idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
05.08.2025 08:19

Leipziger Studie identifiziert neue Gruppe Betroffener bei wenig bekannter Essstörung

Medizinische Fakultät: Anne Grimm Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Menschen mit der Essstörung ARFID schränken ihre Nahrungsaufnahme stark in Menge oder Vielfalt ein – das führt zu körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen. Die Erkrankung beginnt meist im Kindesalter und wurde bislang vor allem bei Kindern oder Personen mit Untergewicht untersucht. Eine neue Studie der Universitätsmedizin Leipzig zeigt nun: Auch Erwachsene mit erhöhtem Körpergewicht können an ARFID leiden. Die Ergebnisse wurden im renommierten Fachjournal „Psychotherapy and Psychosomatics" veröffentlicht.

    Für viele Menschen ist Essen mit Genuss verbunden – für Betroffene von ARFID (englisch: Avoidant/Restrictive Food Intake Disorder) jedoch häufig mit Angst, Stress oder Ekel. Die Erkrankung äußert sich durch die Ablehnung bestimmter Nahrungsmittel, etwa wegen Geruch, Konsistenz oder aus Angst vor dem Verschlucken oder Erbrechen. Auch ein stark vermindertes Interesse am Essen kann ein Anzeichen sein. Im Unterschied zu anderen Essstörungen wie der Magersucht spielt der Wunsch nach Gewichtsverlust keine Rolle. Dennoch ist das Risiko für Mangelernährung und Folgeerkrankungen ähnlich hoch.

    Das Team um Dr. Ricarda Schmidt und Prof. Dr. Anja Hilbert erforscht ARFID seit Jahren an der Universitätsmedizin Leipzig. Es entwickelte unter anderem ein diagnostisches Interview zur Erkennung dieser Essstörung, das inzwischen weltweit verwendet wird. „Unsere aktuellen Ergebnisse zeigen, dass ARFID auch bei Erwachsenen mit höherem Körpergewicht vorkommt – wenn auch mit teils anders ausgeprägten Symptomen. Diese Patient:innen brauchen eine spezifische Diagnostik und angepasste Behandlungsangebote“, sagt Dr. Ricarda Schmidt, Leiterin der Studie.

    Symptome im klinischen Alltag häufig fehlgedeutet

    Für die aktuelle Untersuchung wurden 369 Erwachsene online befragt, mit einem Teil wurde zusätzlich ein klinisches Interview durchgeführt. Dadurch konnten sowohl selbstberichtete Symptome als auch offizielle Diagnosen erfasst und in Bezug zu Körpergewicht und weiteren Gesundheitsmerkmalen gesetzt werden. Die Befragung ergab, dass 34 Prozent der Erwachsenen mit ARFID ein erhöhtes Körpergewicht aufwiesen. Diese Gruppe zeigte häufiger als Betroffene mit niedrigem Gewicht ein wählerisches Essverhalten, eine größere Alltagsbelastung und ein gesteigertes Risiko für Stoffwechselerkrankungen. Besonders auffällig: 100 Prozent der Betroffenen mit erhöhtem Gewicht gaben psychosoziale Beeinträchtigungen an – im Vergleich zu 65 Prozent derer mit Untergewicht.

    Ein bislang wenig beachteter Aspekt: Viele der befragten Personen mit höherem Gewicht gaben an, sich stark mit ihrer Figur und ihrem Gewicht zu beschäftigen. Diese Sorgen werden im klinischen Alltag jedoch häufig fehlgedeutet. „Gerade bei Menschen mit höherem Körpergewicht bleibt ARFID oft unerkannt, weil die Gewichtssorgen irrtümlich als Hinweis auf andere Essstörungen oder als Folge von Diätverhalten gewertet werden“, erklärt Schmidt. So bleibe eine zutreffende Diagnose oft aus – mit potenziell gravierenden Folgen für die Versorgung, meint die Wissenschaftlerin. Um das zu ändern, müsse die Diagnostik überarbeitet und medizinisches Fachpersonal sensibilisiert werden. Bestehende Screeningverfahren sollten um gewichtsunabhängige Erkennungsmerkmale ergänzt werden. Auch müssten Therapieansätze angepasst werden – psychotherapeutisch als auch pharmakologisch, empfehlen die Studienautorinnen.

    „Mit unseren aktuellen Ergebnissen schließen wir eine wichtige Forschungslücke und erweitern das Verständnis der Erkrankung auf eine bislang kaum beachtete Gruppe“, sagt Schmidt, Wissenschaftlerin für Verhaltensmedizin. Folgeuntersuchungen zur Entstehung und Behandlung der Erkrankung sind an der Universitätsmedizin Leipzig bereits in Planung.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Ricarda Schmidt, Wissenschaftlerin
    Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
    Universitätsklinikum Leipzig
    Mail: Ricarda.Schmidt@medizin.uni-leipzig.de
    Telefon: +49 341 97-153676


    Originalpublikation:

    Originaltitel der Publikation in Psychotherapy and Psychosomatics:
    "Psychopathology in Adults with Co-occurring Avoidant/Restrictive Food Intake Disorder (ARFID) and Higher Weight", https://doi.org/10.1159/000547450


    Bilder

    Die Essstörung ARFID beginnt meist im Kindesalter.
    Die Essstörung ARFID beginnt meist im Kindesalter.

    Copyright: Colourbox

    Dr. Ricarda Schmidt
    Dr. Ricarda Schmidt
    Quelle: Stefan Straube
    Copyright: UKL


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).