idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
03.04.2019 13:09

Geburtsstunde des europäischen Klimas entdeckt

Susann Huster Stabsstelle Universitätskommunikation/Medienredaktion
Universität Leipzig

    Ein internationales Forscherteam unter Leitung der Universität Leipzig hat die Klimageschichte von Nordwestafrika und Europa untersucht. Hierbei fanden Prof. Dr. Christoph Zielhofer, Physischer Geograph an der Universität Leipzig, und seine Kollegen Hinweise für den Beginn des heutigen Klimas vor 5.000 Jahren. Eine besondere Rolle spielt hierbei die sogenannte Nordatlantische Oszillation.

    Dieses weiträumige Phänomen im Bereich des Nordatlantiks steuert in Nordwestafrika und Europa das aktuelle Klima- und Wettergeschehen und beschreibt die Schwankung der Druckverhältnisse zwischen dem Islandtief im Norden und dem Azorenhoch im Süden. Einher gehen die Schwankungen der Nordatlantischen Oszillation mit großräumigen Veränderungen der Regenmengen, insbesondere im westlichen Mittelmeerraum und in Nordeuropa. Obwohl sich die Erde seit 11.700 Jahren in einer Warmzeit befindet, dem Holozän, scheint der Beginn der aktuellen Klimabedingungen in Europa deutlich später einzusetzen: Die Wissenschaftler identifizierten einen auffälligen Wechsel der hydroklimatischen Verhältnisse vor etwa 5.000 Jahren, der mit dem Einsetzen der aktuell klimabestimmenden Nordatlantischen Oszillation in Zusammenhang gebracht wird. Die Ergebnisse wurden kürzlich in dem Fachjournal „Climate of the Past“ publiziert.

    Physische Geographen und Geowissenschaftler der Universitäten Leipzig, Manchester, Marrakech und der Universität von Island sind in das internationale, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Forschungsprojekt eingebunden. Mit der Untersuchung an Bohrkernen aus dem Sidi-Ali-See im Mittleren Atlas Marokkos konnten die Wissenschaftler verschiedene Winterregenphasen bis zum Beginn des Holozäns vor 11.700 Jahre zurückverfolgen. „Wir haben herausgefunden, dass sich die Winterregenanomalien im westlichen Mittelmeerraum zeitlich mit Kältephasen im Bereich des subpolaren Nordatlantiks verknüpfen lassen“, sagt Christoph Zielhofer, der bei seinen Forschungen eng mit Anne Köhler vom Institut für Geographie der Universität Leipzig zusammengearbeitet hat.

    Bereits im Jahr 2001 publizierte der renommierte Geologe Gerard C. Bond eine Serie von neun subpolaren Eisbergvorstößen während des Holozäns, welche er anhand von Mineralpartikeln kontinentaler Herkunft aus marinen Bohrkernen des Nordatlantiks rekonstruierte. Diese sogenannten „Bond-Events“ repräsentieren neun großräumige Abkühlungsphasen über dem Nordatlantik.

    Basierend auf Sauerstoffisotopengehalten, gemessen an den Schalen kleiner Muschelkrebse aus dem Bohrkern des Sidi-Ali-Sees, konnten Christoph Zielhofer und sein Team holozäne Regenanomalien für den westlichen Mittelmeerraum rekonstruieren. Diese Anomalien ließen sich mit den „Bond-Events“ aus dem subpolaren Nordatlantik zeitlich verknüpfen. „Unsere Daten deuten darauf hin, dass Phasen geringer winterlicher Regenmengen im westlichen Mittelmeerraum und ‚Bond-Events‘ im Verlauf des Frühholozäns gleichzeitig auftraten“, erläutert William J. Fletcher, Physischer Geograph von der Universität Manchester. Zudem gibt es klare Hinweise auf einen nachhaltigen hydroklimatischen Wechsel im atmosphärisch-ozeanischen Klimasystem des Nordatlantiks vor etwa 5.000 Jahren. In dieser Zeit wechselten die großräumigen Klimamechanismen: Im westlichen Mittelmeerraum gingen nun Phasen zunehmender Winterregen zeitlich einher mit einer vermehrten Bildung von Eisbergen im subpolaren Nordatlantik.

    Wiederkehrende Phasen vermehrter Winterregen im westlichen Mittelmeerraum bei gleichzeitiger Abkühlung sind dem aktuellen Verhalten der Nordatlantischen Oszillation ähnlich, die heute das Wetter- und Klimageschehen in ganz Europa maßgeblich beeinflusst. Der auffällige Wechsel vor 5.000 Jahren kann damit als Geburtsstunde unseres heutigen Klimas in Europa verstanden werden. “Wir vermuten, dass der hydroklimatische Wechsel dem Überschreiten eines klimatischen Schwellenwertes gleichkommt, was möglicherweise als eine Reaktion auf orbital bedingte, langfristige Veränderungen der Sonneneinstrahlung zu verstehen ist“, sagt Steffen Mischke von der isländischen Universität in Reykjavik.

    Originaltitel der Veröffentlichung in "Climate of the Past":

    "Western Mediterranean hydro-climatic consequences of Holocene ice-rafted debris (Bond) events", doi.org/10.5194/cp-15-463-2019


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Christoph Zielhofer
    Institut für Geographie
    Telefon: +49 341 97-32965
    E-Mail: zielhofer@uni-leipzig.de

    Dr. Dr. William J. Fletcher
    Universität Manchester
    E-Mail: will.fletcher@manchester.ac.uk

    Dr. Steffen Mischke
    Universität von Island, Reykjavik, Island
    E-Mail: smi@hi.is


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-leipzig.de/geographie
    https://www.clim-past.net/15/463/2019/


    Bilder

    Das internationale Forschungsteam während der geowissenschaftlichen Feldkampagne am Sidi-Ali-See im Mittleren Atlas Marokkos.
    Das internationale Forschungsteam während der geowissenschaftlichen Feldkampagne am Sidi-Ali-See im ...
    Foto: Arbeitsgruppe Physische Geographie/Universität Leipzig
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Geowissenschaften
    überregional
    Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).