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Welche Rolle spielen für die Wähler:innen eigentlich die Kanzlerkandidat:innen? Wie wichtig ist TikTok gerade bei jungen Menschen für die Wahleinscheidung? Wie gefährlich sind Desinformationskampagnen? Und: Lohnt sich taktisches Wählen? Die Medienredaktion der Universität Leipzig hat auf ihrem Instagram-Kanal eine Umfrage gestartet, welche Fragen die Wähler:innen zur bevorstehenden Bundestagswahl am 23. Februar bewegen. Forschende der Universität Leipzig beantworten sie kurz und prägnant.
Welche Rolle spielen Kanzlerkandidat:innen tatsächlich bei der Wahl?
Dr. Hendrik Träger, Politikwissenschafter:
"Für die Analyse von Wahlverhalten gibt es in der Politikwissenschaft mehrere Ansätze. Dem 'Ann-Arbor-Ansatz' zufolge sind drei Faktoren für die individuelle Wahlentscheidung wichtig: die Parteibindung, die themenspezifische Kompetenzzuweisung an die Parteien und die Kandidatenorientierung.
Die Kanzlerkandidatinnen und -kandidaten werden wegen der abnehmenden Parteibindung und der auf Personen zugeschnittenen Medienlogik wichtiger. Das kann für die Partei ein Vorteil sein, wenn die Kandidatin oder der Kandidat populär ist und das Wahlergebnis nach oben zieht.
Eine unpopuläre Person kann aber auch zur Last für die Partei werden. Ein geradezu lehrbuchhaftes Beispiel bietet die Bundestagswahl 2021. Im damaligen Wahlkampf machten Armin Laschet und Annalena Baerbock Fehler, so dass Olaf Scholz gewissermaßen 'Last Man Standing' (Klein/Springer/Kühling) war und die SPD knapp gewann."
Weitere Informationen: Dr. Hendrik Träger, Tel.: 0341-9735621, E-Mail: Hendrik.Traeger@uni-leipzig.de
Wählen mehr junge Menschen die AfD wegen TikTok?
Charlotte Meier, Politikwissenschaftlerin:
"Die AfD ist sehr geschickt darin, populistische Rhetorik zu verwenden. Das heißt vor allem, dass sie ein starkes 'Wir gegen die'-Gefühl schaffen. Teil eines 'Wir' zu sein, ist besonders für Jugendliche sehr wichtig. Die 'Wir gegen die'-Rhetorik hat ein starkes Identifikationspotenzial und kann ein Gefühl von Gemeinschaft schaffen.
Das wurde in rechten Kreisen gut erkannt. Dort wird aktiv daran gearbeitet, auch junge Menschen in der Kommunikation anzusprechen. Das tun sie zum Beispiel, indem sie Jugendliche dort abholen, wo sie sind: auf Social Media.
Die AfD ist derzeit die Partei, die Social Media am effektivsten nutzt, um junge Wähler:innen anzusprechen. Im Vergleich zu anderen Parteien und Politiker:innen vermittelt die AfD dort stärker den Eindruck, ihre Follower:innen ernst zu nehmen. Sie greift Themen auf, die junge Leute beschäftigen, zum Beispiel die aktuelle wirtschaftliche Lage und damit verbundene Zukunftsängste."
Weitere Informationen: Charlotte Meier, Tel.: 0341-9735612, E-Mail: charlotte.meier@uni-leipzig.de
Sind Desinformationskampagnen eine Gefahr für die Bundestagswahl?
Prof. Dr. Christian Hoffmann, Medienwissenschaftler:
"Es ist möglich, dass ausländische Akteure vor der Wahl eine Desinformationskampagne starten. Russland, China oder der Iran taten dies in den letzten Jahren wiederholt. Zum Glück zeigen Studien, dass diese Kampagnen weitgehend verpufften. Nur wenige Menschen sahen sie und Wirkungen sind in der Regel nicht nachweisbar.
Die Deutschen informieren sich weit überwiegend aus seriösen journalistischen Quellen. Darum ist es wichtig, dass der Journalismus nicht jede Desinformation aufgreift und ihr damit versehentlich Reichweite gibt. Auch sollte keine Angst vor Desinformation verbreitet werden – denn oft sind alleine schon Angst und Streit die Ziele einer Desinformationskampagne.
Schwierig ist der Umgang mit Unwahrheiten inländischer Akteure. Im Wahlkampf wird viel übertrieben, verdreht und geflunkert. Guter Journalismus deckt das auf, holt verschiedene Sichtweisen ein, lässt Experten zu Wort kommen, und gibt den Bürgern so die Möglichkeit, sich eine fundierte Meinung zu bilden."
Weitere Informationen: Prof. Dr. Christian Hoffmann, Tel.: 0341-9735061, E-Mail: christian.hoffmann@uni-leipzig.de
Lohnt sich taktisches Wählen?
Dr. Daniel Schmidt, Politikwissenschaftler:
"Idealerweise treffen Bürger:innen ihre Wahlentscheidung danach, welche politischen Ziele der antretenden Parteien und Kandidat:innen am ehesten den eigenen Präferenzen, Werten und Einstellungen entsprechen.
Taktisches Wählen jedoch bedeutet, gerade nicht den Kandidaten G. zu unterstützen, zum Beispiel weil er im eigenen Wahlkreis keine Chance auf den Sieg hat. Stattdessen gibt man seine Stimme der Kandidatin C., vielleicht um zu verhindern, dass Kandidat A. den Wahlkreis gewinnt. C. wäre also in dieser Perspektive 'das kleinere Übel'.
Das lohnt sich nur, wenn sehr viele Wähler:innen (in einem Wahlkreis) genauso entscheiden. Damit es funktioniert, braucht es eine öffentliche Kampagne – entweder durch externe Initiativen oder durch Parteien selbst. Das eignet sich nur für ganz bestimmte, seltene Konstellationen. Aus individueller Sicht ist taktisches Wählen deshalb meistens ein Glücksspiel."
Weitere Informationen: Dr. Daniel Schmidt, Tel.: 0341-9735623, E-Mail: dschmidt@uni-leipzig.de
Medienredaktion der Universität Leipzig
Tel.:+49 341 97 35025
E-Mail: presse@uni-leipzig.de
Expert:innen der Universität Leipzig beantworten Fragen zur Bundestagswahl.
Foto: Colourbox
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Gesellschaft, Politik
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer
Deutsch
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