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Wissenschaft
Am 25. Juli 2018 hat der Europäische Gerichtshofs in Luxemburg über die rechtliche Einordnung von neuen Methoden und Verfahren der Genome Editierung wie der „Genschere“ Crispr/Cas9 in der Pflanzenzüchtung entschieden. Hiernach fallen die durch Mutagenese (Mutationen im Erbgut von Lebewesen) gewonnenen Organismen unter die strenge EU-Gesetzgebung zur Regulierung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) und unterliegen grundsätzlich den hier vorgesehenen Verpflichtungen. Pflanzen, die durch Genome Editing wie CRISPR/Cas erzeugt wurden, müssen vor Zulassung auf Sicherheit geprüft werden und unterliegen der Kennzeichnungspflicht.
Das Gericht bestätigte zudem die geltende „Mutagenese Ausnahme“, durch die Züchtungsverfahren, bei denen die Mutagenese chemisch oder durch Strahlung erfolgt, von der GVO Richtlinie ausgenommen werden. Begründet wird diese Ausnahme damit, dass diese Verfahren (Zitat) ... „seit langem als sicher gelten.“
Das Urteil mit seiner pauschalen Einordnung der neuen Züchtungsmethoden als GVO kommt für viele Pflanzenwissenschaftlerinnen wie -wissenschaftler überraschend, es widerspreche sowohl dem im Februar vom Generalanwalt des EuGH vorgelegten Schlussantrag, als auch dem Stand der Wissenschaft.
Verschiedene führende und unabhängige Wissenschaftsorganisationen darunter die Nationale Akademie der Wissenschaften (Leopoldina) und der „European Academies’ Science Advisory Council“ hatten sich in der Vergangenheit ebenfalls deutlich gegen eine pauschale Einordnung der neuen Züchtungsmethoden als GVO ausgesprochen.
Diese Einschätzung teilen auch die Forschenden des Exzellenzclusters für Pflanzenwissenschaften CEPLAS (Cluster of Excellence on Plant Sciences) an der Heinrich-Heine-Universität.
CEPLAS Sprecher Professor Andreas Weber:
„Aus Sicht eines Pflanzenwissenschaftlers ist dieses Urteil nicht nachvollziehbar und nicht durch wissenschaftliche Erkenntnisse begründbar. Natürlich entstandene genetische Varianten und durch Genome Editing erzeugte Pflanzen sind ununterscheidbar. Gezielte Sequenzänderungen, innerhalb des Spektrums an Sequenzvariationen innerhalb einer Art, sind etwas grundsätzlich anderes, als das Einfügen eines bakteriellen Gens in die Pflanze. Genom-editierte Pflanzen sind wesentlich sicherer als durch chemische Mutagenese erzeugte Linien, da letztere sehr viel mehr Mutationen mit unbekannten Auswirkungen tragen. Es zeigt sich, dass die mehr als 20 Jahre alte Gesetzgebung zu GVOs weder dem Stand des Wissens entspricht, noch den Entwicklungen im Landwirtschaftssektor Rechnung trägt. Eine Novellierung der Gesetzgebung mit spezifischen Regelungen für die Nutzung der Genom-Editierung ist daher dringend angezeigt.“
CEPLAS Mitglied und Alexander von Humboldt Professor Wolf B. Frommer formuliert seine Meinung zum Urteil deutlich schärfer:
“Wir verstehen, das Genom-Editierung im Menschen sicher sein muss und dass eventuelle Risiken, z.B. zu große Mutationen, Schaden anrichten können.
In der molekularen Pflanzenzüchtung ist dies nicht relevant, man nimmt nur diejenigen Pflanzen, die genau die Mutation tragen, die man haben will. Und die unterscheidet sich nur in einer oder wenigen Basen. Wenn man mir genug Geld gibt, finde ich die gleiche Mutation auf dem Feld. Und selbst ein intelligentes Kind versteht, dass mehr Mutationen, wie durch Mutagene erzeugt, eher problematisch sein können als gezielt eine Mutation einzuführen. Der Gerichtshof hat es sich entweder einfach gemacht, oder hatte Angst vor der Öffentlichkeit. Genom-Editierung braucht klare Richtlinien, aber auf einer ganz anderen Ebene als sie einfach unter das Gentechnikgesetz zu schieben.“
CEPLAS wird bei einer öffentlichen Veranstaltung am 30. Oktober 2018 in Düsseldorf zu den Verfahren der Genome-Editierung und deren Perspektiven informieren sowie die Folgen des Urteils diskutieren.
