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17.09.2003 13:01

Rachitis schon bei den Neandertalern

Gabriele Rutzen Kommunikation und Marketing
Universität zu Köln

    Rachitis schon bei den Neandertalern
    Geschichte der englischen Krankheit und ihrer Therapie

    Als Krankheit der industriellen Revolution ist Rachitis hinreichend bekannt. Die engli-sche Krankheit ist jedoch ein viel älteres Phänomen, das bereits bei den Neanderta-lern auftrat. In einer Studie des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin der Universität zu Köln von Dr. Andrea Böttcher sind verblüffende Details über die heute sehr selten gewordene Mangelerscheinung an Vitamin D entdeckt worden. Die Krankheit ist mittels vorbeugender Maßnahmen in den Industrienationen immer sel-tener geworden. Sie kann heute als ein Teil der Gesellschaftsgeschichte des 18. und 19. Jh. gesehen werden.

    Schon vor Jahrtausenden litten die Neandertaler an Knochenerweichung. Erklärt wird dies durch die zunehmende Dunkelheit während der Eiszeit. So konnte die stark pigmentierte Haut der Urbewohner nicht mehr genügend Vitamin D produzieren. Bei ägyptischen Mumien wurden keine eindeutigen Beweise für oder gegen die Existenz der Krankheit festgestellt. Doch wurden an Skeletten junger, im Tempelbezirk von Theben gefangen gehaltener Affen Rachitismerkmale entdeckt. Ähnlich wie Lepra schon in der Bibel mit vielen Symptomen beschrieben wird, so sind auch bei Hippo-krates, Soranus und Galen Beschreibungen von Merkmalen der Rachitis zu finden. Obwohl diesen Quellen zufolge das Leiden schon in der Vor- und Frühzeit wahrscheinlich existent war, wird das Krankheitsbild aber erst im 17. Jh. offiziell erfaßt.

    Zu jener Zeit galt Rachitis als eine Krankheit der feinen Leute. Ein prominentes Rachitisopfer war Prinzessin Elisabeth, Tochter König Charles I. von England. Durch sie wurde das Leiden das erste Mal als ein besonderes medizinisches Phänomen erkannt. Vorreiter der Rachitisforschung wurden daher die Engländer. Hervorzuheben ist hierbei Francis Glisson, der den Begriff "Rachitis", Mitte des 17. Jh., prägte. Er erkannte als Erster das Krankheitsbild und seine Symptome und faßte sie in einem Werk über die neue Kinderkrankheit zusammen. Ausschlaggebend für das Auftreten der Krankheit war vermutlich die Mode der Barockzeit. Unter Tonnen von Stoff und Puder wurde der Körper vor Licht und Wasser verborgen.

    Mit der industriellen Revolution und der Kinderarbeit begann auch die massenhafte Verbreitung der Krankheit. Ständige Dunkelheit, miserable hygienische Verhältnisse sowie schlechte und unzureichende Ernährung führten zu vielen Mißbildungen. Die Kinder mußten meist ab dem vierten Lebensjahr mit der Arbeit in den Bergwerken beginnen. Zunächst hüteten sie die Eingänge der Gruben. Die Kleinen saßen während ihrer Arbeitszeit den ganzen Tag im Dunkeln. Im Winter konnte es passieren, daß die Kinder wochenlang kein Tageslicht sahen. Mit sechs Jahren mußten sie dann die Kohlenkarren bis zu zwölf Stunden am Tag ziehen.

    In der zweiten Hälfte des 19. Jh. kam es zu der Institutionalisierung eines neuen Fachgebietes der Medizin, der Pädiatrie. Da sich im Laufe der Zeit die Lebensbedingungen der unteren Schichten verbessert hatten und die Arbeiterbewegung zu einem politischen Machtfaktor geworden war, wurde auf das Wohl der Kinder mehr geachtet.

    Erst nach der Entdeckung der Rachitis als UV-Lichtmangelerkrankung, gegen Ende des Jahrhunderts, wurde die eigentliche Lösung des Problems gefunden. Den Durchbruch lieferte die Erkenntnis, daß in Lebertran ein antirachitischer Stoff enthalten ist, das heute allen bekannte Vitamin D.

    Verantwortlich: Isabel Maußen

    Für Rückfragen steht Ihnen Dr. Dr. Daniel Schäfer unter der Telefonnummer 0221/478-5266, der Faxnummer 0221/478-6794 und der E-Mail-Adresse ajg01@uni-koeln.de zur Verfügung.
    Unsere Presseinformationen finden Sie auch im World Wide Web
    (http://www.uni-koeln.de/organe/presse/pi/index.html).
    Für die Übersendung eines Belegexemplars wären wir Ihnen dankbar.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin
    regional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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