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25.10.2020 15:40

Werden unsere "Waffen" gegen Keime und Pilze schneller wirkungslos? - Studie der Freien Universität und der ETH Zürich

Carsten Wette Stabsstelle für Presse und Kommunikation
Freie Universität Berlin

    Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Freien Universität Berlin und der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) haben untersucht, wie schnell Resistenzen nach Einführung eines neuen antibiotischen Wirkstoffs oder eines Fungizids auftreten. Prof. Dr. Jens Rolff, Evolutionsbiologe an der Freien Universität Berlin und Mitautor der Studie, hält den Befund für potenziell alarmierend: Die Forschungsergebnisse legen nahe, dass Medikamente gegen bakterielle Infektionen oder Pilzerkrankungen in vielen Fällen immer schneller ihre Wirkung verlören.

    Die evolutionsbiologischen Grundlagen und Ursachen für diese Entwicklung müssten dringend wissenschaftlich ergründet werden mit dem Ziel, gesundheitspolitische Gegenmaßnahmen oder neue Wirkstoffe zu entwickeln. Bereits jetzt sterben Statistiken zufolge EU-weit mehrere zehntausend Menschen jährlich an Infektionen mit antibiotikaresistenten Keimen. Die Ergebnisse der Studie wurden in der renommierten Fachzeitschrift „PLoS Pathogens“ publiziert.

    Vor 80 Jahren wurden Antibiotika zum ersten Mal zur Bekämpfung von bakteriellen Krankheiten eingesetzt – damals eine medizinische Revolution. Allerdings verlieren die Wirkstoffe mit der Zeit ihre Wirkung, denn Bakterien können Resistenzen gegen sie evolvieren. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben dieses Phänomen bereits eingehend untersucht. Das Forschungsteam der Freien Universität und der ETH Zürich hat nun die These überprüft, ob die Zeitspanne zwischen der Einführung eines neuen Antibiotikums und dem Auftreten erster resistenter Keime zusehends kürzer wird. Dafür analysierten sie bisherige Übersichtsstudien und gesundheitspolitische Publikationen. Die Gruppe um Prof. Dr. Jens Rolff bestätigt diese These, kritisiert aber zugleich die oftmals unzureichende Datengrundlage der bisherigen Übersichtsarbeiten. Sie sei sehr unübersichtlich und im Fall der Antibiotika wenig belastbar. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nahmen auch Fungizide in den Blick, also Wirkstoffe, die Pilze und deren Sporen abtöten. Hier ergebe sich ein ähnliches Bild: Pilze entwickelten immer schneller Resistenzen gegen neu eingeführte Fungizide, aber hier sind die Daten wesentlich besser belastbar.

    „Daher ist es umso wichtiger, die Evolution von Resistenzen gegen Antibiotika und Fungizide besser zu verstehen“, betont Autor Christopher Witzany. Als Grund werde häufig der zunehmende Einsatz dieser Mittel genannt. Dies erscheine allerdings in Hinblick auf Antibiotika-Resistenzen eher unwahrscheinlich, denn die neuesten Wirkstoffe würden als sogenannte Reserveantibiotika erstmal nur sehr spärlich verschrieben. Also nur dann, wenn kein anderes Antibiotikum mehr helfe, unterstrich der Wissenschaftler.
    Eine mögliche Erklärung des Trends, dass Resistenzen immer rascher aufzutreten scheinen, könnte in der intensivierten Forschung und besseren Dokumentation von Infektionen mit resistenten Keimen liegen, wie das Forschungsteam weiter herausstellt. Träfe dies zu, so wäre das das „best-case scenario“. Es gibt aber auch weitere Vermutungen aus der Evolutionsbiologie: Viele neuere Antibiotika und Fungizide beruhten auf früheren Wirkstoffen oder oftmals auch auf in der Natur vorkommenden Substanzen. Bestünde also gegen ein älteres Antibiotikum eine Resistenz, so wäre der Schritt zur nächsten Resistenzmutation vereinfacht, erklärt Biologe Jens Rolff. Darüber hinaus könnten auch andere Umweltfaktoren die Bildung von Antibiotika-Resistenzen beeinflussen, etwa Schwermetalle.

    Publikation
    • Christopher Witzany, Sebastian Bonhoeffer, Jens Rolff: “Is antimicrobial resistance evolution accelerating?”; PLOS PATHOGENS 16(10)
    https://journals.plos.org/plospathogens/article?id=10.1371/journal.ppat.1008905

    Weitere Informationen
    https://doi.org/10.1371/journal.ppat.1008905


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Kontakt
    Prof. Dr. Jens Rolff, Institut für Biologie – Zoologie der Freien Universität Berlin, E-Mail: jens.rolff@fu-berlin.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medien- und Kommunikationswissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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