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07.10.1998 00:00

Glaube und Gesellschaft

Norbert Frie Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Westfaelische Wilhelms-Universität Münster

    Arbeitskreis "AZERKAVO" an der Universität Münster erforscht die Religions- und Kulturgeschichte des antiken vorderen Orients.

    Welche Rolle spielen Religionen in den heutigen Gesellschaften? In der westlichen hoch- technisierten Welt scheint die Bedeutung religiösen Glaubens für die Alltagspraxis im Schwinden begriffen zu sein, dennoch beruhen nach wie vor wesentliche gesellschaftliche Grundwerte, wie beispielsweise die Unantastbarkeit der Menschenwürde, auf christlichen Wertvorstellungen. Ausgrenzung und Intoleranz gegenüber religiösen Minderheiten sind nicht nur Ausgangspunkt für zahlreiche Konflikte in Asien und Afrika, auch in Europa wird die Frage, ob Kreuz und Minarett friedlich koexistieren können, über die Qualität des Zusammenlebens in künftig zunehmend multikulturell zusammengesetzten Gesellschaften entscheiden.

    Viele der religiös motivierten Konflikte sind aber ohne Rückgriff auf ihre historischen Wurzeln kaum noch zu verstehen. Der "Arbeitskreis zur Erforschung der Religions- und Kulturgeschichte des Antiken Vorderen Orients" (AZERKAVO) an der Universität Münster hat sich das Ziel gesetzt, Bausteine für eine vergleichende Religions- und Gesellschaftsgeschichte der Antike zu gewinnen, die auch Funktionen von Religionen in heutigen Gesellschaften besser erkenn- und beurteilbar macht. Münsters Universitäts-Zeitung (MUZ) stellt den Forschungsverbund in ihrer neuesten Ausgabe zum Beginn des Wintersemesters vor.

    Judentum, Christentum und Islam - die Wiege dieser drei großen Weltreligionen waren die antiken Gesellschaften des Vorderen Orients. Die lange geisteswissenschaftliche Tradition der Universität Münster hat eine Fülle wissenschaftlicher Disziplinen hervorgebracht, die sich aus je unterschiedlicher Perspektive mit diesem Themengebiet beschäftigen: Altorientalistik und Ugaristik, Vorderorientalische Archäologie, Ägyptologie und Koptologie, Bibelwissenschaften, Alte Geschichte, Klassische Philologie, Judaistik, Alte Kirchengeschichte, Byzantinistik, Religionswissenschaft, Soziologie, Indogermanistik, Islamwissenschaft und Hethitologie.

    Die derzeit 38 an dem interdisziplinären Verbund beteiligten Wissenschaftler decken gemeinsam ein Forschungfeld ab, das räumlich das antike Griechenland, Kleinasien, Mesopotamien, Syrien, Palästina/Israel, Ägypten und Nordafrika einschließt und zeitlich mehr als dreieinhalb Jahrtausende umfaßt (von 3000 v. Chr. bis 600 n. Chr.). Ziel von AZERKAVO ist, in Münster einen Sonderforschungsbereich zu diesem Themengebiet zu etablieren. Bei einem ersten Beratungsgespräch wurde das Vorhaben, das pünktlich zur Jahrtausendwende starten soll, von den Gutachtern der Deutschen Forschungsgemeinschaft positiv beurteilt.

    Eine Besonderheit, die Modellcharakter für andere Forschungsverbünde in den Geisteswissenschaften haben könnte, sieht Sprecher Prof. Dr. Rainer Albertz darin, daß es sich beim Aufbau von AZERKAVO um einen basisorientierten Prozeß handelte und nicht etwa die Suche von Mitarbeitern für ein bereits feststehendes Thema. "Unser Ansatz ist insofern neu, als er die religionshistorische und die religionssoziologische Perspektive gleichzeitig im Blick behält", erläutert Albertz die Herangehensweise. "Im Umgang mit einem babylonischen Gebetstext beispielsweise versuchen wir zunächst aus der Innenperspektive heraus das religiöse Glaubensgebäude zu verstehen, gehen dann aber über die reine Texthermeneutik hinaus und fragen nach dem Handlungsaspekt des Textes: Welche Funktion hatten im Text beschriebene magische Rituale im Kontext von Familie und Gesellschaft?"

    Um die Methodendiskussion zu fördern, wurde zudem ein Doktorandenkolloqium ins Leben gerufen. "Wir gehen dabei nicht bloß additiv vor", betont Dr. Rüdiger Schmitt, Geschäftsführer von AZERKAVO und Leiter des Kolloquiums. "Ziel dieser Treffen ist, disziplinübergreifend an den Methoden zu arbeiten und auch die Möglichkeiten von Methodentransfers auszuloten." Ein bis zwei Mal pro Semester haben die Nachwuchswissenschaftler Gelegenheit, während sogenannter Konsulationen den Stand ihrer Forschung einem größeren Kreis von Mitarbeitern des Arbeitskreises vorzustellen.

    Im neuen Wintersemester veranstaltet der Arbeitskreis AZERKAVO eine Ringvorlesung zum Thema "Antike Randgesellschaften und Randgruppen im östlichen Mittelmeerraum", bei der Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen der Universität Münster und anderer Hochschulen zu Wort kommen. Den Anfang macht am 21. Oktober der Tübinger Theologe Prof. Dr. Martin Hengel, der ab 16.15 Uhr im Hörsaal H2 am Hindenburgplatz 10-12 über "Paulus in Arabien" spricht.


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-muenster.de/AZERKAVO/welcome-d.html


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Philosophie / Ethik, Religion
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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