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29.06.2022 10:58

Neue App unterstützt syrische Geflüchtete im Umgang mit posttraumatischem Stress

Medizinische Fakultät Anne Grimm Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Wissenschaftler:innen der Universität Leipzig haben in Zusammenarbeit mit syrischen Geflüchteten und einer Agentur für E-Mental-Health-Angebote, eine App zur Unterstützung im Umgang mit posttraumatischem Stress und verwandten psychischen Belastungen entwickelt sowie wissenschaftlich überprüft. Nun wurde die App „Sanadak“ in arabischer sowie deutscher Sprache veröffentlicht und steht Nutzer:innen kostenfrei zur Verfügung.

    „Damit bieten wir ein niedrigschwelliges Soforthilfe-Programm an, das Wissen und Orientierung bei psychischen Gesundheitsfolgen von Flucht liefert und auf interaktive Weise einfache, alltagsorientierte Schritte zur Bewältigung von posttraumatischem Stress vermittelt“, erklärt Prof. Dr. Steffi Riedel-Heller, Direktorin am Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP) der Medizinischen Fakultät.

    Flucht vor Krieg und Konflikten hat häufig Folgen für die psychische Gesundheit. Gleichzeitig sind kultur- und sprachsensitive Behandlungsmöglichkeiten in Aufnahmeländern oft knapp und mit langen Wartezeiten verbunden. „Außerdem werden therapeutische Angebote aus Angst und aufgrund von Vorurteilen gegenüber psychischen Erkrankungen häufig gar nicht erst aufgesucht. Mit der App wollen wir helfen, eine Versorgungslücke zu füllen, Stigmatisierungen gegenüber psychischen Erkrankungen abzubauen und somit Hürden für eine Therapieaufnahme zu senken“, sagt Dr. Susanne Röhr, Projektkoordinatorin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am ISAP.

    Die Wirksamkeit der App wurde mit einer randomisierten Kontrollstudie an der Medizinischen Fakultät überprüft. Von insgesamt 133 syrischen Geflüchteten im Alter zwischen 18 und 65 Jahren aus Leipzig, Dresden und Halle/Saale, testete die Hälfte der Teilnehmenden die App über einen Zeitraum von vier Wochen, während die andere Hälfte im Rahmen einer aktiven Kontrollbedingung eine umfangreiche psychoedukative Broschüre zu posttraumatischem Stress und Bewältigungsstrategien erhielt.

    Nachhaltiger Rückgang von depressiven Symptomen und Angst

    In Befragungen direkt nach der Testphase und erneut nach vier Monaten zeigte sich ein starker Rückgang der posttraumatischen Belastung, von depressiven Symptomen und des Angsterlebens in beiden Gruppen. Die App-Nutzer:innen empfanden ihre psychische Erkrankung zudem weniger als Stigmatisierung. Es traten keine unerwünschten Nebenwirkungen auf. „Aus unseren Studienergebnissen lässt sich schlussfolgern, dass Sanadak Vorurteile gegenüber psychischen Belastungen abbaut und als erste Hilfe sowie zur Überbrückung von Wartzeiten auf eine ambulante Therapie hilfreich sein kann“, erklärt Dr. Röhr.

    Der Bedarf ist hoch: Seit Ausbruch des Krieges in Syrien im Jahr 2011 sind laut Vereinten Nationen über sechs Millionen Menschen aus dem Land geflüchtet. Damit war Syrien bis 2021 das weltweit größte Herkunftsland von Geflüchteten. Nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge suchten in Deutschland bisher fast 900.000 Syrer Asyl. Wissenschaftliche Studien zeigten, dass rund drei Viertel der syrischen Geflüchteten in Deutschland vor, während oder nach der Flucht traumatische Ereignisse selbst erlebt haben oder mit ansehen mussten. In der Konsequenz hat mehr als jeder Zehnte eine posttraumatische Belastungsstörung, Depression oder Angststörungen.

    Um die tatsächlichen Bedürfnisse der Nutzer:innen zu kennen, wurden die Inhalte der App in enger Abstimmung mit syrischen Geflüchteten entwickelt. Es gibt eine arabischsprachige und eine deutschsprachige Version. Die App ist wie ein Baukasten-System aufgebaut: Zentrale Inhalte beschäftigen sich mit der Bewältigung von psychischen Belastungen oder dem Umgang mit Trauma-Auslösern auf Basis erprobter verhaltenstherapeutischer Techniken. Das Programm bietet darüber hinaus Hilfe bei der Suche nach sozialer Unterstützung und zeigt auch auf, welche Aktivitäten beim Entspannen helfen.

    Das Projekt wurde vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gefördert und wird mit der Veröffentlichung der App ehrenamtlich vom Anbieter frühlingsproduktionen weiter betreut.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. med. Steffi G. Riedel-Heller, MPH
    Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP), Medizinische Fakultät, Universität Leipzig
    Telefon: 0341 – 97 15408
    E-Mail: steffi.riedel-heller@medizin.uni-leipzig.de

    Dr. rer. med. habil. Susanne Röhr, M.Sc.
    Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP), Medizinische Fakultät, Universität Leipzig
    Telefon: 0064 – 0(27) – 3642659 (erreichbar zw. 8 und 10 Uhr werktags)
    E-Mail: susanne.roehr@medizin.uni-leipzig.de


    Originalpublikation:

    Röhr S, Jung FU, Pabst A, Grochtdreis T, Dams J, Nagl M, Renner A, Hoffmann R, König H, Kersting A, Riedel-Heller SG. A Self-Help App for Syrian Refugees With Posttraumatic Stress (Sanadak): Randomized Controlled Trial. JMIR Mhealth Uhealth 2021;9(1):e248076
    https://mhealth.jmir.org/2021/1/e24807/PDF


    Weitere Informationen:

    http://Sanadak: www.sanadak.de


    Bilder

    Die App gibt es in deutscher und arabischer Sprache.
    Die App gibt es in deutscher und arabischer Sprache.
    Screenshot
    Universität Leipzig

    Um die tatsächlichen Bedürfnisse der Nutzer:innen zu kennen, wurden die Inhalte der App in enger Abstimmung mit syrischen Geflüchteten entwickelt.
    Um die tatsächlichen Bedürfnisse der Nutzer:innen zu kennen, wurden die Inhalte der App in enger Abs ...
    Screenshot
    Universität Leipzig


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Gesellschaft, Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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