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05.11.2021 09:47

Wie man die Melodien von Tierlauten entschlüsseln kann

Alexandra Frey Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien

    Evolution bedingte Gemeinsamkeiten tierischer Lautäußerungen und menschlicher Sprachen

    Bei genauem Hinhören weisen die Melodien von menschlichen Sprachen und von Tiervokalisationen viele Ähnlichkeiten auf. Ob gleiche Muster in diesen Tonfolgen von Menschen und Tieren auch ähnlich wahrgenommen werden, ist jedoch noch weitgehend ungeklärt. Wissenschaftler*innen der Universität Wien stellten nun eine neue Methode vor, um die Bedeutung melodischer Muster in Tiervokalisationen zu entschlüsseln: den Vergleich tierischer Lautäußerungen mit menschlichen Sprachen. Ihre Erkenntnisse veröffentlichten die Forschenden im Fachjournal Philosophical Transactions of the Royal Society B.

    Hundebellen, Vogelzwitschern und menschliche Sprachen wirken beim ersten Hinhören sehr unterschiedlich. Wenn man diese Vokalisationen genauer analysiert, finden sich jedoch viele Gemeinsamkeiten: So sind zum Beispiel fast alle menschlichen Sprachen und Vokalisationen von Landwirbeltieren durch Pausen sowie Variationen in der Tonlänge und Tonhöhe strukturiert. Nur die genauen Ausprägungen dieser Eigenschaften, etwa die Betonungsmuster einzelner Phrasen, unterscheiden sich zwischen den verschiedenen menschlichen Sprachen und Tiervokalisationen. Theresa Matzinger und Tecumseh Fitch vom Institut für Anglistik und dem Department für Verhaltens- und Kognitionsbiologie der Universität Wien nahmen die Melodien unterschiedlicher Sprachen und von Vokalisation von Landwirbeltieren in einem Review-Artikel genauer unter die Lupe.

    Ähnlichkeiten in Melodien von Sprachen und Tiervokalisationen sind evolutionär bedingt

    Die Gemeinsamkeiten zwischen den Melodien verschiedener Sprachen und der Lautproduktion von Tieren lässt sich durch die Evolution von Menschen und anderen Landwirbeltieren erklären, die über lange Zeit hinweg parallel verlief. Dadurch gleichen sich ihr Vokaltrakt und die Gehirnstrukturen, die für die Lauterzeugung verantwortlich sind. Unterschiede entstanden als individuelle Anpassungen verschiedener Gruppen an die jeweiligen Umweltbedingungen. Dass diese Adaptionen flexibel sind, zeigte sich auch zu Beginn der Covid-19 Pandemie – als Anpassung an das reduzierte Verkehrsaufkommen sangen Vögel tiefer und leiser.

    Untersuchung der Wahrnehmung von sprachübergreifenden Strukturen bei Tieren vielversprechend

    "Wie Landwirbeltiere Laute produzieren und wie ihre Vokalisationen aufgebaut sind, wurde schon häufig untersucht. Daten dazu, wie Tiere die Melodien in ihren Vokalisationen wahrnehmen und interpretieren, gibt es jedoch kaum", stellt Matzinger fest, die derzeit als Gastwissenschaftlerin an der Universität Toruń (Polen) forscht. Doch wie können Wissenschaftler*innen am besten damit beginnen, die Bedeutung der melodischen Muster in Tiervokalisationen zu entschlüsseln? "Als vielversprechende Kandidaten für die Untersuchung der Bedeutung von melodischen Mustern erweisen sich jene melodischen Eigenschaften, die in allen menschlichen Sprachen vorkommen und dort ähnlich interpretiert werden", erklärt Matzinger. So werden zum Beispiel lang ausgesprochene Silben von Menschen unabhängig von ihrer Muttersprache als Satz- oder Phrasengrenzen aufgefasst. Aufgrund dieser ähnlichen Funktion von verlängerten Silben über alle Sprachen hinweg ist es wahrscheinlich, dass nicht nur für die Produktion, sondern auch für die Wahrnehmung von melodischen Mustern sehr grundlegende physiologische und kognitive Prozesse verantwortlich sind. Ihre gemeinsame Evolution macht es wahrscheinlich, dass verlängerte Silben auch von anderen Landwirbeltieren als Grenzen zwischen Phrasen interpretiert werden. Dies experimentell zu testen ist der nächste wichtige Schritt in der Entschlüsselung der Bedeutung von Melodien in Tiervokalisationen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Mag. Theresa Matzinger MSc.
    Institut für Anglistik und Amerikanistik & Department für Kognitionsbiologie
    1090 - Wien, Spitalgasse 2-4, Hof 6
    +43-680-240-46-91
    theresa.matzinger@univie.ac.at

    Univ.-Prof. W. Tecumseh Fitch
    Department für Kognitionsbiologie
    Universität Wien
    1090 - Vienna, Althanstraße 14
    +43-1-4277-761 11
    tecumseh.fitch@univie.ac.at


    Originalpublikation:

    https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rstb.2020.0393


    Weitere Informationen:

    https://medienportal.univie.ac.at/presse/aktuelle-pressemeldungen/detailansicht/...


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Sprache / Literatur
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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