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04.12.2015 15:01

Fußball: Drei-Punkte-Regel animiert nicht zu Sturmläufen - weltweit detaillierteste Studie

Juliane Albrecht Presse- und Informationsstelle
Westfälische Wilhelms-Universität Münster

    Nicht unbedingt der Gewinn zählt für Fußballteams so sehr, dass sie bis zum Schluss aufs gegnerische Tor stürmen, sondern das deutlich defensivere "Hinten reinstellen" ist wichtiger, um eine Niederlage zu vermeiden. Das belegt eine Studie, in der Wissenschaftler der Universität Münster die 1995/96 weltweit eingeführte so genannte Drei-Punkte-Regel mit der früheren Zwei-Punkte- Regel verglichen. Fazit: Die Zahl der Unentschieden nahm nicht in dem Maße ab, wie es sich die FIFA erhofft hatte.

    Der Sieg ist für Fußballteams offenbar nicht so wichtig, dass sie bis zum Schluss aufs gegnerische Tor stürmen. Für sie steht vielmehr im Vordergrund, eine Niederlage zu vermeiden - enstprechend defensiv sind sie oft ausgerichtet. Das belegt eine aktuelle Studie, in der Wissenschaftler der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) die in der Saison 1995/96 weltweit eingeführte so genannte Drei-Punkte-Regel in 24 Ländern mit der früheren Zwei-Punkte-Regel verglichen haben. Fazit: Die Zahl der Unentschieden nahm nicht in dem Maße ab, wie es sich der Fußball-Weltverband FIFA erhofft hat.

    Die Wissenschaftler veröffentlichten die Studie mit dem Titel "Why the Three-Point Rule Failed to Sufficiently Reduce the Number of Draws in Soccer" jetzt im nordamerikanischen Fachmagazin "Journal of Sport and Exercise Psychology".

    "Der erhoffte Anreiz mit der Einführung der Drei-Punkte-Regel ist deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben, die aus statistischer Sicht abgeleitet werden können", betont Dennis Riedl. Der Doktorand des Sportpsychologen Prof. Dr. Bernd Strauß verfasste die Arbeit gemeinsam mit dem derzeitigen Dekan des Fachbereichs Chemie und Pharmazie, Prof. Dr. Andreas Heuer, einem passionierten Fußball-Statistiker. Die FIFA wollte mit der Vergabe von drei statt zwei Punkten für einen Sieg (ein Punkt wie bisher für ein Remis) eine offensivere Spielweise hervorrufen und die in den 1990er Jahren gestiegene Zahl an Unentschieden verringern. Nach Auswertung der Daten stellten die Wissenschaftler allerdings fest, dass sich die Zahl der Remis nicht wie erwartet verringert hat. "Das Vermeiden einer Niederlage hat immer noch höhere Priorität als der Wunsch
 zu gewinnen", urteilt Bernd Strauß.

    Die drei WWU-Forscher beziehen sich mit ihren Schlussfolgerungen besonders auf die sogenannte "Prospect-Theorie", eine psychologische Theorie, für die Daniel Kahneman vor einigen Jahren den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten hat. Kahnemann stellte fest, dass für viele Menschen nicht das Gewinnen, sondern das Vermeiden von Verlusten die entscheidende Motivation darstellt.

    Dank der Analyse konnten die WWU-Forscher ableiten, dass ein "4-1-0-Punktesystem" (vier Punkte für einen Sieg, ein Punkt für ein Remis, kein Punkt bei einer Niederlage) notwendig wäre, damit Gewinnen attraktiver als das Nicht-Verlieren wird. "Erst damit würden psychologische Anreize zu einer übermäßigen Spielsicherung abgebaut", meint Bernd Strauß.

    In der jüngsten Studie analysierten die Wissenschaftler die Ergebnisse von Erstligaspielen aus 24 Ländern über jeweils 20 Saisons (zehn Jahre vor und zehn Jahre nach Einführung der 3-Punkte-Regel) – insgesamt sammelten sie die Daten aus 118.148 Spielen. Die drei Wissenschaftler stellten fest, dass die Unentschieden nach wie vor deutlich häufiger vorkommen als statistisch erwartet. Zwar war der Anteil der Unentschieden in Zeiten der 2-Punkte-Regel (29,7%) höher als in Zeiten der 3-Punkte-Regel (17,6%). Insofern habe die Einführung der 3-Punkte-Regel zwar weltweit – allerdings nicht in der deutschen Liga – zu einer gewissen Reduktion der Unentschieden geführt. "Dies reicht aber nicht aus, damit in der letzten Spielphase die Offensivbemühungen der Teams nicht nachlassen, wenn es Unentschieden steht", betont Andreas Heuer.

    Die Forscher untersuchten zudem früher nur kurzzeitig eingesetzte Varianten auf ihrer Wirksamkeit. Am besten funktionierte ein sehr eigenwilliges System, das in der bulgarischen Liga von 1984 bis 1987 versuchsweise galt. Dort gab es zwar auch die 2-1-0 Regel, aber mit der entscheidenden Ausnahme, wonach bei einem 0:0 kein Team einen Punkt erhielt. Die Folge: Es gab deutlich weniger 0:0-Spiele, und es fielen erheblich mehr Tore. Man führte dies damals allerdings nicht weiter, "wahrscheinlich, weil es ein zu unübersichtliches System war", meint Dennis Riedl.

    Originalquelle:
    Riedl, D., Heuer, A. & Strauss, B. (2015). Why the Three-Point Rule Failed to Sufficiently Reduce the Number of Draws in Soccer: An Application of Prospect Theory. Journal of Sport and Exercise Psychology, 37, 316-326.


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-muenster.de/forschungaz/person/6759 - Forschung A-Z / Prof. Dr. Bernd Strauss
    http://www.uni-muenster.de/forschungaz/person/6376 - Forschung A-Z / Prof. Dr. Andreas Heuer


    Bilder

    Anhang
    attachment icon Original der Studie

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Gesellschaft, Physik / Astronomie, Psychologie, Sportwissenschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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