idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
25.03.2021 10:16

Wie der IKEA-Effekt Aktienverluste verhindert

Peter Kuntz Kommunikation & Marketing
Universität Trier

    Was man selbst geschaffen hat, ist einem lieb und teuer. Das gilt auch für Aktiengeschäfte, haben Wirtschaftswissenschaftler herausgefunden.

    Aktien sollte man nicht verkaufen, wenn ihre Werte einen Tiefstand erreicht haben. Geraten die Kurse in heftige Turbulenzen, vergessen viele Anleger diese Binsenweisheit und stoßen ihre Anteile trotz finanzieller Verluste ab. Panikverkäufe sind aber nicht nur für die Investoren, sondern auch für den gesamten Aktienmarkt schädlich. Prof. Dr. Marc Oliver Rieger von der Universität Trier und seine Co-Autoren von der Universität LUISS Guido Carli in Rom und der Commerzbank Luxemburg schlagen daher auf der Basis des sogenannten IKEA-Effekts ein Verfahren vor, das die Bereitschaft steigert, in Krisenzeiten an Aktienpaketen festzuhalten und Panikverkäufe zu reduzieren.

    Irrationale Verkäufe zu verhindern, ist in mehrfacher Hinsicht erstrebenswert. Für Aktienbesitzer sind sie meist mit Verlusten verbunden, weil der Verkaufserlös unter dem Kaufpreis liegt. Außerdem zeigen Studien, dass geschädigte Anleger vor einem neuerlichen Aktien-Investment ganz zurückschrecken oder nur noch geringere Summen einsetzen. Damit berauben sie sich gerade in Niedrigzins-Phasen einer Strategie des Vermögensaufbaus sowie der Altersvorsorge. Dieses Verhalten schwächt den Aktienhandel, weil die Gruppe der Geschädigten als Anleger verloren geht. Darüber hinaus beschleunigen gehäufte Panikverkäufe in Krisenzeiten die Abwärtsspirale der Kurse.

    Trotz der vielfach schädlichen Auswirkungen von Panikverkäufen wurden bislang lediglich Strategien entworfen, um Verluste im Fall eines Börsencrashs zu reduzieren. Wirksame Methoden zur Vermeidung oder Minimierung von Panikverkäufen lagen bislang nicht vor.
    Hier setzen Professor Marc Oliver Rieger und seine Kollegen an. Sie nutzen einen psychologischen Effekt als Anreiz, in einer Krise an Aktien festzuhalten. Menschen messen Dingen einen höheren Wert bei und bauen eine engere Bindung zu ihnen auf, wenn sie diese selbst hergestellt oder daran mitgearbeitet haben. Beispielsweise trennt man sich schwerer von einem Möbelstück, das man selbst zusammengebaut hat.

    Die Wirtschaftswissenschaftler fanden in einem Experiment mit 219 Teilnehmern diesen IKEA-Effekt im Umgang mit Aktien bestätigt. Anleger, die ihr Portfolio eigenverantwortlich zusammenstellen durften, waren widerstandsfähiger gegen Panikverkäufe und hielten bei einem simulierten Kurseinbruch häufiger daran fest.

    In dem Experiment sollte etwa die Hälfte der Teilnehmer ein eigenes Aktienportfolio aus vier von acht Regionen weltweit für eine langfristige Investition zusammenstellen. Die zweite Teilnehmergruppe hatte keine Wahlmöglichkeiten und musste sich auf ein von Finanzberatern konfiguriertes Portfolio verlassen.

    Im nächsten Schritt wurden die Teilnehmer mit einem Börsencrash konfrontiert und ihr Verhalten unter Berücksichtigung weiterer Variablen wie Geschlecht, Börsenerfahrung oder Wirtschaftskenntnissen ausgewertet. Signifikante Unterschiede im Hinblick auf Panikverkäufe zeigten sich insbesondere zwischen den eigenverantwortlichen Portfolio-Gestaltern und den Teilnehmern, die sich auf Anlageberater verlassen mussten.

    „Gewöhnlich wird dazu geraten, die Wahl eines Aktienportfolios einem Experten zu übertragen. Die Ergebnisse unseres Experiments zeigen aber, dass es sich lohnen kann, Geldanlagen selbst zusammenzustellen. Wichtig ist natürlich, wie man das macht: Alles Geld auf eine einzelne Aktie zu setzen, bleibt eine schlechte Idee, denn das ist einfach zu riskant“, fasst der Experte für Bank- und Finanzwirtschaft, Marc Oliver Rieger, eine Schlussfolgerung aus der Studie zusammen.

    Die Studie
    Amin Zokaei Ashtiani, Marc Oliver Rieger, David Stutz: „Nudging against panic selling: Making use of the IKEA effect”. Journal of Behavioral and Experimental Finance 2021. Die Studie ist als Journal-Pre-Proof veröffentlicht: https://authors.elsevier.com/sd/article/S2214-6350(21)00046-0

    Die Studie ist hier online abrufbar: http://www.uni-trier.de/forschung/finance-and-risk/working-papers


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Kontakt
    Prof. Dr. Marc Oliver Rieger
    Betriebswirtschaftslehre/Bank- und Finanzwirtschaft
    Tel. +49 651 201 2721
    Mail: mrieger@uni-trier.de
    www.banking-finance.uni-trier.de


    Originalpublikation:

    http://www.uni-trier.de/forschung/finance-and-risk/working-papers
    https://authors.elsevier.com/sd/article/S2214-6350(21)00046-0


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).