen, und schließlich den makroskopisch sichtbaren Schaum. Damit dies gelingt, ist eine interdisziplinäre Herangehensweise nötig, die Grundlagenforschung in Physik und Chemie mit der Verfahrenstechnik kombiniert. In allen drei Disziplinen hat Björn Braunschweig bereits intensiv gearbeitet – und auch am Lehrstuhl für Feststoff- und Grenzflächenverfahrenstechnik (LFG), an dem er forscht, sind sie in idealer Weise vereint.
Björn Braunschweig macht sich eine ausgefeilte Untersuchungsmethode zunutze: die sogenannte nichtlineare optische Spektroskopie. Mit Hilfe dieser spektroskopischen Methode lässt sich gezielt der molekulare Aufbau von Grenzflächen untersuchen. Hierzu werden ultrakurze Laserpulse eingesetzt, deren intensive elektromagnetische Strahlung durch die Wechselwirkung mit Stoffen oder Molekülen in Licht mit anderer Wellenlänge umgewandelt werden kann, zum Beispiel rotes Licht in blaues Licht. Diese Verwandlung des Lichts ist für viele Materialien nur an der Grenzfläche erlaubt, was den enormen Vorteil der nichtlinearen optischen Spektroskopie ausmacht. Der Grund ähnelt der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen: Es müssen die wenigen Atom- beziehungsweise Moleküllagen an der Grenzfläche von der überwältigen Anzahl von Molekülen mit fast identischen Eigenschaften im Volumen selbst unterschieden werden.
Mit den kombinierten Erkenntnissen von Experiment und Analyse aus allen Größenskalen der Prozesskette der Schaumentstehung, lässt sich, so die Vision Braunschweigs, gezielt die Eigenschaft eines Schaums steuern und verbessern. Das Ergebnis wäre ein Superschaum, der für die verschiedensten Anwendungen perfekt konfiguriert werden könnte.
Zur Vita
Dr. Björn Braunschweig ist seit 2012 Leiter einer Nachwuchsgruppe am Lehrstuhl für Feststoff- und Grenzflächenverfahrenstechnik (LFG). Seit April 2014 ist er Mitglied im Exzellenzcluster Engineering of Advanced Materials (EAM) und seit 2013 Mentor in der Erlangen Graduate School in Advanced Optical Technologies (SAOT). 2011 hatte er ein Feodor-Lynen-Rückkehrer-Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung an der FAU, von 2009 bis 2010 eine Postdoc-Position als Feodor-Lynen-Stipendiat an der Universität von Illinois in Urbana-Champaign (USA) inne.
Sein Studium der Physik absolvierte er an der TU Clausthal, wo er 2009 promovierte. Bereits hier kristallisierte sich sein zukünftiger Forschungsschwerpunkt heraus: Verfahren der nichtlinearen Optik und der Oberflächenwissenschaften. Für den ERC Starting Grant bringt er 10 Jahre Erfahrung aus dem Bereich nichtlinearer Optik kombiniert mit Oberflächenwissenschaften ein – dies aus dem Blickwinkel von drei Disziplinen: Physik (Doktorarbeit im Bereich geladener Grenzflächen), Chemie (Postdoc im Bereich Elektrokatalyse) und Verfahrenstechnik.
Geschüttelt, nicht gerührt: PD Dr. habil. Andreas Bräuer, 36
Die Hochdruckverfahrenstechnik kommt in den verschiedensten Bereichen des täglichen Lebens zum Einsatz. Beispiele sind das Entkoffeinieren von Kaffee, die Extraktion von Aromastoffen, Ölen und pharmazeutischen Wirkstoffen aus Naturstoffen, Verbrennungsprozesse in Diesel- oder Ottomotoren sowie verschiedenste Verfahren zur Herstellung feinster Partikel. Die flexibel einsetzbare Hochdruckverfahrenstechnik bietet die Möglichkeit, durch eine Variation des Drucks die im Prozess ablaufenden Teilschritte – und damit die Eigenschaften des herzustellenden Produkts – einfach und zielgerichtet zu beeinflussen. Doch das Verfahren birgt auch einen Nachteil: Die Diffusion ist im Verhältnis zur Zähflüssigkeit von Stoffen gering – bei Mischprozessen braucht es daher etwas Zeit, bis sich zwei Substanzen auf molekularer Ebene tatsächlich vermengt haben. Die Konsequenz: Bereits während des Gemischbildungsvorgangs können zwei Substanzen anfangen miteinander zu reagieren, selbst wenn sie – wegen der langsamen Diffusion – auf molekularer Ebene noch gar nicht homogen miteinander vermischt sind. Die Reaktion findet dann also in einem System statt, das vor dem bloßen Auge schon perfekt vermischt erscheint, aber auf molekularer Ebene tatsächlich noch heterogen ist. Da die Reaktion selbst auch auf molekularer Ebene abläuft, werden die Inhomogenitäten des Gemischs vor der Reaktion auf die Eigenschaften des erzeugten Produkts nach der Reaktion übertragen, so dass das Produkt dann eben auch meist unerwünschte Inhomogenitäten aufweist.
