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Studienband von Historikern der Universität Jena zur Erinnerungskultur veröffentlicht
Jena (29.01.04) Otto von Bismarck hat in den neuen Bundesländern seit der Wende eine regelrechte Renaissance erlebt. Wie es zu dieser Entwicklung in Thüringen kam und wo die historischen Wurzeln des Kultes um den "Eisernen Kanzler" liegen, haben Wissenschaftler der Universität Jena erforscht. Unter Leitung von Prof. Dr. Hans-Werner Hahn und PD Dr. Werner Greiling vom Historischen Institut liegen jetzt die Ergebnisse in Gestalt des Bandes "Bismarck in Thüringen" vor.
Das mit zahlreichen zeitgenössischen Illustrationen versehene Buch, das im Hain Verlag Weimar erschienen ist, enthält zehn Studien - darunter vier aus studentischer Feder - zum Gründer und Kanzler des Deutschen Reiches von 1871. Sie thematisieren zum einen die historisch-politische Präsenz Otto von Bismarcks in Thüringen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der Band fragt aber auch nach den Auswirkungen der Bismarckschen Politik auf die thüringische Staatenwelt, insbesondere während und nach der Reichsgründung von 1871. Er behandelt außerdem Aspekte seiner persönlichen Kontakte zu Thüringen einschließlich der Aufenthalte in thüringischen Städten. Das Schwergewicht des Bandes liegt jedoch auf dem breiten Spektrum der Denkmals- und Erinnerungskultur, die sich in Thüringen mit dem Namen Otto von Bismarcks verbindet und seit dessen 80. Geburtstag im Jahre 1895 in einem regelrechten Bismarck-Kult gipfelte. Das wird u. a. sichtbar in den mehr als 50 Ehrenbürgerschaften, die thüringische Städte an Bismarck verliehen - Vorreiter war hier Jena im Jahr 1894. Weitere Zeichen sind der Bau und die Weihe von Bismarcktürmen und -säulen. Um 1900 wurden in Thüringen immerhin 26 Bismarcktürme gebaut, ein weiterer erhielt durch Umbenennung diesen Namen. Außerdem wurden zahlreiche Bismarckbüsten und -denkmäler aufgestellt sowie Straßen, Plätze und Gebäude nach dem Eisernen Kanzler benannt. Die Jenaer Historiker fragen aber auch danach, wie sich die unterschiedlichen politischen Systeme vom späten Kaiserreich über die Weimarer Republik, den Nationalsozialismus, die DDR bis hin zum neu vereinten Deutschland zu dem um 1900 entstandenen Bismarck-Kult verhielten.
Prof. Hahn und seine Mitarbeiter verfolgen damit mehrere Ziele. "Es geht zum einen um eine Analyse des Umgangs, den man in Thüringen zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen politischen Systemen mit Bismarck pflegte", erläutert der Lehrstuhlinhaber für Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. "Zum zweiten soll ein Beitrag zur Versachlichung der aktuellen Debatten geleistet und den lokalen Initiativen Diskussionsangebote geliefert werden", ergänzt Dr. Greiling.
Der Band versteht sich außerdem als Beitrag zur Untersuchung deutscher Erinnerungskulturen. Dieses Thema ist in den letzten Jahren auf nationaler Ebene immer weiter in den Mittelpunkt historischer Forschung gerückt. "Allerdings bedarf die Problematik auch einer gründlichen Fundierung durch die föderale, regionale und lokale Perspektive", sagt Greiling. Hierzu sei Thüringen mit seiner lange Zeit kleinstaatlichen Struktur in besonderem Maße geeignet. "Denn obwohl das föderale Fundament der Nation und die engen Wechselwirkungen zwischen lokalen und regionalen Identitäten einerseits und nationalen Identitätsprozessen andererseits in der neueren Nationalismusforschung eine immer wichtigere Rolle spielen", so der Jenaer Historiker, "geraten die lokale und regionale Perspektive bei der Erforschung der Erinnerungskultur bislang noch viel zu wenig in den Blick". Dieses Defizit der deutschen Erinnerungskultur sollte zügig abgebaut werden. Die Beschäftigung mit dem "Eisernen Kanzler" ist ein wichtiger Beitrag dazu.
Bibliographische Angaben:
Werner Greiling/Hans-Werner Hahn (Hg.): Bismarck in Thüringen. Politik und Erinnerungskultur in kleinstaatlicher Perspektive (Beiträge zur Geschichte und Stadtkultur, Bd. 10), Hain Verlag, Weimar/Jena 2003, 264 S. und zahlreiche Abbildungen, 15,30 Euro.
Kontakt:
Prof. Dr. Hans-Werner Hahn
Historisches Institut der Universität Jena
Fürstengraben 13, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 944430
Fax: 03641 / 944432
E-Mail: Hawe.Hahn@uni-jena.de
Das neue Buch der Jenaer Historiker.
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Geschichte / Archäologie, Politik, Recht
überregional
Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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