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25.11.2022 14:53

Erster Schülerwettbewerb zur Aufarbeitung der deutschen NS-Okkupation Griechenlands

Christine Xuan Müller Stabsstelle Presse und Kommunikation
Freie Universität Berlin

    Schulen aus Hamburg, Bayern, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg gewinnen Wettbewerb des Erinnerungsprojekts MOG an der Freien Universität Berlin

    Der Campus Marienthal in Hamburg, das Franz-Marc-Gymnasium Markt Schwaben, das Gymnasium Traben-Trarbach und die Waldorfschule Konstanz sind die Gewinner des ersten bundesweiten Schülerwettbewerbs „Challenge History – Remember Hellas“ zur Aufarbeitung der NS-Okkupation in Griechenland. Sie teilen sich gemeinsam das Preisgeld von insgesamt 10.000 Euro.

    Der Schülerwettbewerb war 2021 vom deutsch-griechischen Geschichts- und Bildungsprojekt „Erinnerungen an die Okkupation in Griechenland“ / „Memories of the Occupation in Greece“ (MOG), das an der Freien Universität Berlin angesiedelt ist, ausgeschrieben worden. An der feierlichen Preisverleihung am Freitag (25.11.) im Dokumentationszentrum Topografie des Terrors in Berlin nahmen neben den prämierten Schülerinnen und Schülern auch die Schirmherrin des Wettbewerbs und Botschafterin Griechenlands in Deutschland, I. E. Mara Marinaki, sowie Sylvia Groneick vom Kulturreferat des Auswärtigen Amtes teil.

    Unter dem Titel „Challenge History – Remember Hellas“ waren im Schuljahr 2021/2022 beim ersten Schülerwettbewerb zur deutschen NS-Okkupation bundesweit Schulen aufgerufen, sich mit diesem Kapitel deutscher und griechischer Geschichte auseinanderzusetzen. Eingereicht wurden unter anderem Kurzfilme, Erklärvideos, Podcasts und weitere Einzelprojekte. Die Schirmherrschaft hatte die Botschaft der Hellenischen Republik übernommen. Die griechische Botschafterin in Deutschland, Mara Marinaki würdigte die Initiative und betonte: „Schülerinnen und Schüler in Deutschland setzen sich aktiv mit der deutschen Besatzung in Griechenland während des Zweiten Weltkriegs auseinander und tragen zu den Bemühungen um die Entwicklung einer gemeinsamen Erinnerungskultur für jüngere Generationen bei.“ Im kommenden Jahr 2023 soll der Schülerwettbewerb erstmals in Griechenland stattfinden.

    „Heute ist das Thema Krieg in Europa leider wieder näher als gehofft, umso wichtiger ist es, sich intensiv auch mit den historischen Wurzeln der europäischen Situation im Zweiten Weltkrieg zu beschäftigen“, sagte die Schülerin Lydia R. des prämierten Gymnasiums Traben-Trarbach bei der Preisverleihung in Rückschau auf ihre Projektarbeit Weiter betonte sie: „In den Geschichtsbüchern sind, wie wir feststellen konnten, häufig nur Fakten über die Situation in Deutschland und der Eingriff der Alliierten präsent. Fundiertes Wissen über andere europäische Länder in dieser Zeit lässt sich kaum auffinden, ist aber ebenso wichtig, um das große Ganze zu verstehen.“ Deshalb habe die Klasse 9b des Gymnasiums Traben-Trarbach beschlossen, „sich auch mit einem Land zu beschäftigen, über das man in den Schulbüchern nicht sehr viel erfährt.“

    Der Laudator, Prof. Dr. Michele Barricelli, Experte für Public History an der Ludwig-Maximilians-Universität und früherer Hochschullehrer an der Freien Universität Berlin, sagte: „Die Zeit, der wir uns hier zuwenden, war eine Zeit größten Unrechts, von Genozid und Menschheitsverbrechen. Und all diese Geschehnisse sind mitnichten bis heute genügend aufgearbeitet.“ Gerade deshalb sei es erfreulich, dass Schülerinnen und Schüler ein „bisher in den Schulen und mithin auch in der Zivilgesellschaft weitgehend unbekanntes historisches Thema, das doch alle Aufmerksamkeit verdient, mit großer Offenheit, Engagement und Kreativität“ aufgegriffen haben. Die Wettbewerbsgruppen hätten mit ihren qualitativ hochwertigen Beiträgen „ihr Verantwortungsbewusstsein bei der Aufarbeitung der deutsch-griechischen Vergangenheit, ihre Empathie für die Opfer sowie ihr Bedürfnis nach einer gemeinsamen Erinnerungskultur in beeindruckender Form unter Beweis gestellt.“
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    n einem Grußwort betonte der Präsident der Freien Universität Berlin, Prof. Dr. Günter M. Ziegler: „Dass Menschen individuell und kollektiv vergessen oder die Augen verschließen, dass sich Kriege und Tragödien wiederholen, sehen wir in Europa gerade wieder auf schockierende Weise.“ Er würdigte die Beiträge der Schülerinnen und Schüler als zentral „im Kampf gegen das Vergessen und die Wiederholung von Verbrechen“. Zugleich verwies der Hochschulpräsident darauf, dass die nationalsozialistischen Verbrechen in Griechenland im Zweiten Weltkrieg ein Thema seien, das „politisch schwierig und auch sicher weniger bekannt und erforscht ist als andere Bereiche dieses dunklen Kapitels der Deutschen“.

