idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
03.09.2024 14:42

Und, welchen Film hat dein Gehirn gesehen?

Lisa Dittrich Presse, Kommunikation und Marketing
Justus-Liebig-Universität Gießen

    Blickbewegungen führen zu verschiedenen Versionen desselben Films in unseren Köpfen – Publikation der JLU-Wahrnehmungspsychologie

    Zwei Menschen sitzen im Kino und schauen auf die Leinwand: Sehen sie dasselbe? Oder ist der Film im Kopf verschieden? Forscherinnen der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) haben herausgefunden, dass jedes Gehirn eine eigene Version des Films erlebt und veröffentlichten ihre Ergebnisse im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS). Tatsächlich hat jeder Zuschauer eine etwas eigene Variante des Films im Kopf - und diese Unterschiede lassen sich durch die individuellen Blickbewegungen vorhersagen.

    Füße, Hände, Nasen, Ohren – menschliche Körper bestehen aus immer gleichen Teilen, aber ihre Anatomie unterscheidet sich von Person zu Person. Das gilt auch für das Gehirn und seine Aktivitätsmuster. Neurowissenschaftlerinnen und Neurowissenschaftler nutzen funktionelle Magnetresonanztomographie und maschinelles Lernen, um diese Gehirnaktivitäten vergleichbar zu machen. Diese Techniken ermöglichen es seit etwa einem Jahrzehnt, Aktivitätsmuster zwischen verschiedenen Gehirnen zu „übersetzen“.

    Petra Borovska und Prof. Dr. Ben de Haas von der Abteilung für Allgemeine Psychologie der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) haben diese Technologie genutzt, um die Folgen individueller Blickbewegungen zu untersuchen. Sie haben analysiert, wie gut man die Gehirnaktivität einer Person anhand der Aktivität einer anderen Person vorhersagen kann, während 19 Freiwillige denselben Film betrachteten – entweder frei oder während sie passiv auf die Mitte des Bildschirms schauten. Natürliche Blickbewegungen führten im Vergleich zur passiven Beobachtung zu deutlich stärkeren Aktivierungen in den visuellen Zentren des Gehirns. Diese Aktivierungen waren jedoch so individuell, dass es schwieriger wurde, die Gehirnaktivität von einer Person auf eine andere zu übertragen.

    „Blickbewegungen galten traditionell als einfache Reaktion auf das, was vor unseren Augen geschieht“, erklärt de Haas. „Aber inzwischen wissen wir, dass das nicht alles ist. Blickbewegungen sind so individuell wie Persönlichkeitsmerkmale. Einige Menschen fokussieren mehr auf Gesichter, andere auf Text oder andere Details.” Borovska ergänzt: “Wir hatten die Vermutung, dass diese individuellen Blickgewohnheiten zu einer einzigartigen Welt in den Köpfen der Menschen führen. Jetzt wissen wir: Das stimmt! Wir konnten sogar vorhersagen, wie sehr sich die Gehirnaktivitätsmuster zwischen zwei Menschen unterscheiden, wenn wir die Ähnlichkeit ihrer Blickbewegungen in einem separaten Experiment erfasst haben, mit mehreren Tagen Abstand. Es ist erstaunlich, dass Blickbewegungen zu stärkerer neuronaler Aktivität führen, diese Aktivitätsmuster jedoch gleichzeitig weniger vergleichbar machen. Normalerweise bedeutet ein stärkeres Signal klarere Daten, aber hier ist das Signal – also die neuronale Repräsentation des Films – eben verschieden, eine Art director’s cut des individuellen Hirns.”

    Das Team untersucht derzeit, wie sich Blickbewegungen im Laufe des Lebens entwickeln und wie sie unser Verständnis von Szenen und alltäglichen Aufgaben beeinflussen. „Es gibt noch so viel zu entdecken“, meint de Haas. “Man kann sogar den Sitznachbarn im Kino fragen: ‘Welchen Film hast Du gesehen?’”


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Ben de Haas, Petra Borovska
    Abteilung für Allgemeine Psychologie der JLU
    benjamin.de-haas@psychol.uni-giessen.de
    petra.borovska@psychol.uni-giessen.de


    Originalpublikation:

    Petra Borovska, Benjamin de Haas: Individual gaze shapes diverging neural representations, Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), August 30, 2024, 121 (36) https://doi.org/10.1073/pnas.2405602121


    Bilder

    „Welchen Film hat dein Gehirn gesehen?“. Grafik (KI-generiert)
    „Welchen Film hat dein Gehirn gesehen?“. Grafik (KI-generiert)
    Benjamin de Haas


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medien- und Kommunikationswissenschaften, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).