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Wissenschaft
Forschungsteam liefert neue und tiefere Einblicke in die Biologie eines der größten jemals existierenden marinen Fleischfressers
Ein internationales Team von Wissenschafter*innen mit Beteiligung der Universität Wien und des Naturhistorischen Museums Wien erregt aktuell die Aufmerksamkeit der Fachwelt: Es konnte zeigen, dass – im Gegensatz zu bisherigen Annahmen – der ikonische Hai Megalodon (Otodus megalodon) wesentlich schlanker war als der Weißen Hai – und sich auch seine Lebensweise von diesem unterschied. Die Ergebnisse der Forschungsarbeit wurden nun in der Fachzeitschrift Palaeontologia Electronica veröffentlicht.
Der gigantische, mindestens 15 Meter lange, ausgestorbene Urzeithai Megalodon, der vor etwa 15 Millionen Jahren erstmals auftauchte und vor 3,6 Millionen Jahren ausstarb, ist eine Ikone der Urzeit. Bekannt für seine großen Zähne, war er einer der größten marinen Fleischfresser überhaupt und hatte bedeutenden Einfluss auf die Meeresökosysteme. Das macht ihn auch heute noch zu einem beliebten Forschungsobjekt. Um seine Biologie und damit auch sein Verhalten besser zu verstehen, ist die korrekte Rekonstruktion seiner Körperform von entscheidender Bedeutung. Dies stellte die Forschung bisher jedoch vor große Herausforderungen, da von diesem Hai zwar Zähne und Wirbel, aber keine vollständigen Skelette erhalten sind.
Was bisher geschah
Die Tatsache, dass Megalodon wie der Weiße Hai seine Körpertemperatur teilweise regulieren konnte ("regionale Warmblütigkeit") und Ähnlichkeiten in der Zahnform aufwies, galt lange Zeit als Argument dafür, dass er auch in seiner Körperform dem modernen Weißen Hai ähnlich gewesen sein könnte. Traditionell wurde der Weiße Hai daher als Modellart für die Interpretation der Lebensweise und Gestalt von Megalodon herangezogen – eine Vorgehensweise, die nun durch die neuesten Forschungsergebnisse ins Wanken gerät. Paläobiologe Jürgen Kriwet vom Institut für Paläontologie der Universität Wien erklärt: "Früher vermutete man, dass Megalodon aufgrund seiner angenommenen Gestalt ein schneller Schwimmer war und den heutigen Makrelenhaien – den sogenannten Lamniden – ähnelte, zu denen auch der Weißen Hai gehört. Diese wissenschaftliche Argumentation hat jedoch einige Schwächen."
Wie die Geschichte weitergeht
Mit Hilfe einer teilweise erhaltenen Wirbelsäule von Megalodon und einigen Exemplaren heutiger Lamniden hat das Forschungsteam nun die 2D- und 3D-Rekonstruktionen der Körperform von Megalodon neu bewertet. Dabei wurde ersichtlich, dass die Annahmen der bisherigen Studien in weiten Teilen nicht zutreffend sind. "Die Verwendung einer unvollständigen Wirbelsäule ohne weitere Skelettelemente wie den Schädel und der Vergleich mit einem CT-Scan eines jungen Weißen Hais ohne Berücksichtigung ontogenetischer Veränderungen, um die Körperform von Megalodon und damit biologische Aspekte zu rekonstruieren, sind sehr fehleranfällig", so Paläobiologe Jürgen Kriwet. Trotz der Unzulänglichkeiten der bisherigen Studien lieferten diese bereits einen wichtigen Hinweis auf die Körperform von Megalodon, nämlich auf die im Vergleich zum Weißen Hai langgestreckte Gestalt.
Körperform und Lebensweise neu interpretiert
Der anatomische Vergleich der Wirbelsäulen heutiger Makrelenhaie mit denen von Megalodon zeigt nun, dass der urzeitliche Riesenhai noch länger und schlanker war. Auch wenn seine tatsächliche Körperform noch nicht vollständig geklärt ist, sind die neuen Erkenntnisse von großer biologischer Bedeutung. "Kombiniert ergibt sich das Bild eines vergleichsweise schlanken und langen, regional warmblütigen, eher langsam schwimmenden Top-Prädators, der zumindest eine ähnliche, vielleicht sogar höhere trophische Position einnahm als der heutige Weiße Hai", sagt der Paläobiologe Patrick L. Jambura vom Institut für Paläontologie der Universität Wien. "Unsere Studie zeigt, dass eine gründliche Analyse aller verfügbaren Daten und eine sorgfältige Auswahl heute lebender Haie als Modellorganismen wichtige Hinweise auf die Lebensweise und Biologie ausgestorbener Haie liefern können", meint Paläobiologin Julia Türtscher vom Institut für Paläontologie der Universität Wien.
Obwohl Megalodon fast 12 Millionen Jahre lang unangefochten an der Spitze der Nahrungskette stand, starb er vor etwa 3,6 Millionen Jahren aus. Klimatische Veränderungen, aber auch die heutigen Weißen Haie – sie erreichen vermutlich schneller ihre Geschlechtsreife – wurden ihm möglicherweise zum Verhängnis. "Das Verständnis des Erfolgs, aber auch des Aussterbens solcher Raubfische ist von großer Bedeutung, da es Rückschlüsse auf die Zukunft der heutigen Top-Prädatoren zulässt, die für das ökologische Gleichgewicht der Ozeane unverzichtbar sind", erklärt Paläontologin Iris Feichtinger vom Naturhistorischen Museum Wien.
Prof. Dr. Jürgen Kriwet
Institut für Päläontologie, Universität Wien
1090 Wien, Josef-Holaubek-Platz 2 (UZA II)
T +43-1-4277-53520
M +43-664-8175776
juergen.kriwet@univie.ac.at
Publikation in Palaeontologia Electronica:
White shark comparison reveals a slender body for the extinct megatooth shark, Otodus megalodon (Lamniformes: Otodontidae) Phillip C. Sternes, Patrick L. Jambura, Julia Türtscher, Jürgen Kriwet, Mikael Siversson, Iris Feichtinger, Gavin J. P. Naylor, Adam P. Summers, John G. Maisey, Taketeru Tomita, Joshua K. Moyer, Timothy E. Higham, João Paulo C. B. da Silva, Hugo Bornatowski, Douglas J. Long, Victor J. Perez, Alberto Collareta, Charlie Underwood, David J. Ward, Romain Vullo, Gerardo González-Barba, Harry M. Maisch IV, Michael L. Griffiths, Martin A. Becker, Jake J. Wood, Kenshu Shimada
DOI: https://doi.org/10.26879/1345
https://medienportal.univie.ac.at/media/aktuelle-pressemeldungen/detailansicht/a...
Größenvergleich von Zähnen eines heutigen ca. 2,7m langen Weißen Hais Carcharodon carcharias (A) und ...
J. Kriwet
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Geowissenschaften
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch
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