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Wissenschaft
Einzigartiges Wechselventil erlaubt es Weibchen, die Spermien mehrerer Männchen paketweise auch als Nahrungsquelle zu speichern
Weibliche Staublaus-Art pumpt mit penisartigem Organ Sperma aus Männchen
Einzigartiges Wechselventil erlaubt es Weibchen, die Spermien mehrerer Männchen paketweise auch als Nahrungsquelle zu speichern
Ein Forscher der Universität zu Köln hat gemeinsam mit internationalen Partnern eine sozial wie auch biomechanisch bemerkenswerte Verhaltensweise bei einer Staublaus-Art entdeckt. Dabei konnte Dr. Alexander Blanke vom Institut für Zoologie in Zusammenarbeit mit Kollegen aus Japan erstmals einen speziellen biologischen Ventilmechanismus nachweisen, der bisher einzigartig in der Natur ist und zu neuen Ansätzen in der Konstruktion kleinster Ventiltypen führen könnte. Die Studie „A biological switching valve evolved in the female of a sex-role reversed cave insect to receive multiple sperm packages“ ist in der Fachzeitschrift eLife erschienen.
Im nahrungsarmen Höhlenhabitat in Brasilien ernähren sich die Staubläuse (Insekten aus der Gruppe der Psocodea) üblicherweise von Fledermauskot. Das Weibchen allerdings gestaltet ihren Speiseplan dank einer ausgeklügelten Technik proteinreicher. Sie nutzt ein eigenes, penisartiges und mit Widerhaken ausgestattetes Organ, um es in das Männchen einzuführen, dort aufzublasen und das Gegenüber auf diese Weise gefangen zu halten. Über einen Zeitraum von 40 bis 70 Stunden werden dann die vom Männchen gebildeten Kopulationsprodukte abgepumpt.
Über das neu entdeckte Ventil werden die Spermienpakete im Körper des Weibchens in speziellen Kammern gespeichert, die einzeln angesteuert werden können. Weibchen bilden bis zu elf solcher Kammern, die einzeln oder paarig am Ventilapparat befestigt sind. Der Ventilmechanismus erlaubt den Weibchen alternativ auch, mehrere Geschlechtspartner nacheinander zu begatten und die Spermien getrennt voneinander in einer Art Vorratskammer einzulagern.
Seniorautor Dr. Alexander Blanke sagt, dass die Spermajagd nicht nur mit der Sicherung von Nachkommen zu tun habe, da nur ein geringer Teil der Spermien tatsächlich zur Befruchtung genutzt werde: „Nahrung ist in der Höhle ein rares Gut und die Weibchen haben hier offensichtlich eine Strategie entwickelt, die Kopulationsprodukte der Männchen als Nahrungsquelle zu nutzen. Wir haben beobachtet, dass teilweise gerade gefüllte Spermakammern direkt wieder vom Weibchen abgebaut und verdaut wurden. Durch die Spermapakete als Ergänzung zum Fledermauskot können die Weibchen ihre Nahrungsquelle diversifizieren und somit Ihre eigene Überlebenschance und die Ihrer Nachkommen steigern.“
In der Natur kommen Ventile verschiedener Bauart vor, die oftmals Luft- und Flüssigkeitsbewegungen im Mikrometer-Bereich steuern. Die Konstruktionsweise dieser Ventile ist meist sehr ungewöhnlich und kann zu neuen Ideen für die Konstruktion von Mikro-Ventilen für technische Anwendungen führen.
Das Team um Blanke und Dr. Kazunori Yoshizawa nutzte die Synchrotron-basierte Computertomographie zur Erstellung eines hochauflösenden 3D-Modells des Kopulationsorgans. Das dabei erstmals gefundene und nur wenige Mikrometer große, sogenannte Wechselventil kann Flüssigkeit gezielt in verschiedene Kammern leiten. „Das Ventil besteht aus mehreren Platten, die sich durch einen gummiartigen Stoff, das sogenannte Resilin, verbiegen können. Die Kraft eines fächerartig aufgespannten Muskels führt dazu, dass, je nach Kontraktion der einzelnen Muskelteile, Zuführgänge geöffnet und andere gleichzeitig geschlossen werden. Das Schließen der Zuführgänge geschieht hierbei passiv durch die im Resilin gespeicherte Energie“, erklärt Blanke.
Der prinzipielle Aufbau dieses Ventils sei bisher einmalig in der Natur: „Durch den Wechsel der Geschlechterrollen bei dieser Spezies sind es die Weibchen, die um die Männchen konkurrieren. Dies hat offenbar auch die Evolution von neuen Strukturen wie die des Wechselventils zur Folge gehabt.“
Inhaltlicher Kontakt:
Dr. Alexander Blanke
Institut für Zoologie der Universität zu Köln
+49 221 470-76128
a.blanke@uni-koeln.de
Presse und Kommunikation:
Frieda Berg
+49 221 470-1704
f.berg@uni-koeln.de
Zur Publikation:
https://doi.org/10.7554/eLife.39563
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Tier / Land / Forst
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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