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14.06.2023 07:59

Neue Überblicksstudie: Missbrauch in der Kindheit beeinträchtigt Gefühlsverarbeitung im Erwachsenenalter

Nina Vogt Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Wer in der Kindheit misshandelt oder vernachlässigt wurde, hat im Erwachsenenalter mit größerer Wahrscheinlichkeit Schwierigkeiten, eigene Emotionen einzuordnen und zu verarbeiten. Julia Ditzer, Absolventin des Wilhelm-Wundt-Instituts für Psychologie an der Universität Leipzig, hat diesen Zusammenhang zwischen Kindesmissbrauch und Alexithymie, also Schwierigkeiten, eigene Emotionen zu identifizieren und zu beschreiben, gemeinsam mit einem internationalen Forscherteam nachgewiesen. Die Ergebnisse wurden jetzt in der renommierten Fachzeitschrift „Psychological Bulletin“ veröffentlicht.

    In einer Meta-Analyse analysierte Julia Ditzer gemeinsam mit Forschenden der Stanford Universität (USA), der Hebrew University of Jerusalem (Israel) und der Adam Mickiewicz Universität Posen (Polen), ob es einen Zusammenhang zwischen Kindesmisshandlung und Alexithymie gibt und welche Arten von Kindesmisshandlung besonders stark damit verbunden sind.

    Ditzer und ihre Kolleg:innen werteten dafür 83 Studien aus der ganzen Welt zu der Thematik aus. Diese enthielten 99 unabhängige Stichproben und schlossen insgesamt 36.141 Studienteilnehmer:innen ein, die sowohl über Details einer eventuellen Kindesmisshandlung als auch über die Ausprägung von Alexithymie im Erwachsenenalter berichteten.

    Die Analyse bestätigte, dass Kindesmisshandlung mit der allgemeinen Erwachsenen-Alexithymie zusammenhängt. Darüber hinaus stellten die Forscher:innen fest, dass Alexithymie bei Erwachsenen besonders mit Fällen von emotionalem Missbrauch, emotionaler Vernachlässigung und körperlicher Vernachlässigung verbunden ist. Auch bei sexuellem und körperlichem Missbrauch sei der Zusammenhang nachweisbar, allerdings in etwas geringerem Maße.

    Ditzer erklärt diesen Zusammenhang damit, dass vernachlässigte Kinder weniger Positivbeispiele und weniger Gelegenheiten für eine gesunde Emotionsverarbeitung erleben.

    Betroffenen fällt es schwer, Emotionen zu erkennen

    Alexithymie bedeutet wörtlich "keine Worte für Gefühle". Sie beschreibt die Schwierigkeit, Emotionen zu erkennen und zu beschreiben sowie zwischen emotionalen Zuständen und Körperempfindungen zu unterscheiden.

    Ein hohes Maß an Alexithymie wird seit langem mit einer Reihe von psychischen Störungen in Verbindung gebracht, darunter Autismus, Depression, Schizophrenie und somatoforme Störungen. Für Menschen, die mit Alexithymie zu kämpfen haben, sei es schwierig, mit gleichzeitig bestehenden psychischen Störungen zurechtzukommen, da ihr Mangel an Selbstwahrnehmung die Genesung behindert, so die Forschenden.

    Die emotionalen Schwierigkeiten von Betroffenen spielten auch in ihrem sozialen Leben eine Rolle, erklärt Ditzer. Alexithymie beeinträchtige die zwischenmenschlichen Beziehungen der Betroffenen: Diese zeigten Defizite im Verständnis und in der Beziehung nicht nur zu ihren eigenen Gefühlen, sondern auch zu den Gefühlen anderer.

    Erkenntnisse unterstreichen Wichtigkeit von Präventionsmaßnahmen

    „Unsere Studie hat das Potenzial, das öffentliche Bewusstsein für die langfristigen Auswirkungen von Kindesmisshandlung auf die psychische Gesundheit zu schärfen. Wir hoffen, dass unsere Forschung auch dazu beitragen wird, die Notwendigkeit von Präventionsmaßnahmen und frühzeitigen Interventionen bei Kindesmisshandlung hervorzuheben“, sagt Julia Ditzer. Die gewonnen Erkenntnisse könnten zum Beispiel von Sozialarbeiter:innen, Psycholog:innen und Angehörigen von Opfern von Kindesmissbrauch genutzt werden, um aktiv Maßnahmen zu ergreifen und Betroffenen angemessen zu helfen.

    Die Forschungsergebnisse entstanden im Rahmen von Julia Ditzers Masterarbeit unter der Betreuung von Dr. Anat Talmon, Wissenschaftlerin an der Hebrew University of Jerusalem und der Stanford University, sowie Prof. Dr. Cornelia Exner, Professorin für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Leipzig. Nach ihrem Abschluss hat Julia Ditzer eine Promotion an der TU Dresden begonnen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Julia Ditzer M.Sc.
    Absolventin Wilhelm-Wundt-Institut für Psychologie an der Universität Leipzig
    julia.ditzer@tu-dresden.de


    Originalpublikation:

    „Child maltreatment and alexithymia: A meta-analytic review“ https://doi.org/10.1037/bul0000391


    Bilder

    Psychologin Julia Ditzer
    Psychologin Julia Ditzer
    Picture People


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Pädagogik / Bildung, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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