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Wissenschaft
Forschungsdatenbank versammelt Zeitzeugen-Interviews verschiedener Epochen und Archive
An der Freien Universität Berlin ist am Montag (25. September) offiziell die neue Online-Plattform „Oral-History.Digital“ (oh.d) an den Start gegangen. Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Interviewportal ermöglicht Forschenden und historisch Interessierten den Zugriff auf bisher schwer zugängliche Zeitzeugeninterviews aus unterschiedlichen Institutionen und Projekten. „Oral-History.Digital“ umfasst derzeit über 2.000 Interviews unter anderem von Verfolgten des Nationalsozialismus, aber auch Berliner Museumsmitarbeiter*innen, Bergarbeitern im Ruhrgebiet, Professor*innen und Punks, DDR-Bausoldaten oder Geflüchteten aus der Ukraine. Der weitere Ausbau der Plattform ist geplant.
Museen, Universitäten und Stiftungen können auf die neue Plattform ihre Audio- und Video-Interviews mit Transkripten oder Begleitmaterialien hochladen, mit Werkzeugen für Transkription oder Verschlagwortung bearbeiten sowie für Bildung und Wissenschaft bereitstellen. Interessierte aus Forschung, Bildung und Öffentlichkeit wiederum können die Interviews über Filter- und Volltextsuche sammlungsübergreifend durchsuchen, mit Untertiteln ansehen, annotieren und zitieren.
Die narrativen Interviews der Oral History sind eine wichtige Quelle für die Geschichtswissenschaft und andere Disziplinen, aber auch für Ausstellungen und Bildungsprojekte. Sie waren bislang jedoch über viele Institutionen verstreut und mitunter schwer auffindbar, oft schlecht erschlossen und nur vor Ort zugänglich. „Oral-History.Digital“ macht diese Interviews nun als audiovisuelle Forschungsdaten auffindbar, zugänglich und nachnutzbar. Eine differenzierte Zugangskontrolle schützt die Persönlichkeitsrechte der Interviewten. Die Langzeitarchivierung gewährleistet die dauerhafte Verfügbarkeit der Dateien.
Sechs Partnerinstitutionen arbeiten in oh.d zusammen. Mit der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin, dem Archiv „Deutsches Gedächtnis“ der FernUniversität Hagen und der Werkstatt der Erinnerung an der Forschungsstelle für Zeitgeschichte Hamburg bringen die größten Oral History-Einrichtungen in Deutschland ihre Sammlungsbestände ein. An der Universität Erlangen wird das Portal für eine Studie zur Migrationsgeschichte erprobt. Das Bayerische Archiv für Sprachsignale an der Universität München bietet Langzeitarchivierung und Spracherkennung, der Lehrstuhl für Medieninformatik der Universität Bamberg unterstützt die Schnittstellen zu Normdaten.
Entwickelt wird oh.d gemeinsam mit fast 30 Pilotarchiven, u.a. dem Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung, dem Haus der Geschichte des Ruhrgebiets, dem Westfälischen Landesmuseum für Industriekultur, den KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Flossenbürg, den Staatlichen Museen zu Berlin und den Universitäten Halle, Erfurt und Bochum. Sie bringen ihre jeweils einzigartigen Interviewsammlungen ebenso ein wie ihre vielfältigen Erfahrungen und Anforderungen.
Der Präsident der Freien Universität Berlin, Prof. Dr. Günter M. Ziegler, betonte: „Mit dem Portal `Oral-History.Digital‘ macht die Freie Universität Berlin eine große Vielfalt lebensgeschichtlicher Zeugnisse zu unterschiedlichen Geschichtsepochen zugänglich. Zugleich unterstützt die Plattform Forschungsprojekte innerhalb und außerhalb der Universität bei der Archivierung, Erschließung und Bereitstellung von Zeitzeugen-Interviews. Für unsere Universität ist das ein weiterer wichtiger Schritt beim Ausbau ihrer Expertise im Bereich von Erinnerungskultur, Oral History und Digital Humanities. Dieser Ausbau begann vor 17 Jahren: 2006 haben wir das ‚Visual History Archive‘ der USC Shoah Foundation zugänglich gemacht. Die FU war damals die erste Einrichtung außerhalb der USA, an der Forschende, Lehrende und Studierende mit diesen 53.000 Video-Interviews mit Überlebenden des Holocausts und anderer Genozide arbeiten konnten. Später wurden auch die 4.000 Überlebenden-Interviews aus dem renommierten Fortunoff Archive der Yale University nutzbar. Mit der Bereitstellung dieser kostbaren Zeugnisse bekannte und bekennt sich die FU zu ihrer historischen Verantwortung als ‚Freie‘ Universität in der ehemaligen Hauptstadt des nationalsozialistischen Deutschlands.“
Der Leitende Direktor der FU-Universitätsbibliothek, Dr. Andreas Brandtner, sagte: „Die Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin verfügt damit in diesem Bereich über eine weithin sichtbare Besonderheit, die wir nachhaltig festigen und perspektivisch zu einem Oral History-Zentrum weiterentwickeln wollen. Dabei blicken wir auch ein wenig in die USA: Dort sind Oral History-Abteilungen bereits seit den 1970er Jahren ein wichtiger Bestandteil von Universitätsbibliotheken, etwa in Yale, Columbia oder Berkeley. “Das Projekt „Oral-History.Digital“ wird seit 2020 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. In einer zweiten Förderphase bis 2026 wird die User-Community erweitert und die Software konsolidiert; neue Funktionalitäten werden die Editions- und Suchmöglichkeiten weiter optimieren. Die Freie Universität Berlin wird die Infrastruktur als wissenschaftliche Dienstleistung für Forschende und Archivpartner langfristig anbieten und ausbauen.
Dr. Cord Pagenstecher, Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin, Abteilung Forschungs- und Publikationsservices, Digitale Interview-Sammlungen; E-Mail: cord.pagenstecher@cedis.fu-berlin.de
http://Interviewportal: https://portal.oral-history.digital/de
http://Website von „Oral-History.Digital“: https://www.oral-history.digital
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Medien- und Kommunikationswissenschaften
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsprojekte
Deutsch
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