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Wissenschaft
Dr. Michael Jungert über Bedeutung und Relevanz des Themas
Der Forschungsbereich Wissenschaftsreflexion war das Thema der diesjährigen Frühjahrstagung der Leopoldina (Nationale Akademie der Wissenschaften) in Halle an der Saale. Mitorganisiert und mitgeleitet wurde die Tagung vom FAU Kompetenzzentrum für interdisziplinäre Wissenschaftsreflexion ZIWIS (Prof. Dr. Max-Emanuel Geis und Dr. Michael Jungert). Wir sprachen mit ZIWIS-Geschäftsführer Michael Jungert über die Bedeutung und Relevanz von Wissenschaftsreflexion sowie über das sogenannte Erlanger Modell.
Was bedeutet Wissenschaftsreflexion und warum ist sie an einer Universität wichtig?
Michael Jungert: Wissenschaftsreflexion erforscht die Voraussetzungen und Folgen von Wissenschaft in einem sehr breiten Sinne – in erkenntnisbezogener, ethischer, historischer und gesellschaftlicher Hinsicht. Dabei versteht sie sich als ein interdisziplinäres Forschungsfeld, das unterschiedliche Fächer, Perspektiven und Methoden zusammenführt, etwa aus der Geschichtswissenschaft, Soziologie, Rechtswissenschaft, Philosophie, Psychologie, den Natur- und Technikwissenschaften und vielen weiteren. Ihr Ziel ist es, ein kritisch-reflexives Verständnis von Wissenschaft zu entwickeln, auf dessen Grundlage auch ein umfassender Dialog mit der Gesellschaft entstehen soll. An den Hochschulen und insbesondere an einer Volluniversität wie der FAU hat die Wissenschaftsreflexion als Querschnittsbereich eine immens wichtige Funktion: Sie bringt unterschiedliche Sichtweisen auf Wissenschaft zusammen, ermöglicht Dialog und Forschung über Fächergrenzen hinweg und bietet den Studierenden aller Fächer Einsichten in Aspekte der Wissenschaft jenseits des Fachstudiums.
Welche gesellschaftliche Relevanz hat die Thematik?
Jungert: Die große gesellschaftliche Relevanz lässt sich am besten anhand konkreter Beispiele zeigen. Im Rahmen der Coronapandemie hat sich etwa gezeigt, wie fundamental wichtig es ist, dass es in der Breite der Gesellschaft ein Verständnis dessen gibt, wie unterschiedliche Wissenschaften arbeiten, wie ihre Erkenntnisprozesse funktionieren und warum Theorien und Modelle entstehen oder sich verändern. Dieses Verständnis und damit ein realistisches Bild von Wissenschaft zu vermitteln, das Revision, Falsifikation und auch Scheitern und Irrtum mitumfasst und verstehbar macht, ist ein zentrales Ziel von Wissenschaftsreflexion. Ein weiteres Beispiel sind drängende ethische und soziale Fragen, die sich aus neuen Technologien wie etwa der Künstlichen Intelligenz (KI) ergeben. Auch hier kann Wissenschaftsreflexion die Perspektiven aus verschiedenen Bereichen, etwa aus der KI-, Medizin-, Sozial- und Medienethik oder aus den Sozialwissenschaften und der Psychologie systematisieren und Verknüpfungen herstellen, durch die nach und nach ein umfassendes Mosaik der gesamtgesellschaftlichen Implikationen entsteht.
Wie hat sich die Wissenschaftsreflexion entwickelt und was sind aktuelle Strategien?
Jungert: Wissenschaftsreflexion ist ein dynamisches Forschungsfeld, das sich gegenwärtig rasant entwickelt. Dies zeigt sich sowohl in der zunehmenden Zahl an Publikationen als auch durch die Einrichtung von Forschungsschwerpunkten und Institutionen und nicht zuletzt durch Tagungen und Workshops. Die FAU und sein ZIWIS sind hier in einer Vorreiterrolle, die wir durch Kooperationen mit anderen Universitäten und Wissenschaftseinrichtungen, etwa mit den Universitäten Bielefeld und Hannover und mit der Nationalen Akademie der Wissenschaften – Leopoldina, weiter ausbauen. Dadurch sollen nationale und später internationale Netzwerke zur Verknüpfung und Weiterentwicklung von wissenschaftsreflexiver Forschung, Lehre und Wissenschaftskommunikation entstehen.
Was bedeutet das Erlanger Modell im Kontext von Wissenschaftsreflexion?
Jungert: Das Erlanger Modell der Wissenschaftsreflexion ist stark geprägt vom Selbstverständnis der FAU als Volluniversität. Wir nutzen den Vorteil, alle großen Wissenschaftsbereiche inklusive einer Technischen und einer Medizinischen Fakultät an unserer Universität vereint zu haben und stellen Verknüpfungen zwischen allen Fakultäten, Lehrenden und Studierenden her, die an wissenschaftsreflexiven Fragen interessiert sind. Deutschlandweit einmalig ist dabei die Tatsache, dass mit dem ZIWIS an der FAU eine zentrale wissenschaftliche Einrichtung existiert, die keinem einzelnen Fach oder einer bestimmten Fakultät zugeordnet ist – dadurch entstehen vielfältige Möglichkeiten, Perspektiven zu kombinieren oder Wissenschaftler*innen unterschiedlicher Bereiche in Forschung und Lehre zusammenzubringen. Entscheidend ist dabei, dass das ZIWIS durch einen Mitgliederkreis von über 40 FAU-Wissenschaftler*innen aus allen Fakultäten getragen wird, der neue Forschungsfragen aus den Fakultäten an uns heranträgt, an Publikationen mitwirkt und gemeinsame Lehrveranstaltungen konzipiert. Spezifisch für das Erlanger Modell ist zudem das breite Angebot des ZIWIS an Seminaren zu verschiedensten Themen der Wissenschaftsreflexion, das im Rahmen der Schlüsselqualifikationen allen Studierenden der FAU offensteht. Auch die Tatsache, dass wir Wissenschaftsreflexion selbst zum Forschungsgegenstand machen und ihre Methoden und Potenziale erforschen, ist charakteristisch für das Erlanger Modell – so haben drei ZIWIS-Forscher bereits 2020 unter dem Titel „Wissenschaftsreflexion. Interdisziplinäre Perspektiven zwischen Philosophie und Praxis“ die erste umfassende wissenschaftliche Publikation dazu herausgegeben.
Ansprechpartner für Medien:
Dr. Michael Jungert
FAU Kompetenzzentrum für interdisziplinäre Wissenschaftsreflexion (ZIWIS)
michael.jungert@fau.de
Dr. Michael Jungert
FAU Kompetenzzentrum für interdisziplinäre Wissenschaftsreflexion (ZIWIS)
michael.jungert@fau.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
fachunabhängig
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungs- / Wissenstransfer
Deutsch
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