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Forscher des Universitätsklinikums Freiburg haben eine mögliche Ursache gefunden, die depressiven Episoden im Gehirn zugrunde liegt. In einer Studie im Fachmagazin ‚Neuropsychopharmacology’ wiesen sie nach, dass sich Nervenzellen im Gehirn während der depressiven Episoden langsamer neu vernetzen – und sich damit das Gehirn schlechter an neue Reize anpassen kann. Mit dieser als synaptische Plastizität bezeichneten verminderten Anpassungsfähigkeit lassen sich viele Symptome einer Depression erklären. Die Erkenntnisse könnten die gezielte Suche nach neuen Therapien ermöglichen. Weitere Entwicklungen könnten den Grundstein für eine objektivere Depressions-Diagnostik legen.
Depressionen gehören weltweit zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Etwa vier Millionen Menschen in Deutschland leiden aktuell an einer Depression. Fast jeder zehnte Deutsche erleidet mindestens einmal im Leben eine depressive Episode, die Wochen, Monate oder sogar Jahre anhalten kann.
Gehirnveränderung auf depressive Episode begrenzt
Die Forscher um Prof. Dr. Christoph Nissen, Geschäftsführender Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg, untersuchten, wie gut die Fähigkeit des Gehirns ausgeprägt ist, die Übertragung zwischen Nervenzellen an neue Reize anzupassen. Dieser Vorgang wird als synaptische Plastizität bezeichnet und ist die Grundlage von Lernen, Gedächtnisbildung und unserer Anpassungsfähigkeit an eine sich verändernde Umwelt.
Um die synaptische Aktivität zu ermitteln, untersuchten die Forscher je 27 gesunde und depressive Personen. Sie reizten mit Hilfe einer Magnetspule über dem Kopf der Probanden ein bestimmtes motorisches Areal im Gehirn, das für die Steuerung eines Daumenmuskels zuständig ist. Dann maßen sie, wie stark der Daumenmuskel dadurch aktiviert wird. Im zweiten Schritt kombinierten sie die Reizung mit einer wiederholten Stimulation eines Nervs am Arm, der Informationen ins Gehirn sendet. Hatte durch die Kopplung ein Lernvorgang in Form einer stärkeren Verknüpfung von Nervenzellen in der Gehirnrinde stattgefunden (synaptische Plastizität), war die Reaktion stärker als zu Beginn des Experiments. Der Versuchsaufbau ist für die Messung der synaptischen Plastizität bereits etabliert.
Tatsächlich wiesen die depressiven Probanden eine geminderte synaptische Plastizität auf als solche ohne eine depressive Episode. War die depressive Episode bei den erkrankten Probanden bei einer Folgemessung einige Wochen später jedoch abgeklungen, zeigten sie auch eine normale Hirnaktivität. „Damit haben wir eine messbare Veränderung im Gehirn gefunden, die zeitlich mit dem klinischen Zustand übereinstimmt“, sagt Prof. Nissen.
Ursächlicher Zusammenhang wahrscheinlich
Die Forscher gehen davon aus, dass es sich bei der verminderten synaptischen Plastizität um eine Ursache der Depression handelt und nicht nur um eine Folge. „Synaptische Plastizität ist ein grundlegender Prozess im Gehirn. Veränderungen könnten einen Großteil der Symptome einer Depression erklären“, sagt Prof. Nissen. Vorangegangene Untersuchungen an Tiermodellen und auch weitere Indizien beim Menschen sprechen für eine ursächliche Rolle. Neben Schlafentzug, einer etablierten Depressionstherapie, haben auch alle gängigen antidepressiv wirksamen Verfahren, einschließlich Medikamente, Elektrokrampftherapie und auch sportliche Betätigung, eine positive Wirkung auf die synaptische Plastizität.
Sollten sich die Ergebnisse in weiteren Studien als zuverlässig erweisen, könnten sie auch zur weiteren Entwicklung für objektive Verfahren zur Diagnosestellung und Therapiekontrolle dienen. Bislang geschieht dies ausschließlich über ein persönliches Gespräch und durch den Ausschluss anderer Erkrankungen. „Die Patienten sind schwer betroffen und oft extrem verunsichert. Da wäre es eine große Hilfe, wenn wir objektive Messverfahren entwickeln, die zur Diagnosestellung und zur Behandlungsplanung beitragen könnten“, sagt Prof. Nissen. Darüber hinaus könnte die vorliegende Forschungslinie die Entwicklung neuer Therapieverfahren begünstigen, die die synaptische Plastizität noch direkter als bisher beeinflussen.
Eine Depression kann in jedem Alter auftreten, erstmalig am häufigsten zwischen 20 und 30 Jahren. Die Betroffenen fühlen sich niedergeschlagen, antriebs- und interesselos. Sie schlafen meist schlecht, ermüden schnell und sind oft unfähig, Gefühle zu empfinden. Die Behandlung erfolgt gemäß Leitlinien psychotherapeutisch, bei schwerer depressiver Episode zusätzlich medikamentös. Insbesondere aufgrund eines häufigen Auftretens von Todesgedanken ist rasche professionelle Hilfe notwendig. Als Auslöser der Erkrankung wird eine Kombination erblicher, lebensgeschichtlicher und aktueller Belastungsfaktoren wie Stress diskutiert.
Originaltitel der Arbeit: State-Dependent Partial Occlusion of Cortical LTP-Like Plasticity in Major Depression
DOI: 10.1038/npp.2015.310
Kontakt:
Prof. Dr. Christoph Nissen
Oberarzt
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Universitätsklinikum Freiburg
Telefon: 0761 270-69800
christoph.nissen@uniklinik-freiburg.de
Johannes Faber
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universitätsklinikum Freiburg
Telefon: 0761 270-84610
johannes.faber@uniklinik-freiburg.de
http://www.uniklinik-freiburg.de/psych/klinische-schwerpunkte/affektive-erkranku... Depressionsbehandlung in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
http://www.uniklinik-freiburg.de/psych/forschung-research/research-groups/rg-nis... Forschungsgruppe Prof. Nissen
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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