idw - Informationsdienst
Wissenschaft
Hochschulstudie zu den Auswirkungen der Flüchtlingssituation auf den Tourismus in Niedersachsen aus Sicht von Leistungsträgern, Zielgebietsorganisationen und Kommunen
Seit längerer Zeit nehmen die Flüchtlingsthematik und deren mögliche Chancen und Risiken für Wirtschaft und Gesellschaft innerhalb Deutschlands einen breiten Raum in der öffentlichen und privaten Diskussion ein. Das Thema Flüchtlinge berührt auf vielfältige Weise auch den Tourismus. Um die Auswirkungen der Flüchtlingssituation auf den Tourismus genauer erfassen zu können, führte das Institut für Tourismus- und Regionalforschung der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften unter der Leitung von Prof. Dr. Ernst-Otto Thiesing und mit Unterstützung des DEHOGA Niedersachsen, des Tourismusverbands Niedersachsen e.V. und der Tourismus Marketing Niedersachsen GmbH eine wissenschaftliche Untersuchung dazu durch.
Im Oktober 2016 wurden im Rahmen einer explorativen Studie touristische Unternehmen, Zielgebietsorganisationen und Kommunen in Niedersachsen zu möglichen Auswirkungen der Flüchtlingssituation auf verschiedene Themenkomplexe wie Fachkräftemangel, Destinationsimage und Haushaltssituation befragt.
Erwartete positive Impulse für den Arbeitsmarkt in abgeschwächter Form und verzögert vorhanden: Diskrepanz zwischen allgemeinen und betrieblichen Chancen
Der generelle Fachkräftemangel sowie das Potential, diesem durch Einstellung von Flüchtlingen entgegenzuwirken, wird von den befragten touristischen Unternehmen durchweg höher bewertet, als im eigenen Unternehmen. Trotz dessen sieht vor allem die Hotellerie eine Chance, ihren betrieblichen Fachkräftemangel durch die Zuwanderung zu mindern. Die wichtigsten Einsatzbereiche für Geflüchtete sehen Unternehmen aus der Hotellerie und Gastronomie vorwiegend bei unterstützenden Arbeiten ohne Kundenkontakt sowie bei Servicearbeiten mit Kundenkontakt. Weiterhin stehen Beschäftigungen als Saison- und Hilfskraft sowie im Rahmen von Praktika an erster Stelle. Einschätzungen zu gewünschten Qualifikationen zeigen die Bedeutung „weicher Faktoren“, wie der persönlichen Eignung sowie des beruflichen Engagements. Elementar bei den Einstellungsvoraussetzungen sind Deutschkenntnisse. Höhere Bildungsabschlüsse, abgeschlossene Berufsausbildungen oder Erfahrungen im Beruf spielen demgegenüber eine untergeordnete Rolle. Um die Rahmenbedingungen zur Einstellung von Flüchtlingen zu verbessern, befürworten die Unternehmen die Senkung von bürokratischen Hürden, die Arbeitserlaubnis vor der Anerkennung sowie die Unterstützung durch staatliche Fördermaßnahmen.
Bereitstellung von Unterkünften sowie Auswirkungen auf das Kerngeschäft erfolgen eher selten – Integrationsmaßnahmen sind weit verbreitet
Lediglich 7% der befragten Hotelbetriebe geben an, schon einmal Flüchtlinge beherbergt zu haben – 16% haben zudem intensiver über die Beherbergung nachgedacht. Gründe für die Nichtbeherbergung stellen hier vor allem Kapazitäts- sowie wirtschaftliche Gründe dar. Bürokratische Hürden, befürchtete Intoleranz der Hausgäste sowie kulturelle Gründe folgen als weitere Ursachen. Auswirkungen der Flüchtlingssituation auf das Kerngeschäft sind bisher weder bei der Hotellerie oder Gastronomie noch bei den Zielgebietsorganisationen zu spüren. Im Gegensatz dazu werden Integrationsmaßnahmen seitens der genannten Unternehmen, vor allem bei der Hotellerie, mit großer Bereitschaft durchgeführt. Unterstützung bei der Erweiterung von Sprachkenntnissen, Praxistage für Zugewanderte sowie Angebote von Praktika, Ausbildungs- und Arbeitsplätzen werden hier als Maßnahmen genannt. Weiterhin werden Beratungsleistungen von der Agentur für Arbeit in Anspruch genommen sowie Kooperationen mit externen Willkommenslotsen durchgeführt. Ehrenamtliche Tätigkeiten, Spendenmaßnahmen oder die Unterstützung von Bildungsabschlüssen werden eher weniger in Betracht gezogen.
Weder Veränderung des Destinationsimages noch Wandlung der Gästestrukturen in touristisch geprägten Zielgebieten erkennbar
Rückt man die Tourismus-Organisationen in den Mittelpunkt der Betrachtung, wird deutlich, dass die Zuwanderung in touristische Destinationen aktuell weder Auswirkungen auf die Destinationswahrnehmung der Gäste noch Veränderungen in der Gästestruktur zur Folge hat. Vereinzelt erwarten Organisationen durch die Zuwanderung eine moderate Notwendigkeit zur Veränderung des touristischen Angebotes für spezielle ethnische bzw. kulturelle Gruppen.
Kommunale Ausgaben haben sich erhöht - die touristische Nachnutzung von getätigten Investitionen für Zugewanderte ist überwiegend nicht möglich
Vor allem die Ausgaben für Haushaltausstattungen, Integrations- und Bildungsmaßnahmen sowie Mietausgaben für die Unterbringung von Flüchtlingen sind gestiegen. Auch Investitionen für Bildung sowie den kommunalen Wohnungsbau wurden getätigt. Zwar reichen die Fördermittel vom Land bzw. Landkreis weitestgehend aus, um die erhöhten Ausgaben zu decken; eine Nachnutzung der Investitionen aus touristischer Sicht wird allerdings weder bei getätigten, noch bei geplanten Investitionen gesehen. Weiterhin wird vereinzelt eine Verknappung von preisgünstigem Wohnraum durch die Flüchtlingssituation beobachtet.
Das Thema Flüchtlinge hat insgesamt an Brisanz verloren: Kaum überraschende Ergebnisse bei Tourismus-Leistungsträgern
Die zunächst erwarteten positiven, schnellen Impulse für den Arbeitsmarkt sind abgeschwächt und deutlich verzögert zu erwarten, das zeigt sich durch die Mindestanforderungen bezüglich der Sprachkenntnisse sowie der Diskrepanz zwischen allgemeiner und auf den eigenen Betrieb bezogenen Bereitschaft, Flüchtlinge einzustellen. Die Tourismusregionen in Niedersachsen merken aktuell kaum Auswirkungen der Flüchtlingssituation und auch Auswirkungen auf das Image der Destinationen sind bisher nicht zu erkennen. Verwaltungen bekommen die Herausforderungen der Flüchtlingssituation inzwischen in den Griff.
Kontakt:
Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften
Institut für Tourismus- und Regionalforschung
Prof. Dr. Ernst-Otto Thiesing
E-Mail: e-o.thiesing@ostfalia.de
http://www.ostfalia.de/k/iftr/kontakt/
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).