Andreas Bräuer nimmt im Rahmen seines Forschungsprojekts genau diese Gemischheterogenität in Hochdruckprozessen und ihren Einfluss auf die Produkteigenschaften unter die Lupe – und zwar in Anlagen technisch relevanter Dimensionen während des Mischprozesses selbst. Als Analysewerkzeuge können daher keine Mikroskope zum Einsatz kommen. Es muss auf optische Messtechniken zurückgegriffen werden, die es erlauben, aus technischen Anlagen zeitlich und lokal aufgelöste Informationen über den Gemischzustand auf molekularer und gleichzeitig auf makroskopischer Ebene zu gewinnen. Solche Instrumente hat Andreas Bräuer in den letzten Jahren selbst entwickelt.
Zur Vita:
Nach seinem Abschluss im Studiengang Chemieingenieurwesen an der FAU promovierte PD Dr. Andreas Bräuer 2007 an der Technischen Fakultät der FAU im Fachgebiet „Technische Thermodynamik“ – schon damals lag ihm das Thema „Gemische“ am Herzen. 2014 habilitierte er sich an der Technischen Fakultät für das Fachgebiet „Technische Thermodynamik“, wofür ihm im September 2014 von der FAU die Lehrbefugnis erteilt wurde.
Bereits seit 2007 ist er Leiter des Applied Raman Scattering Laboratory an der Erlangen Graduate School in Advanced Optical Technologies (SAOT), die im November 2006 als Teil der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder an der FAU eingerichtet wurde; außerdem gehört er als Geschäftsführer dem Direktorium der SAOT an. In seiner wissenschaftlichen Laufbahn hat er außerdem mehrere Lehr- und Forschungsaufenthalte im Ausland wahrgenommen, etwa als Gastwissenschaftler an der Universität Salerno in Italien oder am FAU Campus Busan in Südkorea.
Der Herr der Fresszellen: Dr. Gerhard Krönke, 36
Tagtäglich steht unser Immunsystem vor der schwierigen Aufgabe, zwischen schädlichen Mikroorganismen und körpereigenen Zellen zu unterscheiden. Die Konsequenzen dieses Entscheidungsprozesses sind weitreichend, da eine Immunreaktion gegen Mikroorganismen für eine lang anhaltende und schützende Immunität benötigt wird, eine Immunreaktion gegen körpereigene Zellen jedoch zu lebensbedrohlichen Autoimmunerkrankungen führen kann. Vorarbeiten seiner Arbeitsgruppe zeigten, dass das menschliche Immunsystem im Rahmen entzündlicher Prozesse frühzeitig eine Art koordinierte Mülltrennung durch spezialisierte Phagozyten (Fresszellen) durchführt. Dieser Prozess ermöglicht eine getrennte Aufarbeitung bzw. Entsorgung von pathogenen Mikroorganismen und körpereigenen Material. Dieser Prozess bewirkt die schützende Immunreaktion gegen Krankheitserreger und unterstützt gleichzeitig die Aufrechterhaltung der immunologischen Toleranz gegen den eigenen Körper.
Im Rahmen des bewilligten ERC-Projekts will Krönke mit einer Forschergruppe neue Methoden zur Untersuchung der koordinierten Phagozytose und der Weiterverarbeitung von Krankheitserregern und toten körpereigenen Zellen entwickeln. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse werden ein besseres Verständnis der zugrunde liegenden molekularen Mechanismen erlauben und somit die Entwicklung neuer Therapieansätze zur Behandlung von Infektions- und Autoimmunerkrankungen ermöglichen.
Zur Vita:
Der gebürtige Wiener hat 2002 seinen Doktor an der Medizinischen Universität Wien erworben. Als Postdoc forschte und arbeitete Dr. Gerhard Krönke dort im Anschluss am Institut für Gefäßbiologie. Nach einem zweijährigen Forschungsaufenthalt an der University of Virginia, Charlottesville, USA, kam Krönke an das Universitätsklinikum Erlangen. Dort war er zunächst als Assistenzarzt in der Medizinischen Klinik 3 – Rheumatologie und Immunologie – tätig. Seit 2009 ist er zusätzlich als Forschungsgruppenleiter im Nikolaus-Fiebiger-Zentrum für Molekulare Medizin aktiv und seit 2012 nunmehr als Oberarzt an der Medizinischen Klinik 3 tätig.
