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Wissenschaft
Prämierte Arbeiten gelten als Meilensteine in Diagnose und Therapie von Morbus Bechterew
Zu den quälenden Schmerzen kommt die jahrelange Ungewissheit: Menschen, die an ankylosierenden Spondylitis (auch: Morbus Bechterew) leiden, haben meist eine Odyssee durch die Praxen verschiedenster Ärzte hinter sich, bis sie erfahren, woran sie wirklich leiden. Und noch immer gibt es für diese Erkrankung keine Heilung. Einem Forscherteam des Kompetenznetzes Rheuma um die Rheumatologen Joachim Sieper vom Berliner Universitätsklinikum Benjamin Franklin und Jürgen Braun vom Rheumazentrum Ruhrgebiet in Herne, ist es jedoch jüngst gelungen, ein Verfahren zu entwickeln, mit dem sich die Erkrankung heute früher und zuverlässiger als bisher erkennen lässt. Vor allem aber haben die Forscher kürzlich eine Therapie gefunden, mit der sich erstmals nicht nur die Schmerzen lindern, sondern auch die zerstörerischen Entzündungsvorgänge zurückdrängen lassen. Für ihre Arbeiten wurden sie jetzt mit dem Forschungspreis 2003 des Verbandes der europäischen Rheumaforschungsgesellschaften EULAR (European League against Rheumatism) ausgezeichnet. Der Preis, der mit 30.000 Euro dotiert ist, wird seit drei Jahren für herausragende, institutsübergreifende Kooperationen verliehen und geht stets an das gesamte Team.
Die ankylosierende Spondylitis ist eine chronisch entzündliche rheumatische Erkrankung. Die häufig recht jungen Patienten leiden unter zum Teil erheblichen Rückenschmerzen, die vorwiegend durch die Entzündung bedingt sind. Mit der Zeit können sich viele der Betroffenen immer schlechter bewegen. Denn irgendwann greift Krankheit auch die Knochen an: Teile davon werden zerstört, Wirbelkörper verknöchern untereinander - im schlimmsten Fall so stark, dass die Wirbelsäule in extrem gekrümmter Form versteift. Doch obwohl die Krankheit nicht besonders selten ist - schätzungsweise eine halbe Million Menschen in Deutschland leiden daran - wird sie selbst von Mediziner oft verkannt. Die Folge sind Fehldiagnosen, die mitunter fatale Fehltherapien bis hin zu nutzlosen Bandscheibenoperationen nach sich ziehen.
Gemeinsam mit Radiologen des Universitätsklinikums konnte das Team um Braun und Sieper in den vergangenen Jahren eine Art 'Checkliste' von verschiedenen klinischen Werten und Befunden entwickeln, mit der sich die Krankheit heute mit einer Zuverlässigkeit von 95 Prozent diagnostizieren lässt. Zentraler Bestandteil dieses Algorithmus' ist eine spezifische Kernspintomografie, mit der sich der für die Krankheit typische entzündliche Rückenschmerz bereits in einem frühen Stadium sichtbar machen lässt. Hinzu kommen weitere Indikatoren wie etwa der genetische Marker HLA-B27 oder eine Entzündung der Regenbogenhaut im Auge.
Allerdings gab es bisher für die Patienten im Wesentlichen nur zwei rein symptomatische Behandlungsmöglichkeiten: 1. Schmerzbeseitigung durch so genannte nicht-steroidale Antiphlogistika und 2. Krankengymnastik, um der Versteifung und Verkrümmung der Wirbelsäule entgegenzuwirken.
In einer klinischen Studie konnten die Forscher um Sieper und Braun nun zeigen, dass sich die Krankheitsaktivität mit neuen biologischen Medika-menten aus der Gruppe der Tumor-Nekrose-alpha-Blocker drastisch reduzieren lässt. "Mehr als 80 Prozent der Behandelten zeigten nach dreimonatiger Therapie eine klinische Besserung. Bei mehr als der Hälfte der Patienten hat sich die Krankheitsaktivität sogar um über die Hälfte reduziert", berichtet Jürgen Braun. TNF-alpha ist ein körpereigener Botenstoff, der bei einigen chronisch-entzündlichen Erkrankungen eine maßgebliche Rolle spielt. TNF-alpha-Blocker sind Medikamente, die diesen Botenstoff gezielt hemmen und unschädlich machen.
Die Studie wurde in Berlin geplant und verdankt ihre zügige und erfolgreiche Umsetzung auch der gelungenen Vernetzung rheumato-logischer Institutionen im Kompetenznetz Rheuma. Insgesamt acht Kliniken aus ganz Deutschland brachten Patienten in die Studie ein. Beteiligt waren auch Forscher des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums in Berlin. Schon jetzt gilt die Studie als Meilenstein in der Behandlung dieser zum Teil mit schwerer Behinderung einhergehenden Wirbelsäulenentzündung. In weiteren Untersuchungen wollen die Forscher nun klären, ob sich die Krankheit mit Hilfe von TNF-alpha-Blockern auch langfristig stoppen lässt. Mit ersten Ergebnissen rechnen sie in zwei bis drei Jahren.
Das Kompetenznetz Rheuma ist ein bundesweiter Zusammenschluss der rheumatologischen Kliniken und Praxen mit den wichtigsten Forschungs-einrichtungen in Deutschland. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert dieses Netzwerk, damit neue Erkenntnisse aus den Laboren möglichst rasch Patienten zugute kommen können.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. med. Jochen Sieper
Leiter der Abteilung Rheumatologie am
Universitätsklinkum Benjamin Franklin
Freie Universität zu Berlin
Hindenburgdamm 30
12200 Berlin
T: 030 8445 4547
F: 030 8445 4582
E-Mail: hjsieper@zedat.fu-berlin.de
Prof. Dr. med. Jürgen Braun
Leitender Arzt
Rheumazentrum Ruhrgebiet
St. Josefs-Krankenhaus
Landgrafenstr. 15
44652 Herne
T: 02325 592 131
F: 02325 592 136
E-Mail: j.braun@rheumazentrum-ruhrgebiet.de
Pressestelle Kompetenznetz Rheuma:
Dipl.-Biol. Cornelia Stolze
Tel: +49 (0)30 62726121
Mobil: +49 (0)179 6987549
Fax: +49 (0)1212 538035239
stolze@drfz.de
www.rheumanet.org
http://www.rheumanet.org
www.eular.org
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Personalia
Deutsch
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