Der Exzellenzcluster CEPLAS (Cluster of Excellence on Plant Sciences) ist ein gemeinsames Forschungszentrum der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, der Universität zu Köln, des Max-Planck-Instituts für Pflanzenzüchtungsforschung und des Forschungszentrums Jülich. Durch die Erforschung verschiedener Pflanzenmerkmale möchten die Wissenschaftler*innen des Clusters innovative Strategien für eine nachhaltige Pflanzenproduktion entwickeln (www.ceplas.eu). Die am Cluster beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind ausgewiesene Experten in ihren jeweiligen Fachgebieten mit z.T. langjähriger Berufserfahrung. Viele sind auch Mitglieder in den Nationalen Akademien der Wissenschaft Deutschlands, Großbritanniens und der USA, die unabhängig von wirtschaftlichen oder politischen Interessen wichtige gesellschaftliche Themen aus der Wissenschaft bearbeiten und ihre Ergebnisse in Politik und Öffentlichkeit zur Diskussion stellen.
Hinweis für Redaktionen:
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Für Fragen und Interviews steht Ihnen Herr Professor Weber gern zur Verfügung.
Kontakt: Per E-Mail celine.hoenl@hhu.de oder telefonisch unter 0211 81-11996.
Andreas Weber (geb. 1963) studierte Chemie und Biologie an den Universitäten Bayreuth und Würzburg. 1996 promovierte er in Würzburg im Fach Pflanzenwissenschaften. Als Postdoc und Forschungsgruppenleiter wechselte er an die Universität zu Köln, wo er im Jahr 2002 habilitierte. Anschließend ging er als Professor für Pflanzenbiologie an die Michigan State University in East Lansing/USA, bevor er 2007 auf den Lehrstuhl für Biochemie der Pflanzen an die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf kam. Hier ist Prof. Weber Sprecher des Internationalen Graduiertenkollegs für Pflanzenwissenschaften iGRAD-Plant. Er war maßgeblich beteiligt an der 2012 erfolgreichen Einwerbung des Exzellenzclusters CEPLAS (Cluster of Excellence on Plant Sciences) dessen Sprecher er ist. Darüber hinaus ist er Direktor des Düsseldorfer Zentrums für Synthetische Lebenswissenschaften.
Seit dem Jahr 2015 ist Prof. Weber gewähltes Mitglied des Senatsausschusses Evaluierung der Leibniz-Gemeinschaft, Mitglied im Fachkollegium der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Bereich Pflanzenphysiologie) und als aktuell 15. Professor der HHU gewähltes Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.
Wolf B. Frommer studierte Biologie an der Universität zu Köln. Nach seiner Promotion an der Universität zu Köln wechselte er an die Freie Universität Berlin, wo er 1994 im Fach Pflanzenphysiologie habilitiert wurde. 1990 übernahm er eine Gruppenleitung am Institut für Genbiologische Forschung GmbH in Berlin (heute Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Golm bei Potsdam). 1996 wechselte er auf den Lehrstuhl für Pflanzenphysiologie an der Universität Tübingen und wurde Gründungsdirektor des Zentrums für Molekulare Pflanzenbiologie. 2003 ging er in die USA an die Carnegie Institution for Science in Stanford, wo er bis 2016 Direktor des Pflanzenbiologie-Instituts war und auch an der Stanford University lehrte. Im Oktober 2016 wählte die Alexander von Humboldt-Stiftung Wolf B. Frommer zum Humboldt-Professor aus – auf Vorschlag der HHU, des Kölner MPIPZ und des Forschungszentrums Jülich. Am 1. April 2017 trat er diese Professur an.
Prof. Frommer ist ein vielseitig interessierter Forscher, der sich sowohl in der Pflanzenbiologie als auch in der Humanmedizin große Verdienste erworben hat. Sein besonderes Interesse gilt der Rolle von Transportproteinen, unter anderem beim Stoffwechsel der Pflanzen und hier speziell bei den Regulierungsprozessen zur Aufnahme und Verteilung von Nährstoffen.
CEPLAS - Cluster of Excellence on Plant Sciences
Dr. Céline Hönl
Managing Coordinator
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Tel.: ++49 (0)211 81-11996
E-Mail: celine.hoenl@hhu.de
Prof. Dr. Andreas Weber
Jörg Reich / HHU
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Prof. Dr. Wolf Frommer
Sebastian Wagner / Humbold-Stiftung/Elbmotion
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
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Forschungs- / Wissenstransfer, Wissenschaftspolitik
Deutsch
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