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Eine klinische Studie zeigt erste positive Ergebnisse von ketogenem Stoffwechsel bei Patient*innen mit Zystennieren / Vorstellung auf dem Kongress „Kidney Week“ der American Society of Nephrology
Eine Studie zeigt, dass Ketose – ein Zustand, in dem der Körper primär Nahrungsfette als Energielieferanten nutzt – positive Auswirkungen auf die Nierenfunktion von Menschen haben kann, die von der vererbbaren polyzystischen Nierenerkrankung betroffen sind. Die auch als ADPKD oder Zystennieren bekannte Krankheit ist die häufigste genetische Nierenerkrankung und verursacht circa 10 Prozent aller Fälle von Nierenversagen. An der Kölner Keto-ADPKD Studie nahmen 63 betroffene Patient*innen teil. Ziel der Studie war es, die Umsetzbarkeit, Wirksamkeit und Sicherheit von ketogener Diät als Therapie für Menschen mit ADPKD nachzuweisen. Die Ergebnisse der Studie wurden nun auf dem Kongress „Kidney Week“ der American Society of Nephrology vorgestellt.
Für die Studie wurden die Patient*innen in drei Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe ernährte sich drei Monate ketogen, also kohlenhydrat- und zuckerarm, aber fettreich. Die zweite Gruppe machte im Studienzeitraum jeden Monat drei Tage Wasserfasten, was ebenfalls zum ketogenen Stoffwechsel führt. Die dritte Kontrollgruppe richtete sich nach den gängigen Ernährungsempfehlungen, welche Ärzt*innen üblicherweise bei ADPKD geben: die Salzzufuhr verringern und mehr als 2-3 Liter pro Tag trinken. Das Ziel, die Machbarkeit der Ernährungsumstellung, wurde als Kombination aus einem Fragebogen und einem Stoffwechseltest, der die Ketose und damit die Umsetzung der Diät nachweisen kann (β-Hydroxybuttersäure im Blut, Aceton in der Atemluft), definiert. 91 Prozent der Patient*innen auf ketogener Ernährung und 89 Prozent in der Wasserfasten-Gruppe werteten die Ernährung im Fragebogen als machbar.
Eine Ketose ließ sich in der Messung bei 85 Prozent der Teilnehmer*innen während allen drei Phasen des Wasserfastens nachweisen, 78 Prozent der ketogenen Diätgruppe zeigten zu allen drei Messzeitpunkten während der Ernährung höhere Werte als vor Beginn.
Bereits nach drei Monaten zeigten sich bei wichtigen Parametern wie der Nierengröße und der Nierenfunktion positive Signale bezüglich ADPKD. Während die Nieren unter ketogener Ernährung kleiner wurden, nahmen sie in der Kontrollgruppe an Größe zu. Dieses Ergebnis erreichte jedoch knapp nicht den bei klinischen Studien üblichen statistischen Schwellenwert (p = 0,08). Anders war dies bei der Entwicklung der Nierenfunktion. „Bemerkenswert ist vor allem, dass sich bei Teilnehmer*innen unter ketogener Ernährung die Nierenfunktion während der Studie im Vergleich zur Kontrollgruppe statistisch signifikant positiver entwickelt hat. Das hatten wir in Anbetracht der mit drei Monaten eher kurzen Behandlungsdauer noch gar nicht in dieser Form erwartet“, sagt Professor Dr. Roman-Ulrich Müller, der Leiter der Studie. „Trotz dieser Erfolge genügen die Daten sicher noch nicht für eine allgemeine Empfehlung zu ketogener Ernährung bei ADPKD.“
Um die Ergebnisse zu bestätigen, benötigen Müller und sein Team eine Finanzierung für größere Studien an mehreren Zentren und mit längerer Beobachtung. Auch ist es aus Sicht der Forscher*innen wichtig, weitere Daten zur Sicherheit zu gewinnen. Hierbei sieht Müller insbesondere das potenzielle Risiko von Nierensteinen als wichtigen Aspekt an, denn zwei der Teilnehmer*innen in der Gruppe mit ketogener Diät zeigten während der Ernährung einen symptomatischen Nierenstein. Dies bedeute auch, dass eine ketogene Ernährung bei ADPKD in jedem Fall nur unter Beratung und Begleitung eines hierbei erfahrenen Nierenfacharztes durchgeführt werden sollte, der über dieses Risiko beraten, es einschätzen und gegebenenfalls vorbeugende Maßnahmen einleiten kann.
„Wir sind mit den Ergebnissen der Studie sehr zufrieden, weil sie Daten aus der Grundlagenforschung mit Mäusen bestätigen“, so Müller. Erst 2019 veröffentlichte der Kölner Alumnus Professor Dr. Thomas Weimbs, der nun an der University of California forscht, im Fachjournal Cell Metabolism den positiven Effekt der ketogenen Diät auf die Zystennieren-Erkrankung in Tiermodellen. Müller ergänzt: „Es ist außergewöhnlich, dass wir so zeitnah nun auch Daten aus einer klinischen Studie vorlegen können. Ganz entscheidend war hierbei die Unterstützung durch die Patient*innen, bei denen wir uns bedanken möchten.“ Gefördert wurde die Studie durch die amerikanische PKD Foundation, einer gemeinnützigen Organisation, die sich auf die Erforschung der polyzystischen Nierenerkrankung spezialisiert hat. Zusätzliche Unterstützung kam von der deutschen Marga und Walter Boll-Stiftung, die sich ebenfalls für die Forschung bei Nierenerkrankungen einsetzt.
Warum ist ein ketogener Stoffwechsel von Vorteil bei ADPKD?
Bei der polyzystischen Nierenerkrankung sind die Funktionseinheiten der Nieren betroffen, die Nephrone. Diese entwickeln Zysten – mit Wasser gefüllte Säcke – welche die Nierenfunktion erheblich einschränken können. Mehr als 50 Prozent der Betroffenen werden im Alter von 50 bis 60 Jahren ihre Nierenfunktion endgültig verloren haben, sodass eine Dialysebehandlung (Blutwäsche) oder eine Nierentransplantation zum Ersatz der Nierenfunktion notwendig werden. Ziel der Behandlung ist, die Nierenfunktion zu erhalten und das mit der Erkrankung verbundene Größenwachstum der Nieren, welches häufig Beschwerden verursacht, zu verhindern. Durch die Umstellung der Ernährung passt sich der Körper an und wechselt seinen Stoffwechsel von der Kohlenhydrat-/Zuckerverbrennung (Glykolyse) zur Ketose, der Verbrennung von Fetten. Im Tiermodell wurde zuvor gezeigt, dass der Stoffwechselzustand der Ketose wichtig ist, um das Fortschreiten der Zystennierenerkrankung zu hemmen, da die Zystenzellen sich nicht an den geänderten Stoffwechsel anpassen können.
Inhaltlicher Kontakt:
Professor Dr. Roman-Ulrich Müller
+49 221 478 30966
roman-ulrich.mueller@uk-koeln.de
Presse und Kommunikation:
Dr. Anna Euteneuer
+49 221 470 1700
a.euteneuer@verw.uni-koeln.de
Weitere Informationen:
Meldung zum Studienstart:
https://uni.koeln/YVJGL
Zur Klinischen Studie:
https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT04680780?cond=ADPKD&draw=2&rank=1
Verantwortlich: Dr. Elisabeth Hoffmann – e.hoffmann@verw.uni-koeln.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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