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Wissenschaftler aus Deutschland und den USA haben das Erbgut des Philippinen-Koboldmakis entschlüsselt. Unter anderem analysierten die Forscher sogenannte springende Gene, um Rückschlüsse auf die Stammesgeschichte der Primaten zu ziehen. Die Ergebnisse veröffentlichte das Team um Dr. Jürgen Schmitz (Universität Münster) und Dr. Wesley Warren (McDonnell Genome Institute Washington) nun in der Fachzeitschrift "Nature Communications".
Münster (mfm/tw) – Ein deutsch-amerikanisches Forscherteam hat das Erbgut des Philippinen-Koboldmakis entschlüsselt. Diese Primaten sind ausgewachsen etwa so groß wie eine Menschenfaust, wiegen so viel wie eineinhalb Schokoladentafeln und sind dem Menschen genetisch erstaunlich ähnlich. Wissenschaftler um Dr. Jürgen Schmitz vom Institut für Experimentelle Pathologie der Medizinischen Fakultät der Universität Münster und Dr. Wesley Warren vom McDonnell Genome Institute Washington haben die aktuellen Forschungsergebnisse nun im Journal Nature Communications veröffentlicht.
Koboldmakis gehören wie wir Menschen und alle anderen Affen zu den Trockennasenprimaten. Die kuriosen singenden und springenden Primaten haben einige Besonderheiten – zum Beispiel ihre speziellen Fußwurzeln (Singular: Tarsius), von denen sich ihr wissenschaftlicher Name Tarsier ableitet. Sie können ihren Kopf, dank stark modifizierter Halswirbel, um 360 Grad drehen und nutzen (ähnlich wie Wale) Ultraschall, um von Fressfeinden ungehört zu kommunizieren und Beute aufzuspüren. Außerdem haben sie unter allen Säugetieren im Vergleich zum Körper die größten Augen – jedes Einzelne ist größer als ihr Gehirn.
Traditionell wurden die Koboldmakis den Feuchtnasenprimaten, zu denen auch Lemuren gehören, zugeordnet und als Halbaffen den eigentlichen Affen gegenübergestellt. Inzwischen ist jedoch trotz vieler Ähnlichkeiten zu den Feuchtnasenprimaten eine nähere Verwandtschaft zu den Affen eindeutig nachgewiesen. Wegen diverser Merkmale beider Primatengruppen ist ihr Erbgut für Wissenschaftler so interessant. „Wir können durch die Analyse ihrer Gene viel über unsere eigene Evolution lernen“, erläutert Privatdozent Dr. Jürgen Schmitz vom Institut für Experimentelle Pathologie an der Medizinischen Fakultät Münster. „Besonders interessieren wir uns für springende Gene. Das sind DNS-Abschnitte, die sich selbst kopieren und neue Positionen im Erbgut einnehmen können. Sie machen wie beim Menschen ungefähr die Hälfte des Tarsier-Erbguts aus. Springende Gene helfen uns zu verstehen, wie sich stammesgeschichtlich die Arten auseinanderentwickelt haben.“
Unter Führung des Teams um Schmitz arbeiteten auch Forschergruppen am Deutschen Primatenzentrum in Göttingen und der University of California, Santa Cruz. Gemeinsam konnten die Wissenschaftler bisher unbekannte genomische Sprünge entdecken und deren Verteilungsmechanismen aufklären. Außerdem entdeckten sie, dass das komplette Erbgut eines Mitochondriums – das sind bestimmte zelluläre Organellen, die auch als Kraftwerke der Zelle bezeichnet werden und ein eigenes Genom haben – in das Kern-Erbgut integriert worden ist. Ein solch kompletter Einbau ist bei Säugetieren noch nie zuvor nachgewiesen worden.
Mit dem entschlüsselten Koboldmaki-Erbgut wurde es erstmals möglich, in Vergleichsstudien zu anderen Primaten die genauen Aktivitätswellen quasi „fossiler“ springender Gene zu erkennen. Die Vergleiche zeigen, dass viele dieser springenden Gene beim gemeinsamen Vorfahren aller heute lebenden Affen (und damit auch des Menschen) vor rund 50 Millionen Jahren vermutlich durch einen extremen Rückgang der vorherrschenden Primatenpopulation an Aktivität verloren haben und bei Affen stattdessen andere Formen springender Gene aktiv wurden.
Neben diesen neuen Erkenntnissen konnte auch die besondere Bedeutung von Genen identifiziert werden, die die Einzigartigkeit des Tarsiers ausmachen, zum Beispiel die Gene für das ausgeprägte optische System und die außergewöhnliche Sprungfähigkeit dieser kleinen Urwaldbewohner. Eine komplette Aufstellung aller bekannten Gene bietet nun auch die Möglichkeit, die Evolution von der ersten Abspaltung im Stammbaum der Primaten lückenlos bis zum Menschen zu verfolgen.
Koboldmakis sind vor allem durch die Zerstörung ihres Lebensraums durch Menschen bedroht. Sie werden häufig auch als Haustiere gehalten, ertragen jedoch keine Berührungen, brauchen permanent frische Insekten als Nahrung und verenden in Gefangenschaft meist schnell.
Originalpublikation:
Schmitz, J. et al.: Genome sequence of the basal haplorrhine primate Tarsius syrichta reveals unusual insertions. Nat. Commun. 7, 12997
doi: 10.1038/ncomms12997 (2016).
Redaktion:
Dr. Thomas Bauer
Referat Presse der Medizinischen Fakultat der Universität Münster
Tel. 0251-83-58937
mobil: 0171-4948979
E-Mail: thbauer@uni-muenster.de
Ein Koboldmaki mit seiner Beute
Foto: David Haring/Duke Lemur Center
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Das münstersche "Koboldmaki-Team"; links Leiter PD Dr. Jürgen Schmitz, rechts Institutsdirektor Prof ...
Foto: Liliya Doronina
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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