idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
09.07.2019 13:43

Wolfram als interstellarer Strahlenschutz?

Stephan Brodicky Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien

    Metallophile Mikroorganismen könnten bei rauen Überlebensbedingungen vom Schwermetall profitieren

    Ein Siedepunkt von 5900 Grad Celsius und diamantartige Härte in Kombination mit Kohlenstoff: Wolfram ist das schwerste Metall, das dennoch biologische Funktionen aufweist – vor allem bei hitzeliebenden Mikroorganismen. Ein Team um Tetyana Milojevic von der Universität Wien zeigt nun erstmals seltene mikrobielle Wolfram-Interaktionen im Nanometerbereich. Basierend auf diesen Erkenntnissen kann auch die Überlebensfähigkeit von Mikroorganismen unter Weltraumbedingungen erforscht werden. Die Ergebnisse erschienen kürzlich in der Fachzeitschrift Frontiers in Microbiology.

    Als hartes und seltenes Metall ist Wolfram mit seinen außergewöhnlichen Eigenschaften und dem höchsten Schmelzpunkt aller Metalle eine sehr unwahrscheinliche Wahl für ein biologischen System. Nur wenige Organismen, wie thermophile Archaeaen oder zellkernlose Organismen haben sich an die extremen Bedingungen einer Wolfram-Umgebung angepasst und fanden einen Weg, Wolfram zu assimilieren. Zwei aktuelle Studien der Biochemikerin und Astrobiologin Tetyana Milojevic vom Institut für Biophysikalische Chemie der Fakultät für Chemie an der Universität Wien geben Aufschluss über die mögliche Rolle von Mikroorganismen in einer mit Wolfram angereicherten Umgebung und beschreiben eine nanoskalige Wolfram-Mikroben-Grenzfläche des extrem hitze- und säureliebenden Mikroorganismus Metallosphaera sedula, der mit wolframhaltigen Verbindungen gezüchtet wurde (Abb. 1, 2). Dieser Mikroorganismus ist es auch, der in künftigen Studien in Weltraumumgebungen auf seine Überlebensfähigkeit bei interstellaren Reisen untersucht wird. Wolfram könnte dabei ein wesentlicher Faktor sein.

    Wolframpolyoxometallaten und mikrobielles Bioprocessing
    Analog zu mineralischen Zellen auf Eisensulfidbasis gelten künstliche Polyoxometallate (POMs) als anorganische Zellen, die chemische Prozesse im Vorfeld erleichtern und "lebensechte" Eigenschaften aufweisen. Die Relevanz von POMs für lebenserhaltende Prozesse, etwa bei mikrobieller Atmung, wurde bislang noch nicht untersucht. "Am Beispiel Metallosphaera sedula, das in heißer Säure gedeiht und durch Metalloxidation atmet, haben wir untersucht, ob komplexe anorganische Systeme, die auf Wolfram-POM-Clustern basieren, das Wachstum von M. sedula aufrechterhalten und die Zellproliferation und -teilung bewirken können", so Milojevic. Die WissenschafterInnen konnten zeigen, dass die Verwendung von anorganischen POM-Clustern auf Wolframbasis den Einbau von heterogenen Wolfram-Redox-Spezies in mikrobielle Zellen ermöglicht. Die metallorganischen Ablagerungen an der Grenzfläche zwischen M. sedula und W-POM wurden in fruchtbarer Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Zentrum für Elektronenmikroskopie und Nanoanalyse (FELMI-ZFE, Graz) im Nanometerbereich aufgelöst. "Unsere Ergebnisse ergänzen die wachsenden Aufzeichnungen über biomineralisierte mikrobielle Arten, die unter denen Archaeen selten vertreten sind, um die mit Wolfram verkrustete M. sedula", so Milojevic. Die von der extrem thermoazidophilen M. sedula durchgeführte Biotransformation des Wolframminerals Scheelit führt zum Bruch der Scheelitstruktur, anschließender Solubilisierung von Wolfram und der Wolframbiomineralisierung der Zelloberfläche von M. sedula (Abb. 3). Die in der Studie beschriebenen biogenen wolframcarbidähnlichen Nanostrukturen stellen ein potenziell nachhaltiges Nanomaterial dar, das durch das umweltfreundliche mikrobiell unterstützte Design erhalten wird.

    Wolframrüstung im Weltraum
    "Unsere Ergebnisse zeigen, dass M. sedula durch ein Überziehen mit wolframcarbidartigen Verbindungen eine wolframhaltige, mineralisierte Zelloberfläche bilden kann", erklärt Biochemikerin Milojevic. Diese mit Wolfram verkrustete Schicht, die sich um die Zellen von M. sedula bildet, könnte eine mikrobielle Strategie darstellen, um unter rauen Bedingungen, etwa während einer interplanetaren Reise, gute Überlebenschancen zu haben. Die Wolfram-Schicht dient dabei als wirksamer Strahlenschutz. "Die mikrobielle Wolframrüstung ermöglicht uns die Überlebensfähigkeit dieses Mikroorganismus unter Weltraumumgebungsbedingungen weiter zu untersuchen", so Milojevic abschließend.

    Publikation in "Frontiers in Microbiology"
    Milojevic T*, Albu M, Blazevic A, Gumerova N, Konrad L and Cyran N (2019) Nanoscale Tungsten-Microbial Interface of the Metal Immobilizing Thermoacidophilic Archaeon Metallosphaera sedula Cultivated With Tungsten Polyoxometalate. Front. Microbiol. 10:1267. doi: 10.3389/fmicb.2019.01267
    https://doi.org/10.3389/fmicb.2019.01267

    Blazevic A, Albu M, Mitsche S, Rittmann S, Habler G and Milojevic T* (2019) Biotransformation of scheelite CaWO4 by the extreme thermoacidophile Metallosphaera sedula: tungsten-microbial interface. Front. Microbiol. 10:1492. doi: 10.3389/fmicb.2019.01492
    https://doi.org/10.3389/fmicb.2019.01492


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Tetyana Milojevic
    Institut für Biophysikalische Chemie
    Universität Wien
    1090 - Wien, Althanstraße 14
    +43-1-4277-525 41
    tetyana.milojevic@univie.ac.at


    Originalpublikation:

    https://doi.org/10.3389/fmicb.2019.01267
    https://doi.org/10.3389/fmicb.2019.01492


    Bilder

    Wolframpolyoxometallate als lebenserhaltende anorganische Strukturen. Einzelzellen von M. sedula nach Kultivierung mit wolframhaltigem W-POM.
    Wolframpolyoxometallate als lebenserhaltende anorganische Strukturen. Einzelzellen von M. sedula nac ...
    © Tetyana Milojevic
    None

    Auf wolframhaltigem W-POM kultivierte Kolonien von M. sedula bestehen aus einzelnen Zellen, die durch extrazelluläre Extensionen verbunden sind.
    Auf wolframhaltigem W-POM kultivierte Kolonien von M. sedula bestehen aus einzelnen Zellen, die durc ...
    © Tetyana Milojevic
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Chemie, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).