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Nach zwei großen Meteoriteneinschlägen auf dem Mars beobachteten Forschende erstmals außerhalb der Erde direkte seismische Wellen, die sich entlang der Oberfläche eines Planeten ausbreiteten / Veröffentlichung in „Science“
Daten zweier Meteoriteneinschläge auf dem Mars, die von der NASA-Sonde InSight aufgezeichnet wurden, liefern neue Erkenntnisse über die Struktur der Marskruste. Bereits früher beobachteten die Forschenden viele Beben, deren Wellen sich vom jeweiligen Bebenherd durch den tiefen Mars hindurch ausbreiteten. Seither hofften sie auf ein Ereignis, das auch Wellen erzeugt, die entlang der Planetenoberfläche reisen. Am 24. Dezember 2021 war es so weit: Ein Meteoritenimpakt auf dem Mars in rund 3500 Kilometer Entfernung zu InSight hat einen über 100 km durchmessenden Krater erzeugt – und die ersehnten Oberflächenwellen. Auch bei einer zweiten Erschütterung konnten die Forschenden als Quelle einen Meteoriteneinschlag in knapp 7500 Kilometer Distanz zu InSight ausmachen. Eine Auswertung dieser beiden Ereignisse, an der Dr. Brigitte Knapmeyer-Endrun und Sebastian Carrasco vom Institut für Geologie und Meteorologie der Universität zu Köln beteiligt waren, ist jetzt in der Zeitschrift Science erschienen.
Die Oberflächenwellen sind für die Forschenden deshalb so wichtig, da sie Informationen über die Struktur der Marskruste liefern. Die Raumwellen, die bei den Beben durch das Innere des Planeten reisen, ermöglichten bisher zwar bereits Erkenntnisse über den Marskern, den Mantel und die Kruste. Bei der Kruste ist jedoch, wie auf der Erde, die größte Heterogenität zu erwarten, und die bisherigen Daten bezogen sich nur auf eine Stelle auf dem Planeten. „Bislang beruhte unser Wissen über die Marskruste auf nur einer Punktmessung unter dem InSight-Lander“, sagt Dr. Doyeon Kim, Oberassistent am ETH-Institut für Geophysik und Erstautor der Studie. Das Resultat der Analyse der Oberflächenwellen überraschte den Geophysiker: Zwischen den Einschlagsorten und dem Seismometer von InSight hat die Marskruste im Durchschnitt eine sehr einheitliche Struktur und eine hohe Dichte. Direkt unter der Sonde hingegen hatten die Forschenden zuvor drei Schichten der Kruste nachgewiesen und eine geringere Dichte gemessen. Insbesondere die oberflächennahe Schicht, die unter InSight etwa 10 km dick ist und sich durch niedrige seismische Geschwindigkeiten und geringe Dichte auszeichnet, ist in den neuen Daten nicht zu sehen.
Da die Einschläge sehr deutliche Krater hinterlassen haben, die man in Fotos aus dem Orbit sieht, ist dies das erste Mal, dass die Forschenden genau bestimmen können, dass die seismischen Daten der InSight-Sonde von weit entfernten Impakten stammen. Durch eine dichte Staffelung der Fotos in den Umlaufbahnen konnte zudem zeitlich gut eingegrenzt werden, wann die Krater entstanden sind. Dies passt genau zu den Zeitpunkten, an denen die seismischen Signale registriert wurden.
Außerhalb der Erde wurden in der Studie erstmals Einschläge mit verschiedenen Methoden (seismisch und fotografisch) nachgewiesen. Da es sich bei Meteoriteneinschlägen naturgemäß um Quellen an der Planetenoberfläche handelt, könnte dies erklären, warum bisher noch keine Oberflächenwellen beobachtet werden konnten - weil Quellen wie etwa die Marsbeben, die in größeren Tiefen stattfinden, die Oberfläche nicht so gut anregen. Zu wissen, welche Eigenschaften Signale von bestimmten Impakten haben, hilft den Forschenden, sie besser in den InSight-Daten zu erkennen, einzuordnen und für Modelle zu nutzen.
„Die neuen Erkenntnisse sind darum so interessant, weil die Kruste eines Planeten wichtige Hinweise auf die Entstehung und Entwicklung des Himmelskörpers gibt. Sie ist das Ergebnis von frühen dynamischen Vorgängen im Mantel und den nachfolgenden magmatischen Prozessen“, erklärt Dr. Brigitte Knapmeyer-Endrun. „Deshalb kann sie Aufschluss geben über die Bedingungen vor Milliarden von Jahren und die Geschichte der Einschläge, die in der Frühzeit des Planeten Mars besonders häufig waren.“
Die Geschwindigkeit, mit der sich die Oberflächenwellen ausbreiten, hängt von deren Frequenz ab. Misst man über verschiedene Frequenzen hinweg, wie sich die Geschwindigkeit in den seismischen Daten verändert, so kann man daraus schließen, wie sich die Geschwindigkeit in unterschiedlichen Tiefen verändert, denn niedrigere Frequenzen sind für größere Tiefen empfindlich. Daraus wiederum lässt sich die durchschnittliche Dichte des Gesteins abschätzen, weil die seismische Geschwindigkeit auch von den elastischen Eigenschaften des Materials abhängt, durch das die Wellen sich fortbewegen. So konnten die Forschenden die Struktur der Kruste in einer Tiefe von rund 5 bis 30 Kilometer unter der Marsoberfläche bestimmen.
Nun wollte das Team verstehen, warum die durchschnittliche Geschwindigkeit der beobachteten Oberflächenwellen beträchtlich höher war, als sie aufgrund der früheren Punktmessung unter der Marssonde InSight erwartet hätten. Liegt das am Oberflächengestein oder an anderen Mechanismen? Vulkanisches Gestein weist in der Regel höhere seismische Geschwindigkeiten auf, und die Wege zwischen den beiden Meteoriteneinschlägen und dem Messort führen durch eine der größten vulkanischen Regionen auf der nördlichen Hemisphäre des Mars.
Verschiedene Mechanismen – wie die Bildung von Oberflächenlava oder die Schließung von Porenräumen durch Erhitzung im Zusammenhang mit vulkanischen Prozessen – können die Geschwindigkeit der seismischen Wellen erhöhen. „Andererseits könnte die Krustenstruktur unter dem Landeplatz von InSight auf eine einzigartige Art entstanden sein, beispielsweise als bei einem großen Asteroideneinschlag vor über drei Milliarden Jahren Material ausgeworfen wurde. Dann ist die Krustenstruktur unter der Sonde wahrscheinlich nicht repräsentativ für die allgemeine Krustenstruktur auf dem Mars“, erklärt Kim.
Inhaltlicher Kontakt:
Dr. Brigitte Knapmeyer-Endrun
Institut für Geologie und Mineralogie
+49 221 470 7130
brigitte.knapmeyer-endrun@uni-koeln.de
Presse und Kommunikation:
Jan Voelkel
+49 221 470-2356
j.voelkel@verw.uni-koeln.de
Zur Publikation:
https://www.science.org/doi/10.1126/science.abq7157
Verantwortlich: Dr. Elisabeth Hoffmann – e.hoffmann@verw.uni-koeln.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Meer / Klima, Physik / Astronomie, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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