idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
10.05.2021 10:45

Universelle Gleichung für explosive Phänomene

Stefanie Reiffert Corporate Communications Center
Technische Universität München

    Der Klimawandel, eine Pandemie oder die koordinierte Aktivität von Neuronen im Gehirn: Ab einem gewissen Punkt findet bei all diesen Beispielen ein Übergang des Grundzustandes in einen neuen Zustand statt. Forscher der Technischen Universität München (TUM) haben an solchen sogenannten Kipppunkten eine universelle mathematische Struktur entdeckt. Sie bildet die Grundlage für ein besseres Verständnis für das Verhalten von vernetzten Systemen.

    Es ist eine essentielle Frage für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aller Fachdisziplinen: Wie können die Veränderungen in einem vernetzten System vorhergesagt und beeinflusst werden? „In der Biologie ist ein Beispiel die Modellierung von Neuronen, die sich koordinieren können“, erklärt Christian Kühn, Professor für Mehrskaligkeit und stochastische Dynamik an der TUM. Aber auch in anderen Disziplinen werden solche Modelle untersucht, etwa für die Ausbreitung einer Krankheit oder den Klimawandel.

    Alle sogenannten kritischen Veränderungen von vernetzten Systemen haben dabei eins gemeinsam: einen Kipppunkt, an dem sich das System vom Grundzustand wegbewegt und zu einem neuen Zustand übergeht. Dabei kann es sich um einen weichen, leicht umkehrbaren oder einen harten, schwer umkehrbaren Übergang handeln, an dem sich der Systemzustand sprunghaft oder „explosiv“ ändern kann. Auch im Klimawandel sind solche Übergänge bekannt, etwa für das Schmelzen des Polareises. Die Übergänge werden dabei in vielen Fällen durch die Variation eines Parameters hervorgerufen, wie im Fall des Klimawandels durch ein Ansteigen der Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre.

    Ähnliche Strukturen in vielen Modellen

    Ein harter Kipppunkt hätte in einigen Fällen – wie dem Klimawandel – sehr negative Auswirkungen, in anderen Systemen wäre er wünschenswert. In mathematischen Modellen haben Forscherinnen und Forscher daher versucht, durch die Einführung neuer Parameter oder Bedingungen die Art des Übergangs zu beeinflussen. „Man variiert zum Beispiel noch einen zweiten Parameter, etwa, dass in einer Pandemie die Personen ihr Verhalten anpassen. Oder dass sich ein Input in ein neuronales System ändert“, sagt Kühn. „In diesen Beispielen und vielen anderen Fällen hat man gesehen, dass sich der Übergang von hart nach weich oder umgekehrt verändern kann.“

    Kühn und Dr. Christian Bick von der Vrije Universiteit Amsterdam untersuchten die Modelle aus verschiedenen Disziplinen, die bereits erstellt wurden, um bestimmte Systeme zu verstehen. „Wir haben uns gewundert, dass sehr viele mathematische Strukturen, die den Kipppunkt betreffen, in den Modellen ähnlich ausgesehen haben“, erklärt Bick. „Indem wir das Problem auf die einfachste mögliche Gleichung reduzierten, konnten wir einen universellen Mechanismus erkennen, der über die Art des Kipppunktes entscheidet und für möglichst viele der Beispielmodelle gilt.“

    Universelles mathematisches Werkzeug

    Damit haben die Wissenschaftler einen neuen Kernmechanismus mathematisch beschrieben, der es ermöglicht zu berechnen, ob es in einem vernetzten System einen weichen oder harten Kipppunkt geben wird. „Wir stellen ein mathematisches Werkzeug bereit, das universell, also sowohl in der theoretischen Physik, in Klimawissenschaften als auch in der Neurobiologie und anderen Disziplinen angewandt werden kann und unabhängig vom speziellen Anwendungsfall funktioniert“, sagt Kühn.

    ---

    Mehr Informationen:
    Dr. Christian Bick ist Hans Fischer Fellow am Institute for Advanced Study (IAS) der TUM. Das IAS bringt die besten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der TUM mit herausragenden Gästen in interdisziplinären Fokusgruppen für besonders kreative und wagemutige Projekte zusammen. Bick ist außerdem Honorary Senior Lecturer an der University of Exeter und OCIAM Visiting Research Fellow an der University of Oxford.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Christian Kühn
    Technische Universität München
    Professur für Multiskalen- und Stochastische Dynamik
    christian.kuehn(at)tum.de


    Originalpublikation:

    Christian Kühn, Christian Bick: A universal route to explosive phenomena, Science Advances, 16 Apr 2021: Vol. 7, no. 16
    https://doi.org/10.1126/sciadv.abe3824


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Mathematik
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).