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Wissenschaft
Entwicklung von Standards und Evaluation in zwölf teilnehmenden Krankenhäusern / Langfristiges Ziel: Zugang zu Muttermilch für jedes Frühgeborene unter 1.500 Gramm ab dem ersten Lebenstag
Unter der Konsortialführung des Instituts für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR) der Universität zu Köln startet zum 1. Januar 2021 das Projekt NEO-MILK, geleitet von Dr. Nadine Scholten. Die Interventionsstudie, eine experimentelle, kontrollierte Studie, soll den Effekt der Versorgung von Frühgeborenen mit Muttermilch möglichst genau messen. Sie wird für vier Jahre mit insgesamt ca. 4,7 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds der Bundesregierung gefördert. Neben einer Vielzahl an wissenschaftlichen und klinischen Kooperationspartnern sind auch Krankenkassen an dem Projekt beteiligt.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden unter anderem 2.700 Mütter von Frühgeborenen auf neonatologischen Intensivstationen nach ihren Erfahrungen und Bedürfnissen befragen. In der Folge soll ein Stillförderungskonzept entwickelt werden. Das Projekt sieht des Weiteren Schulungen der Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte vor sowie die Entwicklung einer App für Mütter von Frühgeborenen. Die Schulungen und die App-Entwicklung erfolgen unter Berücksichtigung sozialpsychologischer und verhaltensökonomischer Aspekte der Wissensvermittlung. Außerdem werden rechtliche Aspekte untersucht und bewertet, um Rahmenbedingungen für zukünftige Muttermilchbanken zu schaffen.
Nach den Vorarbeiten werden ab 2022 das Stillförderungskonzept und die Muttermilchbanken an zwölf beteiligten Perinatalzentren starten. Zwei Jahre lang wird der Einsatz des Versorgungskonzeptes wissenschaftlich beobachtet und begleitend evaluiert.
Zum einen erheben die Forscherinnen und Forscher – unter Berücksichtigung des Datenschutzes – Daten über den Anteil der Kinder, die bei der Entlassung mit Muttermilch ernährt werden. Zum anderen analysieren sie das Spende- und Stillverhalten der Mütter sowie die Nutzung der Muttermilchbank, um zu beurteilen, welchen Beitrag beides zur Verbesserung der Versorgung leisten kann. Darüber hinaus erfolgt eine gesundheitsökonomische Evaluation.
In Deutschland kommen jedes Jahr ca. 10.500 Frühgeborene mit weniger als 1.500 Gramm Geburtsgewicht zur Welt. Sie sind in besonderem Maße von Komplikationen betroffen, die zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder zum Tod führen können. Stillförderung ist ein Schlüsselelement, um Frühgeborene bestmöglich zu versorgen, denn es ist unbestritten, dass Muttermilch die beste Ernährung von Neugeborenen ist.
Sie ist gerade für frühgeborene Kinder essenziell, zum einen für die Verhinderung vital bedrohlicher Infektionen wie beispielsweise die nekrotisierende Enterokolitis (NEC), eine häufig akute Erkrankung des Magen-Darm-Traktes. Zum anderen ist sie für die Prägung des Immunsystems und die kognitive Entwicklung entscheidend. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt deshalb bereits seit über 15 Jahren die ausschließliche Ernährung mit Muttermilch. Durch verfügbare Muttermilch könnten Komplikationen verringert, die Entwicklung der Kinder gefördert und die Versorgungskosten reduziert werden.
Muttermilchbanken existieren weltweit seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Während die DDR an dem Konzept der Humanmilchbanken festhielt, wurden sie in Westdeutschland im Laufe der Jahrzehnte abgeschafft. Neben vielen Faktoren war eine Ursache dafür das Aufkommen der industriell gefertigten Formula-Nahrung.
Auch wenn sich wieder ein Trend in Richtung der Muttermilch abzeichnet: Aktuell findet in Deutschland weder eine strukturierte Stillförderung statt, noch ist für Frühgeborene der Zugang zu Muttermilch in der Breite gewährleistet. So sind momentan etwa 30 Muttermilchbanken in Betrieb, es existieren jedoch alleine mehr als 200 Perinatalzentren (Level 1), in denen Früh- und Neugeborene versorgt werden.
Nach Projektende bewertet die Förderinstitution die Ergebnisse und entscheidet auf Basis der erarbeiteten rechtlichen und strukturellen Grundlagen über die bundesweite Etablierung von Muttermilchbanken. Durch eine strukturierte Stillförderung könnte die Versorgung Frühgeborener in der Breite deutlich verbessert werden.
Beteiligte Projektpartner
Universitäten:
Bielefeld: Exzellenzcluster Kognitive Interaktionstechnologie (CITEC);
Bonn: Uniklinik (Neonatologie); Institut für Patientensicherheit (IfPS)
Düsseldorf: Lehrstuhl für deutsches, europäisches und internationales Privat- und Verfahrensrecht
Köln: IMVR (Konsortialführung); Uniklinik (Neonatologie); Institut für Medizinische Statistik und Bioinformatik (IMSB); Behavioral Management Science
Mainz: Universitätsmedizin (Neonatologie)
Wuppertal: Lehrstuhl für Versorgungsforschung und Gesundheits-ökonomische Evaluation
TAKEPART Media + Science GmbH, Köln
Frauenmilchbank-Initiative e.V. (FMBI), Hamburg
Krankenkassen:
AOK Rheinland/Hamburg, DAK Gesundheit, TK, pronova BKK
Advisory Board:
Nationale Stillkommission (NSK), Deutscher Hebammenverband e.V.,
Bundesverband „Das frühgeborene Kind“ e.V., Deutsche Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM)
Dr. Nadine Scholten
Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft der Humanwissenschaftlichen Fakultät und der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln (IMVR)
Eupener Str. 129, 50933 Köln
nadine.scholten@uk-koeln.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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