Teppichweberin auf molekularer Ebene: Prof. Dr. Sabine Maier, 35
Moderne elektronische Geräte müssen nicht nur immer leistungsfähiger, sondern auch immer kleiner werden. Molekulare Elektronik bietet die Chance, winzig kleine Bauelemente oder Sensoren aus funktionellen Molekülen herzustellen, die sich wie Schalter, Leiter oder Speicherzellen verhalten. Es ist daher eine wichtige Frage, wie sich die Anordnung von Molekülen und deren Wechselwirkung untereinander auf elektrisch isolierenden Oberflächen – dem Isolator – kontrollieren lässt, um in der Zukunft neue Materialklassen und winzigste elektronische Bauteile mit maßgeschneiderten Eigenschaften zu entwickeln. Sabine Maier verwendet hierzu die hochauflösende Rastersondenmikroskopie. Das ist eine Methode in der Oberflächenphysik, bei der mit einer scharfen Spitze die Oberfläche gerastert und so Schritt für Schritt abgetastet wird. So gelingt es, einzelne Moleküle und Atome auf Oberflächen abzubilden und zu manipulieren. Die Forscher können damit nicht nur die Struktur, sondern auch die elektronischen Eigenschaften von molekularen Netzwerken auf verschiedenen Oberflächen untersuchen. Dank des ERC Starting Grants kann Sabine Maier ihr jüngstes Forschungsprojekt vorantreiben: Sie will es schaffen, aus einzelnen Molekülen neuartige molekulare Filme auf elektrisch isolierenden Oberflächen aufzubauen – und zu neuen zweidimensionalen Materialien zusammenfügen. Die molekularen Bausteine werden im ultra-hohen Vakuum verdampft und lagern sich spontan selbstorganisierend auf dem Isolator an. Sabine Maier will herausfinden, welche Reaktionen und welche Oberflächen sich eignen, um die Moleküle durch Licht oder Hitze zu unvorstellbar dünnen Molekülteppichen richtig fest zusammenzuknüpfen, also kovalent zu verbinden. Die schwierige Kunst ist es dabei, die Teppiche möglichst fehlerfrei und großflächig zusammen zu weben. Winzig kleine Stücke dieser neuartigen Netzwerke untersucht die Wissenschaftlerin im Rastersondenmikroskop bei ganz niedrigem Druck (Ultrahochvakuum) und niedriger Temperatur (- 268 ° C), quasi in Kältestarre, damit die Moleküle sich nicht bewegen und auch deren elektrischen Eigenschaften gemessen werden können. So lassen sich erstmals extrem stabile, elektrisch gut leitende Molekülteppiche herstellen und messen – und Rückschlüsse daraus ziehen, welche Molekülstrukturen am besten für nanoelektronische Anwendungen geeignet sind.
Zur Vita:
Prof. Dr. Sabine Maier wurde vom Exzellenzcluster Engineering of Advanced Materials (EAM) im Rahmen des EAM „Rising-Star“-Programms zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses im Oktober 2010 als W1-Professorin für Rastersondenmikroskopie an das Department für Physik der Universität Erlangen-Nürnberg berufen. Seit 2012 ist sie Mitglied des Jungen Kollegs der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. 2013 erhielt sie einen EAM Starting Grant in Höhe von 100.000 Euro, der es ihr ermöglichte, ihre eigene Arbeitsgruppe auszubauen und vorbereitende Forschungen für eine ERC Starting Grant-Bewerbung durchzuführen. Mit dem ERC Starting Grant in Höhe von fast 1,5 Millionen Euro ist ihr nun ein großer Sprung auf der Karriereleiter gelungen. Das Forschungsgeld wird sie unter anderem dazu nutzen, ihre Arbeitsgruppe personell weiter aufzustocken.
Die gebürtige Schweizerin studierte Physik an der Universität Basel. 2007 promovierte sie dort in Experimentalphysik auf dem Gebiet der Rasterkraftmikroskopie. Während ihrer Promotion arbeitete sie für ein Jahr als Wissenschaftlerin an der McGill Universität in Montreal (Kanada). Von 2007 bis 2010 war sie Postdoktorandin am Lawrence Berkeley National Laboratory in Berkeley (USA). In Erlangen ist Sabine Maier mittlerweile extrem gut vernetzt im Exzellenzcluster, aber auch in einem Sonderforschungsbereich und einem Graduiertenkolleg – hier ist ihr Expertenwissen in der Rastersondenmikroskopie für zahlreiche Applikationen gefragt.
Ansprechpartner:
Pressestelle der FAU
Tel.: 09131/85-70218
presse@fau.de
Porträtbilder der Preisträger senden wir Ihnen gerne zu!
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