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09.06.2015 09:02

Forscher dokumentieren dramatischen Rückgang der Weidenammer-Bestände / Illegale Jagd in China

Dr. Christina Heimken Presse- und Informationsstelle
Westfälische Wilhelms-Universität Münster

    Gefährdeter Singvogel: Wie dramatisch der Rückgang der Weidenammer-Bestände ist, zeigt jetzt erstmals in Gänze eine umfassende Studie, an der Wissenschaftler aus Deutschland, England, Russland, Finnland und Japan beteiligt waren. Die Forscher dokumentieren den globalen Zusammenbruch der Population. Die Hauptursache sehen sie in der massiven illegalen Vogeljagd in China.

    Mit ihrer kanariengelben Färbung gehört die etwa sperlingsgroße Weidenammer zu den auffälligeren Vertretern der Singvögel. Sie galt bis vor einigen Jahren als einer der häufigsten Vögel Nordeuropas und Asiens. Ornithologen verzeichnen seither jedoch in vielen Regionen einbrechende Bestände. Seit etwa eineinhalb Jahren wird die Weidenammer als "stark gefährdet" in der internationale Rote Liste gefährdeter Arten geführt. Wie dramatisch der Rückgang ist, zeigt jetzt erstmals in Gänze eine umfassende neue Studie, an der Wissenschaftler aus Deutschland, England, Russland, Finnland und Japan beteiligt waren. Die Forscher dokumentieren den globalen Zusammenbruch der Population. Die Hauptursache sehen sie in der massiven illegalen Vogeljagd in China.

    "Beispielloser Rückgang"

    Die Brutgebiete der Weidenammer erstreckten sich auf fast 16 Millionen Quadratkilometern von Finnland im Westen bis zur russischen Pazifikküste und Japan im Osten. Zur Überwinterung ziehen die Vögel über China nach Südostasien. Noch in den 1980er Jahren schätzten Ornithologen den Weltbestand auf Hunderte Millionen Tiere. Zwischen 1980 und 2013 gingen die Bestandszahlen jedoch um rund 90 Prozent zurück, wie die neue Studie zeigt. Das Verbreitungsgebiet ist im Westen um etwa 5000 Kilometer geschrumpft – im europäischen Teil Russlands ist die Weidenammer inzwischen so gut wie ausgestorben. "Ein so schneller und starker Rückgang einer über ein solch riesiges Gebiet verbreiteten Art ist sehr selten", betont Dr. Johannes Kamp, Erstautor der Studie und Landschaftsökologe an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU). Die Wissenschaftler vergleichen den Zusammenbruch mit der Ausrottung der Wandertaube in Nordamerika im 19. Jahrhundert. Damals fielen Milliarden dieser Vögel einer ungezügelten Bejagung durch den Menschen zum Opfer – bis zum Aussterben der Art.

    Massive illegale Jagd in China

    "Wir kratzen mit unserer Studie gerade an der Oberfläche eines Problems, das ein noch größeres Thema werden wird – auch andere Singvogelarten sind betroffen", sagt Johannes Kamp. So sei die Jagd auf geschützte Singvögel in China zwar seit 1997 verboten. Dadurch, dass der Verzehr dieser Tiere jedoch als Delikatesse gelte und mit steigendem Wohlstand die Nachfrage steige, würden immer mehr Tiere illegal auf ihrer Zugroute gefangen. "Obwohl die chinesische Regierung versucht, die Wilderei und den illegalen Verkauf einzudämmen, sind die Vögel dort ohne Probleme auf dem Schwarzmarkt erhältlich", sagt der japanische Ornithologe Simba Chan, Mitautor der Studie und Vertreter der Asien-Sektion des internationalen Naturschutz-Dachverbandes "BirdLife International". Chinesische Ordnungshüter beschlagnahmten bei einer einzigen konzertierten Aktion im November 2011 in zwei Städten der Provinz Anhui im Südosten Chinas zwei Millionen gefangene Singvögel, darunter 20.000 Weidenammern. Zwar gibt es keine genauen Zahlen, aber auf der Basis von Populationsmodellierungen halten die Wissenschaftler mehrere Millionen gefangene Weidenammern pro Jahr in Südostasien für realistisch.

    Langzeitbeobachtungen in Finnland und Russland

    "Wir können zwar nicht ausschließen, dass neben der illegalen Vogeljagd auch andere Faktoren zu dem dramatischen Rückgang der Weidenammer-Bestände beitragen", räumt Johannes Kamp ein. "Ein Verlust an Lebensraum allein kann dieses Ausmaß jedoch nicht erklären." Auch gäbe es keine Hinweise darauf, dass beispielsweise Krankheiten oder Pestizide eine Rolle spielten. Für ihre Untersuchung griffen die Wissenschaftler unter anderem auf Daten aus Langzeitbeobachtungen verschiedener Brutgebiete in Finnland und Russland – speziell auch aus Sibirien – zurück. Sie führten Computer-Simulationen der Bestandsentwicklung durch und stellten dabei einen Zusammenhang mit den aus China bekannten Fängen her.

    Parallele zur illegalen Jagd am Mittelmeer

    "Eine massive illegale Bejagung auf ihrer Zugroute durch Ägypten ist für unsere heimischen Vögel eine große Gefahr – das ist gut dokumentiert", unterstreicht Johannes Kamp. "Über die Problematik in Asien ist allerdings viel weniger bekannt. Dabei sind die Größenordnungen ähnlich wie am Mittelmeer oder sogar noch dramatischer." Simba Chan ergänzt: "Wir benötigen weitere gute und systematische Untersuchungen der Zugvogelbestände in Asien. Mit internationaler Unterstützung könnte es uns vielleicht gelingen, die rückläufige Bestandsentwicklung der Weidenammer und vieler anderer Vogelarten wieder umzukehren."



    Originalpublikation:

    Kamp J. et al. (2015): Global population collapse in a superabundant migratory bird and illegal trapping in China. Conservation Biology online first, DOI: 10.1111/cobi.12537


    Weitere Informationen:

    http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/cobi.12537/abstract Link zur Originalpublikation


    Bilder

    Eine männliche Weidenammer
    Eine männliche Weidenammer
    Foto: Ulrich Schuster
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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