    In den Jahren 1941 bis 1944 wurde Griechenland von Deutschland besetzt. Über 100.000 Menschen verhungerten, weitere 60.000 jüdische Griechen wurden deportiert und ermordet, annähernd 50.000 Zivilisten fielen sogenannten Vergeltungsmaßnahmen zum Opfer. Die deutsche Okkupation Griechenlands ist nach wie vor tief verankert im griechischen kollektiven Gedächtnis. Das Erinnerungsprojekt MOG will dazu beitragen, dass die Kriegsverbrechen auf griechischem Boden der deutschen Öffentlichkeit bekannt werden. Das Projekt ist vollständig bilingual und adressiert sowohl die deutsche wie die griechische Geschichts- und Bildungslandschaft.

    Unter den Gewinnerprojekten hatten die Schülerinnen und Schüler des Campus Marienthal Hamburg ein Erklärvideo über die Hintergründe des brutalen Angriffskrieges auf Griechenland erstellt. Die Gruppe des Franz-Marc-Gymnasiums Markt Schwaben (Bayern) hat ein Podcast über das „Massaker von Mouzakata“ auf der Insel Kefalonia im Frühjahr 1944 produziert. Unter dem Motto „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß?“ wollte die Projektgruppe vom Gymnasium Traben-Trarbach (Rheinland-Pfalz) zeigen, dass Unwissenheit nicht dazu führen dürfe, sich mit der Vergangenheit nicht verantwortlich auseinanderzusetzen. Die Schülerinnen und Schüler gestalteten dazu auch den Europatag am 9. Mai an ihrer Schule und stellten Griechenland vor. Sie bereiteten eine Ausstellung, Plakate, Quiz- und Hintergrundmaterialien zur NS-Okkupation Griechenlands vor. Die Waldorfschule Konstanz erstellte eine filmische Erzählung über das Leben, den Hunger und Widerstand Jugendlicher im, von Deutschland okkupierten Griechenland. Die prämierten Projektgruppen erhalten ein Preisgeld von jeweils 2.500 Euro.

    Das Erinnerungsprojekt MOG war 2016 von Erziehungswissenschaftler der Freien Universität Berlin und früherem Leiter des Center für digitale Systeme (CeDiS), Hon. Prof. Dr. Nicolas Apostolopoulos Nicolas Apostolopoulos, ins Leben gerufen worden. Es umfasst ein Online-Archiv mit Erinnerungen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen der Besatzung Griechenlands durch das nationalsozialistische Deutschland sowie eine Bildungsplattform mit umfangreichem Lehr- und Lernmaterial. Die 93 Interviewten sprechen über die Zeit der Okkupation von 1941 bis 1944 aber auch über die jeweiligen Lebensumstände in den Jahren davor und danach. Die Video-Interviews wurden mit Menschen unterschiedlicher Erfahrungshintergründe in Griechenland, Deutschland und Israel geführt: Zu Wort kommen griechische Widerstandskämpferinnen und -kämpfer, Überlebende der von den Deutschen verübten Massaker, Personen, die bei Razzien verhaftet und nach Deutschland deportiert wurden, Zwangsarbeiter und -arbeiterinnen, verfolgte Jüdinnen und Juden, sowie Zeuginnen und Zeugen von Bombenangriffen.

    Die wissenschaftliche Leitung für den geschichtlichen Teil des Projekts liegt bei Prof. Dr. Hagen Fleischer von der Nationalen und Kapodistrias-Universität Athen. Die Finanzierung des Projekts übernahmen das Auswärtige Amt aus Mitteln des „Deutsch-Griechischen Zukunftsfonds“ sowie die Stavros Niarchos Foundation und die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“.

    Weitere Informationen

    Links zu den prämierten Projekten
    • Campus Marienthal Hamburg:
    https://www.occupation-memories.org/de/schuelerwettbewerb/beitraege/campus-marie...

    • Franz-Marc-Gymnasium Markt Schwaben
    https://www.occupation-memories.org/de/schuelerwettbewerb/beitraege/markt-schwab...

    • Gymnasium Traben-Trarbach
    https://www.occupation-memories.org/de/schuelerwettbewerb/beitraege/traben-trarb...

    • Walddorfschule Konstanz
    https://www.occupation-memories.org/de/schuelerwettbewerb/beitraege/waldorfschul...


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Projekt "Memories of the Occupation in Greece", Nicolas Apostolopoulos, E-Mail: nicolas.apostolopoulos@cedis.fu-berlin.de


    Weitere Informationen:

    http://www.occupation-memories.org


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler
    Geschichte / Archäologie, Pädagogik / Bildung
    überregional
    Wettbewerbe / Auszeichnungen
    Deutsch


     

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